|
|
Vor allem die modifizierte Linienführung des 221 ers sorgt für eine verbesserte Binnenerschließung des Märkischen Viertels. Foto: I. Schmidt |
|
Zum sogenannten kleinen Fahrplanwechsel am Beginn des Winterhalbjahres
gab es dieses Mal Fahrplanänderungen auf ca. 150 (!!) S-Bahn-, U-Bahn-,
Tram-, Bus- und Nachtlinien. Selbst dieser fast komplette Fahrplanwechsel
war für die VBB wieder kein Anlaß, ein neues Kursbuch herauszugeben! Zwar
gab es einen kostenlosen Nachtrag zum Kursbuch, aber nun müssen die Fahrgäste
wieder zwischen dem alten Kursbuch und der beinahe 200 Seiten starken
"Ergänzung zum Fahrplan 1994/95" hin- und herblättern, um die richtigen
Abfahrzeiten zu finden. Aber selbst dann haben sie möglicherweise noch
nicht den richtigen Fahrplan vor sich, denn seit dem 1. November gelten
auf mehreren Buslinien schon
wieder neue Fahrpläne - ohne Information der Öffentlichkeit.
Weiter reduziertes BVG-Angebot
Die einzige größere Verbesserung im BVG-Angebot, die U8-Verlängerung, mußten
die Berliner Fahrgäste teuer bezahlen: Zum 12. Mal in Folge seit Antritt des
schwarz-roten Senats ist das Fahrplanangebot der BVG dünner geworden. Damit
die BVG die vom Abgeordnetenhaus verordneten dramatischen Streichungen
wenigstens teilweise auffangen kann, mußte sie wieder tief in die Kiste der
Fahrgastschikanen greifen:
- Taktausdünnungen gab es auf über 20 Buslinien. Z.T. sind sie, wie z.B.
auf der Buslinie 18o, noch nicht einmal im Ergänzungsfahrplan vermerkt.
- Bei der U-Bahn wurden - ausgerechnet im Berufsverkehr - auf den Linien U2
und U7 die Takte von 3 auf 3,5 Minuten gestreckt.
- Zu bestimmten Zeiten auf verkürzten Strecken fahren mehrere Buslinien,
wie z.B. die Vorzeigelinie 100.
- Zu bestimmten Zeiten eingestellt wurden 5 Buslinien, fast alle im
Ostteil Berlins.
- Dauerhaft und ersatzlos eingestellt wurden die Buslinie 482 und
der westliche Abschnitt des 142ers.
Wie sehr sich jede einzelne dieser Maßnahmen auf die Attraktivität und die
Nutzung des ÖPNV auswirkt, braucht hier nicht vertieft zu werden. Den Berliner
Politikern, die für diese Maßnahmen die Verantwortung tragen und gleichzeitig
immer neue und immer fragwürdigere Milliarden-Projekte (vom Straßenneubau
über die U5-Verlängerung bis zum Transrapid) anschieb sind diese Auswirkungen
anscheinend nicht einmal ansatzweise klar.
Die Politiker und die Schmierereien
Anläßlich der U8-Eröffnung konnten alle Politiker vor laufenden Kameras
wieder ihr Engagement und ihre Sachkenntnis zum ÖPNV bekunden. Demnach
haben die Berliner Fahrgäste offenbar nur ein Problem, und das heißt
Graffiti. Natürlich sind diese Schmierereien ein Ärgernis, aber weitaus
gravierender sind die Fahrgäste durch ausgedünnte Takte, verpaßte Anschlüsse
usw. angeschmiert!
Wahlmöglichkeit: U8 oder X21?
|
Foto: I. Schmidt |
|
Ein echter Renner: Die neue ExpressBus-Linie X21 von Rosenthal Kirche durch das Märkische Viertel bis zur Deutschlandhalle - aber leider mit 10-jähriger Verspätung. Ärgerlich und unverständlich ist auch, daß die Linie nur bis 20 Uhr verkehrt. Dies ist sicher kein Anreiz für Autofahrer, zum Besuch von Abendveranstaltungen in der Deutschland- oder Eissporthalle auf die BVG umzusteigen. Foto: I. Schmidt |
|
Zur U-Bahn-Verlängerung wurden von der BVG endlich auch Peinlichkeiten
wie die alte Linienführung des 124ers beseitigt, der selbst nach
tariflicher Integration der S-Bahn fast ein Jahrzehnt (!) konsequent am
S-Bf Wittenau vorbeigeführt wurde.
Wichtigste Neuerung im Norden ist die Einführung der Express-Buslinie X21
von Rosenthal, Kirche zur Deutschlandhalle. Hätte man diese Express-Buslinie
10 Jahre früher eingefuhrt, wäre der Beweis erbracht worden, daß man die
knapp 600 Mio DM zur Verlängerung der U8 für andere ÖPNV-Projekte sinnvoller
hätte ausgegeben können: Denn für viele Fahrgäste aus dem Märkischen
Viertel mit Zielen in der West-Berliner Innenstadt ist der X21 jetzt die
schnellste Verbindung!
Aber damit die BVG-Fahrgastzahlen auf der neuen Schnellbus-Verbindung nicht
zu groß werden, wurden vom Verkehrssenator rechtzeitig entlang der
Fahrstrecke etliche Busspuren abgeschafft, und aufgrund der Senatssparvorgaben
wird der Abschnitt südlich des Jakob-Kaiser-Platzes nur im 20-Minuten-Takt
bedient. Abends verkehrt die Express-Buslinie gar nicht, und dies ist
besonders ärgerlich. Während im Nordabschnitt durch die Linie 121 wenigstens
ein Alternativangebot besteht, bleiben die Vorteile der neuen
Tangentialverbindung zur Deutschlandhalle begrenzt: Nord-Berliner
Besucher von Veranstaltungen in der Deutschlandhalle, auf dem Messegelände
oder im ICC und auch am Busbahnhof ankommende Reisende müssen dann auf dem
Rückweg umsteigeträchtige Umwege mit Reisezeitverlängerungen bis zu einer
halben Stunde in Kauf nehmen, weil der letzte X21 längst abgefahren ist.
Besseres Netz, aber schlechteres Angebot
Auf die zahlreichen anderen Linienänderungen kann hier nicht einzeln
eingegangen werden. Eine Reihe von längst fälligen Verbesserungen sind
jedenfalls realisiert worden, z.B. die bessere Anbindung des
Humboldt-Krankenhauses, die bessere Anbindung und vor allem bessere
Binnenerschließung des Märkischen Viertels oder die durchdachte Heranführung
des 122ers an den Umsteigeknoten Kurt-Schumacher-Platz. Von "Kleinigkeiten"
abgesehen, die zumeist durch den vom Senat auferlegten radikalen "Sparzwang"
bedingt sind, könnte die Neuordnung des Busliniennetzes als deutliche
Verbesserung bewertet erden - aufgrund der umfangreichen Taktausdünnungen
auf vielen Streckenabschnitten hat sich für viele Fahrgäste das
BVG-Verkehrsangebot insgesamt jedoch verschlechtert.
Hausgemachte BVG-Probleme
|
Exklusiv für Flugreisende. Der Berliner Fahrgastverband IGEB fordert, daß die ExpressBus einerseits wegen ihrer unzureichenden Auslastung, andererseits wegen Überlastung des 145ers, einen zusätzlichen Halt am U-Bf Richard-Wagner-Platz erhalten. Foto: I. Schmidt |
|
Die Verschlechterung im Ganzen hängt auch mit einem hausgemachten BVG-Problem
zusammen: der völlig fehlenden Anschlußsicherung, selbst an
Hauptumsteigepunkten! Obwohl inzwischen auch während der Normalverkehrszeiten
praktisch alle Nord-Berliner Buslinien nur noch im 20-Minuten-Takt verkehren
und fahrplanmäßig z.B. am U-Bf Tegel Umsteigeanschlüsse zwischen fast allen
hier verkehrenden Buslinien vorgesehen sind, ist das Umsteigen dennoch ein
reines Glückspiel. Hier und an vielen anderen Punkten der Stadt muß dringend
Abhilfe geschaffen werden. Daß das möglich ist, zeigt die BVG selbst, wenn
in den Abendstunden bei funkgesicherten Anschlüssen in der Regel ein direktes
Umsteigen garantiert ist.
Auf mehreren Buslinien setzt die BVG seit dem Fahrplanwechsel im Abendverkehr
Kleinbusse von privaten Unternehmern ein. Dies erfolgte jedoch ohne vorherige
Information der Fahrgäste und ohne eine auf den meisten Linien dadurch erst
recht mögliche deutliche Verkürzung der Fahrzeiten.
|
Foto: I. Schmidt |
|
Kleinbusse im Abendverkehr auf der Treptower BVG-Linie 160. Seit September werden abends auf mehreren BVG-Linien solche und andere Kleinbusse privater Unternehmen eingesetzt. Nicht nur wegen der plötzlichen Typenvielfalt, die z.T. auf einer Linie zu finden ist, sondern auch wegen der häufig unzureichenden Beschilderung wäre eine Information der Fahrgäste notwendig gewesen. Foto: I. Schmidt |
|
Eine Buslinie kam trotz aller Sparvorgaben ungeschoren davon, obwohl sie
mit ihrem 10-Minuten-Takt (!) nur eine geringe Auslastung hat: Der
Flughafen-Express X9. Auch ein dreiviertel Jahr nach seiner Einführung fahren
die meisten Busse noch immer halb leer durch die Stadt, obwohl
inzwischen am U-Bf Ernst-Reuter-Platz eine zusätzliche Haltestelle
eingerichtet wurde. Für die Menschentrauben, die sich an den Haltestellen
der bis zur Schmerzgrenze ausgedünnten Buslinie 145 sammeln, sind die
vorbeifahrenden X9-Busse mit den vielen leeren Plätzen die reinste
Provokation. Wenn eine solche Flughafen-Express-Buslinie überhaupt eine
Existenzberechtigung hat, dann nur, wenn sie auch noch andere Aufgaben neben
dem Flughafen-Zubringerdienst abdecken kann. Der Berliner Fahrgastverband
IGEB fordert daher die Einrichtung einer zusätzlichen Haltestelle am U-Bf
Richard-Wagner-Platz.
Nachts schneller
Gravierende Änderungen gab es im Nachtlinienfahrplan, da hier endlich eine
deutliche Straffung der Fahrzeiten erfolgte. Dabei kam es bei einzelnen
Linien zu einer Verkürzung der Fahrzeiten um bis zu einer Viertelstunde (!),
was z.T. eine Reduzierung der eingesetzten Fahrzeuge ermöglichte. Durch diese
Beschleunigung ergab sich ein teilweise völlig verändertes Anschlußsystem.
Zwar entfielen im Einzelfall bisher bestehende Direktanschlüsse, aber
unter dem Strich konnte das Anschlußsystem deutlich verbessert werden.
Fahrgastfreundliches Sparen
Die Straffung der Fahrzeiten im Nachtliniennetz sollte Schule machen, denn
neben den positiven Auswirkungen für die Fahrgäste durch Reduzierung der
Reisezeiten und Wegfall des schon legendären Schleichens der Berliner Busse
in den Schwachverkehrzeiten sind Einsparungen durch einen geringeren Wagen-
und Personaleinsatz möglich. Eine konsequente Reduzierung der Fahrzeiten auf
der Mehrzahl der Bus- und Tramlinien im Spätverkehr ist längst überfällig,
und deshalb sollte dieses heiße Eisen endlich angepackt werden. IGEB
|