Am 19. November 2013 hat das Europäische
Parlament dem zuvor mit dem Verkehrsminister-Rat ausgehandelten Kompromiss über
die Einrichtung der „Connecting Europe Facility“
zugestimmt. Diese Haushaltslinie wird
die Mittel für die Schaff ung der Transeuropäischen
Netze (TEN) in der kommenden Haushaltsperiode
(2014 bis 2020) nach einheitlichen
Kriterien und Regeln verwalten. Zudem
werden sogenannte Kernnetz-Korridore definiert, die prioritäre Projekte auflisten.
Was als Fortschritt verkauft wird, ist in
Wahrheit die Zementierung einer überholten,
weil größenwahnsinnigen Vision von europäischer
Verkehrspolitik. Die Fixierung auf
extrem teure und langwierige Großprojekte
nutzt nur den Bauunternehmen und den
Banken, nicht jedoch dem versprochenen
Zusammenwachsen Europas.
Die von den Mitgliedstaaten bereits von
32 auf 23 Milliarden Euro gekürzten Mittel
können nur bei verantwortungsvoller Verwendung
überhaupt Effekte zeigen. Denn
ob die Tunnelröhren am Brenner,
zwischen
Lyon und Turin oder am Fehmarnbelt in 30,
40 oder 50 Jahren eventuell fertig gestellt
sein werden, spielt für das dringend benötigte
Umsteuern auf Nachhaltigkeit keine Rolle.
Steuerzahler, Fahrgäste und Klimaschutz
schauen buchstäblich in die Röhre – und die
kostet in diesem Fall Milliarden!
Dabei schrecken die Verkehrsminister nicht
einmal davor zurück, illegale Projekte auf die
Förderlisten zu setzen. So findet sich beispielsweise
das bereits zwei Mal von tschechischen
Gerichten wegen Korruption gestoppte Autobahnprojekt
R52 zwischen Brno (Brünn) und
der österreichischen Grenze wieder! Und das,
obwohl nur 5000 Fahrzeuge pro Tag gezählt
wurden, parallel bereits eine Autobahn existiert
und Österreich den Weiterbau jenseits
der Grenze offi ziell gestoppt hat.
Lediglich im Detail konnten dem Rat und
der Kommission einige wertvolle Zugeständnisse
abgerungen werden. So kann die
Umrüstung von lauten Güterwaggons mit
Flüsterbremsen mit bis zu 20 Prozent von der
EU kofi nanziert werden. Außerdem muss die
Kommission jährlich über geplante Mittelvergaben
informieren – und diese dürfen nur im
Einklang mit einem detaillierten Katalog von
Kriterien vergeben werden. Darunter sind
insbesondere die Umweltfolgenabschätzung
und der europäische Mehrwert.
Die einzige Hoff nung ist nun, dass die Kommission
ihre Verantwortung ernst nimmt und
die Projektzuschüsse konsequent auf die Wiederherstellung
von durch Krieg und Nachkriegszeit
zerstörten grenzüberschreitenden
Bahnverbindungen konzentriert. Nur dann
wird am Ende Europa wirklich verbunden –
wie der Titel der Haushaltslinie verspricht.
Wie mühsam es bisher vorangeht, zeigt der
für nächstes Jahr vorgesehene Lückenschluss
zwischen dem deutschen Sebnitz und dem
tschechischen Dolní Poustevna. Die 1945 entstandene
Lücke ist nur 660 Meter (!) lang – und
trotzdem wird sie erst 25 Jahre nach dem Fall
des Eisernen Vorhangs wieder geschlossen.
Man kann nur hoff en, dass für die Lückenschlüsse
zwischen Freyung und Nové Údolí
(20 km), Selb und Aš (10 km), Holzhau und
Moldava (9 km) sowie Altenberg und Dubí
(7 km) nicht noch weitere 25 Jahre benötigt
werden. Nicht nur in Deutschland, auch in
Europa muss zusammenwachsen, was zusammengehört! Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
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