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Bei der Reaktivierung von S-Bahn-Linien entfällt
oft fast die Hälfte der Investitionen auf die Anlagen für den
elektrischen Betrieb. Herr Thomas verdeutlichte das an einem
Beispiel: Auf dem 4,4 Kilometer langen Abschnitt der S2 von der
Berliner Stadtgrenze bis Blankenfelde wurden allein für die
Bahnstromversorgung ca. 21 Mio DM ausgegeben, davon 17 Mio DM für
Gleichrichter-Unterwerke und 4 Mio DM für die Stromschiene.
Mithin erreichten die Elektrifizierungskosten nahezu den für
Strecke und Bahnhöfe erforderlichen Aufwand von 21,7 Mio DM
(Anm. d. Red.: Unberücksichtigt sind hierbei Zugangsbereiche,
Informationssysteme, Fahrscheinautomaten etc.). Doch unabhängig
von den Investitionskosten gibt es bekanntlich einen Grundsatzstreit,
ob die Strecken ins Berliner Umland erneut mit Gleichstromschine oder
nicht besser mit Wechselstrom-Fahrdraht auszurüsten sind.
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Der Referent zur Duo-S-Bahn, Dipl.-Ing. Falk Thomas, rechts der Moderator, Ralf Niklaß vom Veranstalter PRO BAHN. Foto: Georg Radke |
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Als Interimslösung bietet sich da die "Duo-S-Bahn" an - geeignet für
Strecken mit und ohne Stromschiene. Um die Entwicklungskosten
gering zu halten, haben die AEG-Konstrukteure auf einen völlig neuen
Grundtyp verzichtet und sich stattdessen zur Modifikation vorhandener
Züge entschlossen. Das sei, so Falk Thomas, die technisch wie
kommerziell vorteilhafteste Lösung. Bei einer künftigen Serienfertigung
(optionell auch als komplette Neubauten), wäre der Mehrpreis für den
Dieselantrieb auf ca. 10 Prozent des Preises für herkömmliche Fahrzeuge
der BR 485/885 zu begrenzen, wobei das letzten Endes von der
Stückzahl abhängt. Der zusätzliche Unterhaltungsaufwand bliebe
bescheiden, da die Duo-Version den übrigen Serienfahrzeugen weitgehend
entspricht. Auch ist sie mit diesen kuppelbarbar. Bis zum Endpunkt
eines elektrifizierten Abschnitts könnte also ein Vollzug fahren,
von dort ab dann nur der dieselgetriebene Halbzugteil. Mit Klapptritten
sind die Wagen für unterschiedlich hohe Bahnsteige geeignet. Die
beiden Musterzüge werden für Kantenhöhen von 760 Millimetern
ausgestattet sein, prinzipiell ist aber eine Anpassung sogar an
550 Millimeter möglich.
Herr Thomas nannte von der AEG ins Auge gefaßte Strecken für
den Einsatz der Duo-S-Bahn:
- Nord-Süd-S-Bahn - Tegel - Hennigsdorf - Velten,
- Berlin Hbf - Springpfuhl - Außenring - Karower Kreuz - Oranienburg,
- Südring - Westkreuz - Spandau - Nauen,
- Stadtbahn - Spandau - Falkensee,
- Spandau - Johannesstift - Hennigsdorf(wiederaufgebaute OHE-Strecke),
- Stadtbahn - Strausberg - Strausberg Nord (falls ab Strausberg
die Stromschiene abgebaut wird).
Denkbar sind außerdem Durchläufe von S-Bahn- Zügen in wichtige
Ausflugsgebiete, etwa über Karow hinaus nach Liebenwalde und
Groß Schönebeck an der Heidekrautbahn. Nach eingehender Erprobung
auf der AEG-eigenen Prüfstrecke Hennigsdorf - Velten sollen die
"Musterviertel" 485/885 114 D und 115 D noch im Frühjahr zwischen
Hennigsdorf und Oranienburg, später eventuell auch zwischen
Hennigsdorf und Gesundbrunnen im Fahrgastbetrieb getestet werden.
Einige Angaben zur technischen Ausstattung: Jeder Beiwagen des
Typs "885 D" verfügt über einen mittig liegenden, 304 kW-Unterflur-Dieselmotor
mit angeflanschtem Drehstromgenerator. Das Auspuffrohr wird durch
den Fahrgastraum geführt. Deshalb und wegen der Fußbodenklappe für
die Zugänglichkeit der neuen Aggregate sind die Längssitzbänke in
die Wagenmitte verlegt worden. Am dem Triebwagen zugewandten Ende
befindet sich ein Geräteschrank, so daß es insgesamt pro Beiwagen sieben
Sitzplätze weniger als vorher gibt. Die 660 Liter fassenden Treibstofftanks
erlauben auf Strecken ohne Stromschiene einen Aktionsradius von ca. 500
Kilometern. (Anm. d. Red.: Das reicht spielend für einen ganztägigen
Einsatz etwa auf der Linie Hennigsdorf - Blankenfelde, da hier pro
Umlauf jeweils bis/ab Tegel nur 17 km mit Diesel zu bewältigen wären).
Mit Dieselkraft beträgt die
Durchschnittsgeschwindigkeit bei 1500 Metern Stationsabstand und
je 20 Sekunden Haltezeit ca. 35 km/h gegenüber ca. 42 km/h im
elektrischem Betrieb. Das Mehrgewicht von fünf Tonnen pro Viertelzug
mindert die Fahrdaten im E-Betrieb nur unwesentlich. Der Wechsel
zwischen beiden Betriebsarten erfolgt per Systemschalter vom
Führerstand aus. Zusätzlich erforderlich sind dort nur wenige
Bedienelemente und Anzeigen, z.B. der zentrale Ein- und Ausschalter
für bis zu vier Dieselmotoren im Zugverband. Somit könnten problemlos
auch "Diesel-Vollzüge" gebildet werden.
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Ausgewählte Vergleichsdaten (reine Gleichstrom- und Duo-Viertelzüge). |
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Im übrigen arbeiten die AEG-Ingenieure auch an Studien für eine
Duo-S-Bahn wahlweise mit 750 Volt-Gleichstrom- und 15 kV/16 2/3
Hz-Wechselstrombetrieb. Zwar könnten - ausgehend von der BR 485/885
als Basis - auch dabei viele Zusatzeinrichtungen in den Beiwagen
untergebracht werden, doch müßten alleine wegen des versenkbaren
Stromabnehmers (Profilbegrenzung im Nord-Süd-Tunnel!) 14 Sitzplätze
entfallen. Herrn Thomas zufolge würde das Fahrzeug-Mehrgewicht
jenes der Gleichstrom-Diesel-Version auf jeden Fall übersteigen,
u.a. wegen des erforderlichen Gleichrichters.
In der an den Vortrag anschließenden Diskusion gaben einige Besucher
Hinweise, die unverändert aktuell sind: Verantwortliche
Reichsbahnexperten - jetzt bei der DB AG - stehen "Zwittern" aller
Art ablehnend gegenüber. Sie favorisieren eine klare Trennung zwischen
den mit Wechselstrom elektrifizierten Regionalbahnen und dem S-Bahn-Netz.
Bahnintern umstritten ist jedoch, ob letzteres weiter ausgedehnt werden
soll oder ob es - abgesehen vom Ring und der Strecke nach Spandau - als
im wesentlichen vollständig anzusehen ist. Für Fahrgäste aus Falkensee,
Velten, Rangsdorf, Teltow und anderen Umlandgemeinden wären dann viele
Innenstadtziele auch in Zukunft nur mit Umsteigen erreichbar. Ob sich
stattdessen direkt verkehrende Duo-S-Bahnen, gleich welcher Variante,
durchsetzen, bleibt skeptisch abzuwarten. Die Bahn AG wird über die
Serienbestellung der BR 485/885 D erst nach ausgiebiger Betriebserprobung
entscheiden. IGEB
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