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Die einstige Endstation Britz-Süd nach der Sanierung mit hellem Bahnsteigbelag. Düttmanns Stationsbauten von 1963 zeichnen sich durch klare Formen aus. Foto: Jan Gympel |
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Bruno Grimmek und Rainer Gerhard
Rümmler – diese Architekten zeichnen für den
Ausbau aller zwischen 1956 und
1996 in West-Berlin neu eröffneten U-Bahnhöfe
verantwortlich. Die einzige Ausnahme
stellt die Station Schloßstraße dar. Stimmt’s?
Stimmt nicht. Häufig vergessen werden
die drei U-Bahnhöfe, welche vor nunmehr 50
Jahren in Betrieb gingen: Blaschkoallee,
Parchimer Allee und Britz-Süd. Als ihr Gestalter
gilt Werner Düttmann.
Der 1921 geborene Düttmann war eine
wichtige Figur in der West-Berliner Bauszene
der sechziger und siebziger Jahre: als
freier Architekt, als Hochschullehrer und von
1960 bis 1966 als Senatsbaudirektor. Er war
wesentlich beteiligt an so hervorragenden
Werken wie der Akademie der Künste am
Hanseatenweg (als deren Präsident er von
1971 bis zu seinem Tod 1983 fungierte) oder
dem Brücke-Museum – allerdings auch an
so zeitgeistgemäß klobigen wie dem mittlerweile
wieder abgerissenen Ku’damm-Eck,
der ebenfalls längst umgestalteten Fassade
des heutigen Karstadt-Warenhauses am
Kurfürstendamm oder der Mehringplatz-Bebauung,
bei der nur die vage Grundidee
von Düttmanns Lehrer Hans Scharoun übrigblieb.
Nicht zuletzt spielte Düttmann
als Senatsbaudirektor natürlich auch eine
wichtige Rolle bei den großen Siedlungen,
die damals entstanden, allen voran das Märkische
Viertel und die Gropiusstadt.
Der Anbindung letzterer, deren Errichtung
zu jener Zeit gerade erst in Angriff
genommen wurde, diente auch die am
28./29. September 1963 eröffnete Verlängerung
der U-Bahn von Grenzallee nach Britz-Süd,
die 1970 bis Zwickauer Damm und 1972
bis Rudow fortgeführt wurde. Bekanntlich
blieb dies der einzige Schnellbahnanschluss
einer West-Berliner Trabantenstadt. Und
selbst diesen hat der damalige Bausenator
Rolf Schwedler dem Vernehmen nach nur
mit dem Hinweis auf eine mögliche Verlängerung
zum Ost-Berliner Flughafen Schönefeld
durchsetzen können. Lange Zeit sollte
die Strecke in Britz-Süd enden: Bis dorthin,
so soll die BVG 1960 argumentiert haben,
könnten die kalkulierten 50 000 Bewohner
der neuen Großsiedlung ja mit dem Bus
fahren, eine U-Bahn durch die Gropiusstadt
wäre nicht rentabel.
Empfangsgebäude und Experimente
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Das südliche Empfangsgebäude der Station Parchimer Allee vor einer Hauszeile der Hufeisensiedlung. Die Front wie die seitlichen Fenster besaßen ursprünglich große, fast bis zum Boden reichende Scheiben. … Foto: Jan Gympel |
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… Dadurch wurden die Bauten stärker beleuchtet und wirkten transparenter, leichter, offener als heute. Foto: Jan Gympel |
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So kurz der vor 50 Jahren fertiggestellte Britzer
Abschnitt der heutigen U 7 mit rund drei
Kilometern ist, er war und ist in vieler Hinsicht
bemerkenswert. Mit dem Entschluss, die Strecke
nicht – wie ursprünglich geplant – durch
den Park am Buschkrug und ab Höhe Talberger
Straße im offenen Einschnitt zu führen, wurde
faktisch eine Grundsatzentscheidung getroffen:
Seitdem ist in West-Berlin und nach 1990
im wiedervereinten Berlin keine oberirdische
U-Bahn-Strecke mehr entstanden.
Der Zukunftseuphorie und dem Technikglauben
der Fifties und Sixties entsprechend,
experimentierte man auf dem Britzer
Abschnitt mit nicht weniger als sechs
verschiedenen schotter- und teils auch
schwellenlosen Oberbauformen sowie diversen
Möglichkeiten der Schalldämmung.
Die Trasse führte zu der 1970 eröffneten
zweiten West-Berliner Großprofilwerkstatt
in Britz, die angesichts des stetigen Wachstums
des Netzes notwendig geworden war –
1963 wurde an vier U-Bahn-Verlängerungen
gleichzeitig gebaut! Und nirgendwo im
Berliner U-Bahn-Netz finden sich so viele
Empfangsgebäude bei unterirdischen Stationen
– von Blaschkoallee bis Britz-Süd und
darüber hinaus bis Zwickauer Damm wurden
alle Bahnhöfe damit ausgestattet.
Bei den 1963 eröffneten Stationen gestaltete
sie Düttmann ähnlich wie das südliche
Empfangsgebäude des 1961 in Betrieb genommenen
U-Bahnhofs Hansaplatz, das
ebenso von ihm stammte wie die benachbarte
Hansabücherei: unverkleidete Stahlbetonskelette,
teils ausgefacht mit rauhen
roten Ziegeln, dunkler Stahl, klar lackiertes
Holz, Glasbausteine, große, raumhohe Fenster.
Insbesondere die Klinker und das Holz
schaffen eine leicht rustikal anmutende
Atmosphäre. Dabei ist hier nichts heimattümelnd
oder historisierend. Im Gegenteil:
Man findet fast nur gerade Linien und rechte
Winkel, kein einziges rein dekoratives Element.
Die verwendeten Materialien sollen
ihre reine Wirkung entfalten.
Vorbild: Mies
Insbesondere die Empfangsgebäude sind
von dem minimalistischen, kühl-eleganten
Stil Ludwig Mies van der Rohes inspiriert, der
in der ersten Hälfte der 1960er Jahre schwer
in Mode war – nicht nur in Berlin, wo Mies,
einer der prägendsten Vertreter der modernen
Architektur, damals die Neue Nationalgalerie
schuf.
Apropos Moderne: Die drei kleineren
der fünf Britzer Empfangsgebäude stehen
zwischen Wohnzeilen der in der Weimarer
Republik errichteten Hufeisensiedlung von
Martin Wagner und Bruno Taut, Berlins vielleicht
berühmtester Wohnanlage der klassischen
Moderne. Die beiden größeren Pavillons
– jener der Station Britz-Süd und der
nördliche an der Blaschkoallee – erhielten
kleine Pfeilervorhallen, die man als moderne
Interpretation des klassischen, auf antike
Tempel zurückgehenden Portikus betrachten
könnte. Die Vorhallen bieten aber auch,
ganz funktional, einen Wetterschutz beim
Warten auf den Bus oder beim Aufenthalt
an den (ursprünglich) neben den Eingängen
befindlichen Verkaufs- bzw. Zeitkartenschaltern.
Bemerkenswert ist auch, wie das Empfangsgebäude
an der Blaschkoallee (hinter
dem sich ein Gleichrichterwerk versteckt)
mit einem Aufgang zum Park am Buschkrug
verbunden wurde – die Treppenanlage
ist inzwischen, späterem Geschmack
gemäß, bunt verhübscht worden. Der kleine
Platz zwischen ihr und dem Pavillon, mit
einer Skulptur und bauzeittypisch schlichten
Sitzbänken versehen, dient derzeit als
Lagerfläche für die Arbeiten im und am
U-Bahnhof.
Zum Jubiläum nackt
Kurz vor ihrem 50-jährigen Jubiläum bot
sich die Bahnsteighalle der Station Blaschkoallee
nämlich wieder nackt dar – genauer
gesagt: im Rohbau. „Sanierung“ bedeutet
bei der BVG ja in der Regel, die gesamte Verkleidung
abzuschlagen, von der abgehängten
(hier natürlich geraden) Rabitzdecke mit
eingebauten Leuchten bis zu den Keramikstreifen
(„Riemchen“) an den Hintergleisflächen.
Wie es hier – nur in einem helleren,
weniger gelbstichigen Grau als in Britz-Süd –
aussah, vermag man anhand der beiden
Schwesterstationen noch zu erahnen: Auch
bei der Gestaltung der Bahnsteighallen war
die Vorliebe der Fifities für kühne Schwünge
und ungezwungene, „organische“ Formen
vorbei.
Man darf gespannt sein, ob in Blaschkoallee
die Verkleidung der als simple
Pfeiler mit rechteckigem Querschnitt ausgeführten
Mittelstützen erhalten bleibt
(rote Klinker im gleichen Format wie die
Keramikriemchen).
Und ob auch hier der
helle, jedoch gesprenkelte Bahnsteigbelag
einem noch helleren, ungemusterten
weicht wie in Britz-Süd, wo Flecken jetzt
besonders gut zur Geltung kommen und
man sich das Warten auf den Zug mit dem
Zählen der festgetretenen Kaugummis
vertreiben kann.
Immerhin: In Britz-Süd findet sich auch
nach der Sanierung eine originale oder
originalgetreue Beschilderung hinter den
Gleisen. Im Treppenhaus hat man die Wanddurchbrüche
entlang des Gangs zum neu
eingebauten Aufzug stilgerecht eingefügt.
Und die halbhohe Trennwand zwischen
Stein- und Rolltreppe wird sogar noch immer
von einer Holzverkleidung bekrönt. So
kann das also auch aussehen bei der BVG.
Teilverblecht wie im Krieg
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Gerade Linien, rechte Winkel. Foto: Jan Gympel |
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Rustikale Anmutung: Im südlichen Treppenhaus des U-Bahnhofs Britz-Süd findet sich auch nach der Sanierung der Station neben Klinkern Holz. Foto: Jan Gympel |
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Empfangsgebäude Britz-Süd. Der Bäckereiladen rechts ist ein nachträglicher Einbau. Auch die vielen anderen bunten Schilder und Transparente (zer-)stören die beabsichtigte kühle Eleganz dieses Gebäudes. Foto: Jan Gympel |
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Dabei haben es Bauten wie die Britzer
U-Bahnhöfe generell schwer, auch in der
breiten Öffentlichkeit: Als Architektur wird
oft nur betrachtet, was besonders aufdringlich,
gern auch unsinnig gestaltet ist. Leises,
Feines wird schnell mit dem schlimmsten
Urteil belegt, das man seit den 80ern mit
ihren postmodernen Albernheiten kennt:
nüchtern. Folglich werden die Britzer Stationen
in vielen Büchern zur Berliner U-Bahn
weitgehend ignoriert – trotz ihrer für hiesige
Verhältnisse ungewöhnlichen Ausstattung
mit Empfangsgebäuden.
Da spätere Generationen für die schlichte
Eleganz, die für die Ästhetik der frühen
Sixties so typisch war, keinen Sinn hatten,
ist viel davon im Laufe der Zeit verloren
gegangen – in Britz neben diversen Details
nahezu die gesamte Bahnsteigmöblierung.
Außer durch einige Einbauten (in Britz-Süd
sogar in die Pfeilerhalle!) haben die Empfangsgebäude
jedoch am meisten gelitten
durch den Verlust ihrer großen Fenster. Im
Inneren fällt er heute noch stärker ins Gewicht,
da die einstigen Schalterhallen mittlerweile
ganz leer sind. An der Parchimer
Allee fragt man sich, was die unsinnig wirkenden
Schiebetore sollen – ursprünglich
stellten sie bewegliche Fensterwände
dar,
wie man sie beispielsweise auch in der Akademie
der Künste findet. Die gesamte Außenansicht
der Empfangsgebäude litt unter
dem Verschwinden des Nebeneinanders
großer, rechteckiger Mauer- und Fensterflächen.
Letztere wurden nicht nur unterteilt,
sondern teilweise sogar verblecht: Was vor
siebzig Jahren Glasmangel bewirkte, besorgt
heute Sparwillen und die Kapitulation
vor Vandalismus wie allgemein vor der Verwahrlosung
des öffentlichen Raums.
Für Denkmalschutz zu jung!?
Ob und wie weit die Bahnsteighallen wirklich
von Werner Düttmann gestaltet wurden,
wäre übrigens durchaus noch zu überprüfen:
Bei den drei Britzer Stationen sehen
bzw. sahen sie praktisch genauso aus wie
beim 1961/1962 gebauten U-Bahnhof Alt-
Tempelhof, der noch als Arbeit Bruno Grimmeks
firmiert, oder dem ebenfalls 1966
eröffneten unterirdischen Teil der Station
Möckernbrücke, die als Werk Rümmlers
gilt. Womöglich bedienten sich alle drei
Architekten eines Standardentwurfs ihrer
Senatsbauverwaltung.
Nichtsdestoweniger kann man
am Südende der heutigen U 7 besonders
gut verdeutlichen, was
Denkmalschutz eigentlich soll und
weshalb Umgestaltungen nach der
jeweils gerade aktuellen Architekturmode
von übel sind: Allein durch
die ursprüngliche Auskleidung
versteht auch der Laie, in welchen
Abschnitten diese Strecke errichtet
wurde. Motto: Was sich sehr ähnlich
sieht, wurde auch zur gleichen
Zeit gebaut – also Rathaus Neukölln
und Karl-Marx-Straße, Neukölln und
Grenzallee, Blaschkoallee bis Britz-Süd,
Johannisthaler Chaussee bis
Zwickauer Damm, Rudow.
Doch unter Schutz stehen die
Britzer Stationen nicht. Denn auch
mit nunmehr 50 Jahren sind sie dafür
zu jung. Zumindest waren sie es
nach Meinung von BVG und Landesdenkmalamt,
als beide 2001 ihre
Vereinbarung über den Umgang mit
historischen Stationen schlossen. Die
damals erstellte Liste mag man bis
heute nicht durchgreifend korrigieren
oder ergänzen. Auch nicht um
U-Bahnhöfe von Werner Düttmann. Jan Gympel
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