Planung

1997 mit Zwei-System-S-Bahn von Berlin nach Nauen?

Gleich nach dem Sturz der Mauer begann PRO BAHN Havelland, sich für die Wiederaufnahme des bis 1961 bestehenden S-Bahn-Verkehrs zu engagieren. Ein erster Erfolg der Arbeit: Ab 1997 soll eine S-Bahn von Berlin bis nach Nauen verkehren. Noch nicht endgültig geklärt wurde, ob in Spandau die Fahrgäste aus dem bzw. in das Havelland vorübergehend am selben Bahnsteig umsteigen müssen. Das Datum 1997 hatte Bundesverkehrsminister Dr. Matthias Wissmann kürzlich in einem Schreiben an Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe mitgeteilt. Zum Einsatz sollen voraussichtlich, wie vom Regionalverband gefordert, sogenannte Zwei- System-Fahrzeuge gelangen. Diese können auf herkömmlichen S-Bahn-Gleisen ebenso wie auf mit einer Oberleitung ausgerüsteten Fernbahngleisen fahren.

Mit seitlicher Stromschiene ausgerüstete S-Bahn-Gleise sollen nach Auskunft der Deutschen Bahn AG ab 1997 von Berlin bis Spandau zur Verfügung stehen, vorausgesetzt, daß die Bereitstellung der Mittel von Bund und Senat gewährleistet wird. Mit den von PRO BAHN Havelland angeregten Zwei-System-Zügen kann die S-Bahn dann aber über das ehemalige S-Bahn-Netz hinaus bis nach Nauen, dem gegenwärtigem Endbahnhof des Berliner S-Bahn-Tarifs, fahren.

Dieser Durchbruch in der seit langem umstrittenen Frage gelang im Zuge von Verhandlungen zur Umwandlung der beiden Deutschen Bahnen in eine Aktiengesellschaft und der damit einhergehenden Übertragung der Verantwortung für den Nahverkehr vom Bund auf die Länder ab 1996. Dabei wurde vereinbart, ausstehende S-Bahn-Lückenschlüsse im Raum Berlin bis 1997 zu schließen.

Mit zu diesem Erfolg trug eine vom Nauener Landtagsabgeordneten Dr. Günter Neumeister angeregte Sitzung im Nauener Kreisamt bei, an der auch der bei der brandenburgischen Landesentwicklunggesellschaft (LEG) für Regionalbahn-Planungen verantwortliche Hans Leister teilnahm. Bei dieser Zusammenkunft konnten die Weichen "pro S-Bahn" gestellt werden. So gelang es PRO BAHN, die LEG von der Notwendigkeit eines S-Bahn-Angebotes bis Nauen zu überzeugen. Bis dahin zeigte sich der LEG-Mitarbeiter Hans Leister gegenüber einem S-Bahn-Verkehr über Spandau hinaus, auch auf einer Landtagsanhörung zu diesem Thema, reserviert. Erst der Vorschlag zum Einsatz von Zwei-System-Zügen eröffnete den Weg zum Kompromiß. Vom in Nauen erzielten Ergebnis war der Bundesverkehrsminister so überzeugt, daß die S-Bahn-Verbindung ins Havelland unter Einsatz von Zwei-System-Zügen "grünes Licht" bekam. Nur die DB hat daran offensichtlich kein Interesse. Sie plant derzeit einen S-Bahn-Anschlußverkehr zwischen Spandau und Nauen per "Stadt-Express" im 20-Minuten-Takt. In diesem Falle müßte immer in Spandau umgestiegen werden. Der Zugverkehr zwischen Spandau und Falkensee mit Dieselzügen "werde aber mit der Fertigstellung der Eisenbahntrasse nach Hamburg und Schwerin zeitgleich aufgenommen werden", so die DB.

Infoox
Ein unverhofftes Weihnachtsgeschenk aus Bonn verkündeten die Zeitungen am 19.12.93, hier der Ausschnitt aus der BZ. "Vorsicht vor Fehlinterpretationen", warnten Mitarbeiter der DR. Zwar würden die Lücken geschlossen, aber nicht durch S-Bahn-Verkehr, sondern durch Regionalverkehr im Stundentakt. Kein Durchbruch "pro S-Bahn", sondern nur ein Mißverständnis?

Für PRO BAHN Havelland ist trotzdem ein Durchbruch als Ergebnis der jahrelangen Arbeit erreicht. Am Anfang fühlte sich der Regionalverband von der Verwaltung und den Parteien nicht ernst genommen. In Spandau wurde sogar ein Bürgerbegehren ohne Rücksichtnahme auf die Bedenken von PRO BAHN durchgezogen. Anstatt im Text der Unterschriftenlisten die Betriebsaufnahme für 1995 zu fordern, beharrten die Initiatoren des Spandauer Begehrens auf einem Inbetriebnahme-Termin für 1997. Daher hatte PRO BAHN Havelland das Spandauer Begehren nicht mittragen können.

Im Kreis Nauen hat sich dann aber gezeigt, daß ein Erfolg möglich ist, wenn nur alle an einem Strang ziehen, wie bei der Volksinitiative Havelland geschehen, an der neben PRO BAHN auch Parteien, Bürger- und Bauernverbände und Verwaltungen beteiligt waren. Die bei der Volksinitiative gesammelten 12.000 Unterschriften im Frühsommer 1993 führten zum o.g. Ergebnis. Jetzt wird sich PRO BAHN Havelland verstärkt um die Aufnahme des S-Bahn-Zwei-System- Verkehrs auf der Strecke von Spandau nach Wustermark bemühen, wo nach den derzeitigen offiziellen Planungen nur ein Regionalverkehr vorgesehen ist.

PRO BAHN
Regionalverband Havelland

aus SIGNAL 1/1994 (Januar 1994), Seite 10

 

Die Jahrgänge



Die SIGNAL-Jahrgänge in der Übersicht:

» 2023
» 2022
» 2021
» 2020
» 2019
» 2018
» 2017
» 2016
» 2015
» 2014
» 2013
» 2012
» 2011
» 2010
» 2009
» 2008
» 2007
» 2006
» 2005
» 2004
» 2003
» 2002
» 2001
» 2000
» 1999
» 1998
» 1997
» 1996
» 1995
» 1994
» 1993
» 1992
» 1991
» 1990
» 1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
» 1981
» 1980
ANZEIGE

aktuelles Heft

TitelbildSeptember 2023

komplettes Heft »

Die Themen der aktuellen Ausgabe 03/2023:

» Straßenbahneröffnung zum U-Bf. Turmstraße
» M4: Zwei Jahre „Bau”-Fahrplan
» Perlen vor die Schnüre: Gute Linienperlschnüre leicht verständlich gestalten
» Zugausfall bei einem Rail&Fly-Ticket
» Deutschlandticket – das Sommermärchen muss fortgeführt und weiterentwickelt werden
» Drei Thesen zum Deutschlandticket



neu hier?
Links lesen Sie einen Artikel aus dem Internetarchiv der Fachzeitschrift Signal, die sich mit Verkehrspolitik für Berlin und Deutschland auseinandersetzt.

Auf signalarchiv.de finden Sie zusätzlich zu ausgewählten Artikeln aus dem aktuellen Heft auch viele ältere Artikel dieser Zeitschrift.





Kontakt - Abo - Werbung - Datenschutz - Impressum
Herausgeber: Interessengemeinschaft Eisenbahn, Nahverkehr und Fahrgastbelange Berlin e.V.
  © GVE-Verlag / signalarchiv.de / holger mertens 2008-2013 - alle Rechte vorbehalten