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Mit der Vereinbarung über die Erbringung von SPNV-Leistungen
zwischen dem Land Brandenburg und der Deutschen Bahn AG (DB AG)
für den Zeitraum Mai 1995 bis Mai 1997 ist vorerst abgesteckt,
auf welchen Strecken wieviel Verkehr durchgeführt wird.
Weitgehende Angebotsänderungen sind demnach zum Fahrplanwechsel
Mai 1996 nicht zu erwarten.
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Beeskow ist Knotenpunkt des vom Bahnkundenverband Pro Bahn konzipierten Regionalnetzes Niederlausitz. Hier treffen sich die Bahnstrecken aus Königs Wusterhausen, Fürstenwalde (Spree), Grunow (Niederlausitz) - Frankfurt (Oder)/Cottbus und Lübben. Altes Wagenmaterial sollte allerdings bald aus dem Angebot verschwinden, um nicht die letzten Fahrgäste zu verschrecken. Foto: Stephan Müller |
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Ausgenommen davon sind Betriebseinstellungen auf den elf sogenannten
"Anlage-4-Strecken", wo das Land eine Abbestelloption besitzt oder die
Übertragung der Verantwortung auf die Landkreise
möglich wäre. Letzteres schien von Beginn an ausgeschlossen, da in den
Landkreisen bisher keine ernsthaften Überlegungen bestanden, den SPNV in
eigener Regie zu bestellen - vor allem aufgrund fehlender
Organisationsstrukturen und Angst vor vermuteten ungedeckten Defiziten.
So war es dann auch: "Im übrigen hat keiner der Landkreise... seine
Bereitschaft erklärt, die Aufgabenträgerschaft für die in der
Anlage 4 aufgeführten Strecken... wahrzunehmen", teilte Verkehrsminister
Hartmut Meyer am 29. Februar auf eine mündliche Anfrage der
Landtagsabgeordneten Anita Tack mit.
Zugleich führte Herr Meyer aus, bei welchen der "Anlage-4-Strecken"
das Land Brandenburg von seiner "Option auf Aufgabe des SPNV" Gebrauch
macht, indem es hier für den Fahrplan 1996/97 keinen Personenverkehr
mehr bestellt hat: Lübben - Luckau, Fürstenberg (Havel) - Templin,
Frankfurt (Oder) - Küstrin-Kietz, Grunow - Peitz und Sperenberg - Jüterbog.
Aber: "Eine Nichtbestellung von SPNV-Leistungen bedeutet nicht die
Stillegung der Strecke und deren Abbau. Grundsätzlich ist für die
Stillegung einer Strecke ein Stillegungsverfahren nach § 11 Allgemeines
Eisenbahngesetz (AEG) erforderlich", fügte der Minister an. Das ist
richtig, doch es ändert nichts an der Enttäuschung und Verärgerung in den
betroffenen Gemeinden über den derzeitigen Rückzug des Schienenverkehrs
aus der Fläche.
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Foto: Marc Heller |
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Auch zum Fahrplanwechsel im Sommer 1996 wird im Land Brandenburg wieder auf mehreren Bahnstrecken der Personenverkehr eingestellt. Betroffen sind in diesem Jahr unter anderem die Strecken von Fürstenberg (Havel) über Lychen nach Templin und von Grunow (Niederlausitz) nach Cottbus (bis Peitz). Es werden wohl noch nicht die letzten sein, denn ein Überdenken der falschen Schienenpolitik ist weder bei der Bahn noch der Landesregierung erkennbar. Foto: Marc Heller |
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Ministerialdirigent Ulrich Mehlmann, Abteilungsleiter Verkehrspolitik im
MSWV, machte auf der Fachtagung im Januar deutlich, daß das Land für mehr
Wettbewerb auf der Schiene eintritt: "Wir wollen den Bahnverkehr in
Brandenburg erhalten und ausbauen - allerdings nur mit kostengünstigen
Betreiberkonzepten", so Mehlmann. Da die DB AG bisher alleiniger
SPNV-Betreiber in Brandenburg ist und vom Land nicht verpflichtet wurde,
für sämtliche Leistungen linienbezogene Kosten- und Erlösrechnungen
vorzulegen, fehlt dem Land - und damit dem Steuerzahler - allerdings
jegliche Kostentransparenz, ob die mit der DB AG vereinbarten
Zuschußmittel pro Zugkilometer (1996: 17,17 DM; 1997: 17,37 DM)
gerechtfertigt sind.
Um dies zu gewähren sowie regionalen Bahnbetreibern in Brandenburg eine
reelle Chance zum Markteinstieg zu ermöglichen, fordert der
Bahnkundenverband Pro Bahn Brandenburg vom Land die Durchführung von
Ausschreibungen sämtlicher zum Fahrplanwechsel 1997/98 wirksam werdender
SPNV-Leistungen auf Linien oder Regionalnetzen. Diese von der EU und
dem Bundesgesetzgeber in § 15 AEG ausdrücklich ermöglichten Ausschreibungen
sollten bis zum Ende des zweiten Quartals 1996 - und damit rechtzeitig
vor Aufstellung des SPNV-Landesnahverkehrsplanes - durchgeführt sein, um
den sich weitgehend erst im Aufbau befindlichen regionalen
Wettbewerbern sowie der DB AG die nötige Vorbereitungszeit bis
zum Mai 1997 einzuräumen.
Regionale Bahngesellschaften (NE-Bahnen) sind in ländlichen Räumen,
wie zahlreiche Beispiele aus den alten und mittlerweile auch aus den
neuen Bundesländern beweisen, vielfach besser als die DB AG in der Lage,
attraktive und kundennahe Angebote im Personen- und Güterverkehr zu
machen, und das bei meist deutlich geringerem
Zuschußbedarf. Dies liegt sowohl an einer auf die Region zugeschnittenen
Untemehmensgröße als auch an einer Untemehmensstruktur, die die
Bereiche Personenverkehr, Güterverkehr, Netzbetrieb und Nebenleistungen
vereint. Damit sind im Gegensatz zur DB AG vielfältige Synergieeffekte
nutzbar, um z.B. die SPNV-Kosten zu senken:
- Gemeinsame Fahrwegnutzung (Splittung der Fahrwegkosten),
- Gemeinsamer Betriebsmittelpool, Betriebswerkstätten,
- Einheitliche Unternehmensführung, Verwaltung und Personal
(Senkung des Allgemeinkostenteils).
Voraussetzung ist die unternehmerische Einheit von SPNV,
Güterverkehr und Netzbetrieb.
Der Bahnkundenverband hat in seinem Themenpapier "Regionalnetze
im Land Brandenburg" die Bildung solcher regionalen
Bahngesellschaften vorgeschlagen und dazu betriebswirtschaftliche
Kostenschätzungen vorgenommen.
Dabei erfolgte eine Unterteilung des Gesamtnetzes in ein Grundnetz
(sternförmig auf Berlin zulaufende Hauptstrecken) und in fünf solcher
Regionalnetze (Prignitz, Templiner Kreuz, Niederbarnim, Oderland und
Niederlausitz) zwischen den Hauptachsen. Acht der elf "Anlage-4-Strecken"
sind in diese Regionalnetze eingebunden. Mit dem gezielten Einsatz von
Regionalisierungsmitteln in den Regionalnetzen sind im Verhältnis zu
Streckenlänge und SPNV-Angebot überaus hohe Leistungen möglich. So können
auf den insgesamt 1.100 Streckenkilometer umfassenden Regionalnetzen
(33% des Gesamtnetzes von 3.350 km) 13,7 Mio Zugkilometer (21 % des
SPNV-Zielangebotes von 65,5 Mio) mit dem Einsatz ca. 70 Mio DM
Regionalisierungsmitteln (10%) angeboten werden.
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Foto: Marc Heller |
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Streckengleis zwischen Templin und Hohenlychen. Rechts: Bahnhof Lychen. Mit der Einstellung der RB 64 zum Sommerfahrplan wird eine der für den Ausflugsverkehr reizvollsten Bahnstrecken im Land Brandenburg aufgegeben. Gäbe es auf dieser Strecke umsteigefreie Direktverbindungen von bzw. nach Berlin, wäre ein hohes Fahrgastaufkommen zu erwarten. Foto: Marc Heller |
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Für das Regionalnetz Niederbarnim bestehen heute schon konkrete
Planungen: Wie Dr. Klaus Duscha, Geschäftsführer der Niederbarnimer
Eisenbahn AG (NEB), auf der Fachtagung erläuterte, profitiert der
Personenverkehr zukünftig von einem regen Güterverkehr auf der
Schiene. Zwischen Berlin und der Schorfheide vereinbarte die
regionale Bahngesellschaft für die nächsten vier Jahre eine Verfünffachung
des Gutaufkommens. Durch die gemeinsame Nutzung des Fahrwegs, der
Betriebsmittel und des Personals kann bei Übernahme des SPNV durch
die NEB dessen Kostendeckungsgrad von heute ca. 10 % auf 60 bis 70%
gesteigert werden.
Neben der betriebswirtschaftlichen Komponente spielt vor allem der
volkswirtschaftliche Nutzen bei der Entscheidung über Erhalt und Ausbau
des Schienenverkehres in der Fläche eine wichtige Rolle. Allein die
Sicherung von vielen hundert Arbeitsplätzen in den strukturschwachen
Räumen, die bei der Umsetzung des "Zielnetzes 2000" der DB AG mit
Sicherheit wegfallen würden, und die Anschubinvestitionen rechtfertigen
das besondere Engagement des Landes.
Die Umsetzung der Konzeption "Regionalnetze" bedeutet aus
volkswirtschaftlicher Sicht:
- Erhalt von sicheren Arbeitsplätzen in strukturschwachen Regionen,
- Entstehung neuer Arbeitsplätze im Bahnumfeld,
- Vergabe von Aufträgen an Bahnindustrie und regionale Unternehmen,
-
Optimierung der Kostenstrukturen im gesamten öffentlichen Verkehr
(Einsatz von kreislichen ÖPNV-Mitteln für Buszubringer und nicht für Ersatzverkehre),
- Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene (Öko-Nutzen),
- Stärkung der Infrastruktur für den Personen- und Güterverkehr
in den ländlichen Räumen,
- Erhalt von Kulturgut.
Um die sinnvolle Verwendung von Regionalisierungsmitteln und
investiven Zuschüssen des Landes nachzuweisen, wird eine solche
volkswirtschaftliche Nutzenrechnung z.Zt. durch den Bahnkundenverband
Pro Bahn Brandenburg e. V. erarbeitet. Gleichzeitig begann Anfang
März das Stellungnahmeverfahren zum Themenpapier "Regionalnetze".
Deutscher Bahnkunden-Verband Pro Bahn Landesverband Brandenburg
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