Die Berliner S-Bahn leidet unter massivem
Fahrzeugmangel. Die Baureihen 480 und 485
sollen Ende 2017 ausgemustert und durch
Neufahrzeuge ersetzt werden, unabhängig
davon, wer den Betrieb künftig durchführen
wird. Dazu bereitet die Berliner Senatsverwaltung
als Besteller eine Ausschreibung vor. Details
sind noch nicht bekannt. Dennoch macht
sich die DB AG schon im Vorfeld Gedanken
über eine neue Fahrzeugbaureihe und erarbeitet
dafür ein betrieblich-kommerzielles
Lastenheft. Mit diesem (internen) Vorlauf
hofft die DB AG auf bessere Chancen, im Falle
einer Ausschreibung ein attraktives Angebot
abgeben zu können. Die Fahrzeuge würde
die DB zu „angemessenem
Entgelt“ auch an
einen anderen Betreiber
der Fahrzeuge überlassen.
Die Zeitschiene ist
knapp bemessen, da die
Länder Berlin und Brandenburg
das Thema seit
mehreren Jahren durch
Inaktivität verschleppt
haben. Jetzt ist der letzte
Zeitpunkt, um die
Fahrzeuge bis zum 14. Dezember 2017 in Betrieb
nehmen zu können.
Freizügig im Netz
Die grundsätzlichen Parameter richten sich
nach der Einsetzbarkeit im bestehenden
Streckennetz. Restriktionen gibt es vor allem
durch den Nordsüd-S-Bahn-Tunnel über
Friedrichstraße.
Als Höchstgeschwindigkeit ist 100 km/h
geplant, Zuglänge maximal 148 Meter. Breite,
Höhe und Fußbodenhöhe der Fahrzeuge entsprechend
den bestehenden Maßen.
Neu ist, dass es durchgängige Halb- und
Viertelzüge geben soll, also zusammenhängende
und im Fahrgastraum duchgängige
4-Wagen-Züge mit vollwertigen Führerständen
an beiden Enden (Halbzug) sowie
zusammenhängende und im Fahrgastraum
duchgängige 2-Wagen-Züge ebenfalls mit
vollwertigen Führerständen an beiden Enden
(Viertelzug). Damit können z. B. aus einem
Halbzug und einem Viertelzug ein Dreiviertelzug
gebildet werden – oder aus zwei Halbzügen
ein Vollzug mit acht Wagen. Die kleinste
einsetzbare Einheit ist dann ein Viertelzug
bzw. ein Halbzug. Eine Durchgängigkeit
zwischen gekuppelten Halb-/Viertelzügen
ist nicht geplant. Die Lieferung bis Ende 2017
soll insgesamt 384 Wagen umfassen.
Ab- und Ankuppeln im Fahrgastbetrieb
soll innerhalb von 30 bzw. 60 Sekunden
möglich sein, um Züge flügeln und kuppeln
zu können.
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Foto: Marc Heller |
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Foto: Marc Heller |
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Die Züge der Baureihen 480 (links) und 485 (Mitte) will die S-Bahn GmbH mit dem Auslaufen des Verkehrsvertrages Ende 2017 außer Betrieb nehmen. Die BR 481 (rechts) soll auch nach 2017 fahren und durch eine Neubaureihe ergänzt werden. Foto: Marc Heller |
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Es sind zwei normale Drehgestelle unter jedem
Wagenkasten vorgesehen, keine Jakobsdrehgestelle.
Alle Achsen sollen angetrieben
sein.
Fahrgastraum und Fahrgastinfos
Mit drei Türen pro Wagenkastenseite sollen
die neuen Züge den bekannten 481ern entsprechen.
Die äußere Farbgebung wird den
„fortgeschriebenen“ Traditionsfarben rot/gelb entsprechen.
Bei den Vorgaben für die Fahrgastraum-
Einrichtung hat sich die S-Bahn vielfach an
den Ausschreibungen des VBB im Regionalverkehr
orientiert. So sind eine Klimaanlage
mit Entfeuchtung und Kühlung um 3 Grad
gegenüber der Außentemperatur sowie eine
Notbelüftung vorgesehen. Damit wird eine
zeitabhängige automatische Türschließung
nach Ende des Fahrgastwechsels nötig (wie
heute schon bei den RE160-Doppelstockwagen).
Ferner wird eine Videoaufzeichnung
über 48 Stunden möglich sein.
Wie heute schon bei der Baureihe 481 soll
es hauptsächlich eine Vis-á-vis Bestuhlung
mit Stoffbezügen geben.
An der Zug-Front, am Schluss und an den
Seiten jedes Wagenkastens sind von außen
lesbare Zugzielanzeiger geplant. Innen gibt
es (nach Vorlage der vergangenen VBB-Ausschreibungen)
mindestes zwei TFT-Bildschirme
mit Angaben von Linie, Endbahnhof und
den nächsten drei Stationen sowie optional
Echtzeitanschlüssen.
IGEB begrüßt Initiative der S-Bahn GmbH
Die IGEB begrüßt die Initiative der S-Bahn
Berlin GmbH und damit der DB AG, sich auf
die Fahrzeugneubeschaffung vorzubereiten.
Die DB geht damit in Vorleistung, aber
zugleich auch ein Risiko ein, denn bisher ist
nicht bekannt, wie sich
die Besteller Berlin und
Brandenburg die Fahrzeuge
vorstellen. Das
federführende Land
Berlin hat die Ausschreibung
verschlafen und
verzögert, hat politisch
taktiert ohne Rücksicht
auf die Fahrgäste.
Natürlich erhofft sich
die DB durch ihre Initiative
eine verbesserte
Ausgangslage bei einer Ausschreibung. Im
Großen und Ganzen hält die IGEB die angedachten
Vorgaben der S-Bahn GmbH für
Neufahrzeuge für sinnvoll, auch wenn in
einigen wichtigen Details noch Diskussionsbedarf
besteht.
Positiv ist die frühzeitige Einbindung der
Fahrgäste in den Prozess. So hatte die S-Bahn
Ende September zu einer Vorstellung des Lastenheftes
die Fahrgastverbände, Behindertenverbände,
den Fahrgastbeirat, die Historische
S-Bahn und weitere Nutzer eingeladen.
Deren weitergehende Ideen und Hinweise
wurden aufgenommen.
Die IGEB hofft, dass nun auch der künftige
Berliner Senat das Thema zügig voranbringt,
denn sechs Jahre sind für die Entwicklung
und vor allem Erprobung eines neuen
S-Bahn-Fahrzeugs bereits sehr knapp. (fm)
Berliner Fahrgastverband IGEB
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