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Die Straßenbahn gilt allgemein als zuverlässiges, preiswertes und
leistungsfähiges Verkehrsmittel mit hohem Fahrkomfort. Da sie in Berlin
zu rund zwei Dritteln auf eigenem Gleiskörper verkehrt, ist sie weitgehend
stauunabhängig und könnte - bei konsequenter Bevorrechtigung an
Lichtsignalanlagen - durchaus U-Bahn-ähnliche Reisegeschwindigkeiten
erreichen. Doch heutzutage kommt man auf vielen Berliner Strecken
genau so langsam voran, wie in den 60er Jahren, trotz moderner und
sprintfreudiger Züge. Hauptgrund dafür sind fehlende Vorrangschaltungen
in den meisten der inzwischen 190 Lichtsignalanlagen (LSA) an den
Straßenbahntrassen, so daß die Berliner Straßenbahnen ca. 22% der
Gesamtfahrzeit an roten Ampeln warten müssen.
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Die Frau an der Haltestelle Betriebshof Marzahn wird noch über 1 Minute auf ihre im Bildhintergrund bereits zu sehende 18 warten müssen. Von Vorrang ist auch bei dieser Neubau-LSA keine Spur. Foto: I. Schmidt |
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Auto-Straße des 17. Juni. Die Straßenbahn hat die günstigste Energie- und Umweltbilanz aller Motorfahrzeuge. Auch ist sie 50-mal sicherer als der Autoverkehr und kann bis zu 20.000 Personen pro Stunde und Richtung befördern. Auf einer innerstädtischen Autofahrspur können demgegenüber nur 700 Fahrzeuge pro Stunde verkehren. Beim durchschnittlichen Besetzungsgrad von 1,1 ergibt dies nicht einmal 800 Personen. Dennoch bevorzugt der Berliner Senat - trotz gegenteiliger Beteuerungen - nachweislich fast immer den Autoverkehr Foto: Christian Hanke |
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Schikanöse Ampelschaltung in Pankow: An der Berliner/Maximilianstraße müssen die Straßenbahnen (Linien 50,52 und 53) trotz Anmeldekontakt fast immer warten. Hier im Bild wartet ein Zug der Linie 50, vom U-Bf Vinetastraße nähert sich ein Gegenzug. Die Autofahrer haben bereits grün. Foto: Christian Hanke |
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Nach 70 Sekunden (!) darf die 50 passieren, der Gegenzug schafft die Grünphase nicht mehr. Ihm wird „vor der Nase“ das Frei-Zeichen abgeschaltet, obwohl er kurz vorher einen Anmeldekontakt passiert hatte. Foto: Christian Hanke |
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Aber auch unsere 50 (im Hintergrund) muß wieder warten, die Ampel Maximilianstraße ist nicht mit der nächsten Ampel Elsa-Brändström-Straße koordiniert. Für die 50 bedeutet das erneut mindestens 1 Minute Wartezeit, bevor sie in die Haltestelle am U-Bf Vinetastraße einfahren darf. Foto: Christian Hanke |
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Inzwischen nähert sich aus Richtung Pankow eine 52. Nun warten sowohl die 52 und der Gegenzug an der Maximilianstraße, die 50 im Hintergrund steht immer noch vor dem U-Bf Vinetastraße. Zwischen den beiden Haltestellen Masurenstraße und U-Bf Vinetastraße liegen somit 20 Sekunden Fahrzeit und 2 bis 3 Minuten Wartezeit. Foto: Christian Hanke |
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Prenzlauer Alle vor Metzer Straße. Erstaunliche Diskrepanz zwischen Wort und Tat: In seiner jüngsten Regierungserklärung behauptete der wiedergewählte Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen: „Vorrang genießt der öffentliche Schienenverkehr.“ Damit kann er nicht die Straßenbahn gemeint haben, denn an ampelgeregelten Knotenpunkten hat die Tram in der Regel das Nachsehen - siehe oben. Derzeit prüft die BVG, ob sie wegen der überragenden Vorteile den Einbau von Vorrangschaltungen selbst bezahlt, da der Berliner Senat offensichtlich nicht willens ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Foto: I. Schmidt |
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Solche und ähnliche Induktionskontakte in Fahrbahn oder Oberleitung sorgen bei den meisten Neubau-Lichtsignalanlagen dafür, daß sich die Straßenbahn an- und abmelden kann. Trotzdem sind die wenigsten Ampeln auf Vorrang programmiert. Foto: Christian Hanke |
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Klassisches Beispiel für eine Berliner Neubau-Ampel: Greifswalder Straße/Thomas-Mann-Straße. An dieser vor zwei Jahren neu installierten Ampel muß die Straßenbahn trotz Anforderungsschaltung häufig länger als 1 Minute warten. Foto: I. Schmidt |
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Prenzlauer Promenade. Bei den Fahrgästen ist die Straßenbahn besonders beliebt, weil z.B. das bei S- und U-Bahn übliche lästige Treppensteigen entfällt und der Fahrkomfort sehr viel höher ist als beim Omnibus. Daß die Beliebheit in Berlin durch zu lange Fahrzeiten beeinträchtig wird, liegt nicht am Verkehrsmittel Straßenbahn, sondern an der Verkehrspolitik des Berliner Senats, der die Straßenbahn nicht nur nicht bevorzugt, sondern sie auf vielen Straßen und besonders an den Ampeln benachteiligt. Foto: Christian Hanke |
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Straßenbahn-Neubaustrecke im Wedding: Die eingeschränkte Vorrangschaltung sorgt selbst an Kreuzungen mit minimalem Querverkehr regelmäßig für einen Zwangsstop der Straßenbahn. Foto: I. Schmidt |
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Haltestelle mit sogenannter Zeitinsel am S-Bf Oranienburger Straße: Auch hier muß die Straßenbahn immer erst lange warten, bevor sie in den Haltestellenbereich einfahren kann. Foto: I. Schmidt |
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In Stuttgart, wo seit Jahren Vorrangschaltungen für die Straßenbahn
realisiert werden, konnte der Anteil der Wartezeit vor roten Ampeln
inzwischen auf 1 % der Gesamtfahrzeit gesenkt werden. Dort hat sich, wie
auch andernorts, längst die Erkenntnis durchgesetzt, daß
LSA-Vorrangschaltungen für die Straßenbahn keine Reduzierung der
Leistungsfähigkeit des Straßennetzes bedeuten müssen. Im Gegenteil:
Die Grünphase für die Straßenbahn wird nur dann im Ampelumlauf
berücksichtigt, wenn sich auch tatsächlich eine Straßenbahn der Ampel
nähert. In diesem Fall bekommt die Straßenbahn allerdings sofort "Grün".
Während der übrigen Zeit kann die Straßenbahn-Grünphase völlig zugunsten
einer optimierten Leistungsfähigkeit der anderen Verkehrsströme entfallen.
Dieses angesichts der autozentrierten Verkehrsplanung des Berliner Senats
wichtige Argument müßte eigentlich jegliche Hindernisse für die
Bevorrechtigung der Straßenbahn an Ampeln ausräumen. Laut Aussage der
Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe vom 29. März 1994 (Antwort auf
eine Kleine Anfrage) werden beim Neubau von Lichtsignalanlagen seit 1992
generell An- und Abmeldeeinrichtungen für Straßenbahnen installiert.
Abgesehen davon, daß diese Aussage nicht in jedem Falle stimmt, bilden
diese Induktionskontakte in Gleisbett oder Fahrleitung lediglich die
technischen Voraussetzungen für die vom Senat per Wortlaut propagierte
Beschleunigung des ÖPNV. Ausschlaggebend ist jedoch die Software der
Lichtsignalanlage und ihre Programmierung. Mit diesem Beitrag soll
einmal mehr gezeigt werden, daß die "Ampelplaner" der Berliner
Senatsverwaltung die Beschleunigung der Straßenbahn
vernachlässigen bzw. bewußt verhindern.
1. Vorrangschaltungen zu DDR-Zeiten
Zum besseren Verständnis der heutigen Situation erfolgt ein kurzer
Rückblick: Vielfach ist wenig bekannt, daß es schon zu DDR-Zeiten
Bemühungen gab, die Straßenbahn an einigen Knotenpunkten gezielt zu
bevorzugen. Eine noch heute gut funktionierende Vorrangschaltung findet
sich u.a. am S-Bf Marzahn (Märkische Allee). Sie ermöglicht den aus
Richtung Stadt kommenden Zügen das Passieren der vielbefahrenen
Märkischen Allee ohne Zwangshalt. Zur Ansteuerung dienen mechanische
Oberleitungskontakte, ein Vorsignal informiert den Straßenbahnfahrer
zusätzlich über das kommende "Frei-Zeichen". An der Kreuzung
Pappelallee/Stargarder Straße gibt es eine ähnlich organisierte Anlage.
Eine kontaktgesteuerte Verlängerung der Grünphase bzw. die Beschleunigung
des Ampelumlaufs sorgen dafür, daß die Bahn nur die Zeit, die zum
Fahrgastwechsel nötig ist, vor der Ampel warten muß. Neben weiteren
LSA, die der Straßenbahn den absoluten Vorrang gewähren (also
ohne Wartezeit), wurden zu DDR-Zeiten sehr viele Ampeln mit einem
relativen Vorrang für die Straßenbahn versehen. Über Anforderungskontakte
bewirkt die Bahn beispielsweise eine sogenannte Grünzeitmodifikation
(Verlängerung der Grünphase) bzw. eine zusätzliche Freigabezeit im Programm.
Noch heute funktionieren einige der nach diesem Muster gebauten
LSA, so z.B. die Ampeln Indira-Gandhi-Straße/Hansastraße, Warschauer
Straße/Grünberger Straße, Am Tierpark/Sewanstraße und
Treskowallee/Rummelsburger Straße. Auch viele Anlagen in Marzahn entlang
der Trasse der Linie 8 (z.B. Allee der Kosmonauten/Marzahner Chaussee)
funktionieren nach diesem Prinzip. Sie sind zwar nicht optimal, gewähren
der Straßenbahn aber immerhin einen gewissen Vorrang.
Vielfach hat auch der Kontakt zur Weichenstellung in der Oberleitung
Einfluß auf das Ampelprogramm. Bis vor einiger Zeit konnte sich in der
Berliner Allee vor Buschallee die rechtsabbiegende, in der
Indira-Gandhi-Straße vor Berliner Allee die linksabbiegende
Straßenbahn eine zusätzliche Freigabezeit schalten. Inzwischen
wurde auch dieses Relikt aus DDR-Zeiten "wegprogrammiert".
2. Nach der Wende Rückschritte
Nach der politischen Wende kam es zu einem Abbau der Privilegien für
öffentliche Nahverkehrsmittel, vielfach wurden vorhandene Vorrangschaltungen
"wegprogrammiert", abgeklemmt oder sogar komplett abgebaut - so geschehen
an der Stahlheimer Straße/Wichertstraße (Humannplatz, Linie 13), wo 1992
eine perfekt funktionierende Ampel mit Vorrangschaltung gegen eine
Neubauanlage ohne Vorrangschaltung ausgetauscht wurde. In diesem
Zusammenhang ist auch die Verkürzung von Freigabezeiten für die
Straßenbahn zugunsten des Autoverkehrs zu sehen (z.B. Petersburger
Straße/Landsberger Allee, betrifft Linie 20).
3. Straßenbahn ohne eigene Trasse
Gerade in schmaleren Nebenstraßen, wo die Straßenbahn kein eigenes
Gleisbett besitzt, müßte durch intelligent programmierte LSA ein zügiges
Vorankommen zuallererst der Straßenbahn (und damit auch des
Individualverkehrs) gesichert werden. Hier wurde allerdings häufig beim
Neubau von LSA auf oben zitierte An- und Abmeldeeinrichtungen verzichtet.
Vergeblich sucht man diese Induktionskontakte z.B. in der Oranienburger
Straße/Tucholskystraße (S-Bf Oranienburger Straße, s. SIGNAL 4/93 )
oder in der Invalidenstraße/Gartenstraße (S-Bf Nordbahnhof, s.
SIGNAL 9-10/94 ). Auch die erst 1995 errichtete
Anlage in der Eldenaer Straße/Proskauer Straße besitzt keinerlei
Anforderungskontakte zur Straßenbahnbeschleunigung. Bei der vor wenigen
Monaten in Betrieb gegangenen LSA Schamweberstraße/Jessener Straße (17,23)
wurden zwar Induktionskontakte in die Oberleitung eingebaut, doch läßt
die Qualität der Vorrangschaltung zu wünschen übrig. Immer wieder kommt
es zu Zwangshalten der Straßenbahn. Daß es auch anders geht, zeigt die
LSA Wühlischstraße/Holteistraße, die der 23 fast immer das prompte
Abbiegen ermöglicht. Diese Ampel stellt unter den vielen an schmaleren
Straßen errichteten Neubau-LSA eine Ausnahme dar.
Die Schönhauser Allee, um ein anderes Beispiel anzuführen, ist zwar
relativ breit, aber sie besitzt keine vom Straßenverkehr getrennten
Haltestelleninseln. Damit der zügige Verkehrsfluß der Autokolonne
dennoch nicht behindert wird, sorgt ein System von Neubauampeln mit
mehreren Induktionskontakten im Fahrdraht für ein Zurückhalten der
Straßenbahn. Da heißt es Anmelden und Warten, ehe die 50 oder 53 in
die Doppelampel am S- und U-Bf Schönhauser Allee einfahren darf.
Auch am Knotenpunkt Schönhauser Allee/Bornholmer Straße wartet die
Straßenbahn brav, bis alle Autos (einschließlich der auf
dem Gleisbett wartenden Linksabbieger) abgeflossen sind und die
Haltestelle frei ist.
4. Querverkehr vor Straßenbahn
An größeren Kreuzungen mit relativ starkem Querverkehr wurden
Neubau-LSA fast immer auf Vorrang für den Individualverkehr programmiert.
Vor der Frankfurter Allee am U-Bf Rathaus Friedrichshain heißt das
Motto für die Niederflurbahnen der Linie 20 in der Regel Warten, und
das bis zu 1 1/2 Minuten lang. Erst wenn der Querverkehr abgeflossen
ist, gibt es eine kurze "Grün-Insel" für die Straßenbahn, doch wird sie
oft zusätzlich durch "verhakte" Linksabbieger behindert. An der Kreuzung
Danziger Straße/Greifswalder Straße wurde am 15. November vorigen Jahres
eine neue Ampel eingeweiht, am selben Tage las man in der Berliner
Zeitung, daß die Straßenbahn der Linie 20 Vorrang erhält. Das entpuppte
sich allerdings als Zeitungsente, weder die 20 noch die querenden
Linien 2, 3 und 4 erhalten Vorrang. Im Gegenteil, durch erweiterte
Linksabbiegemöglichkeiten wurden die Grün-Phasen für die Straßenbahn
stark gekürzt. Verpaßt die 20 ihr Frei-Zeichen nur um eine Sekunde,
bedeutet das bis zu 85 Sekunden Wartezeit auf die neue Phase.
Die Regel "Querverkehr vor Straßenbahn" wurde übrigens auch bei der
Neubaustrecke im Wedding nicht durchbrochen. Im Selbstdarstellungsheft
der Senatsbauverwaltung ("Berlin baut", Nr. 17: Stadtteilverbindungen -
Streckenverlängerungen der U-Bahnlinie Ul und der Straßenbahn Linie 23)
liest sich das folgendermaßen:
"Ziel ist es, die Straßenbahn bestmöglich zu priorisieren, ohne
gleichzeitig den MIV
wesentlich zu benachteiligen." Weiter steht in der Broschüre: "Aufgrund
des z.T. sehr starken Querverkehrsan den LSA Prinzenallee und
Schwedenstraße sind jedoch geringe Wartezeiten für die Straßenbahn
an den Knotenpunkten nicht auszuschließen." Zwangsläufig lautet
die Fahrplanvorgabe der BVG für den Neubauabschnitt der Linien 23
und 24 immerhin 9 Minuten, möglich wären bei kompromißloser
Bevorrechtigung 6 bis 7 Minuten Fahrzeit.
5. Ignorante Ampelschaltung
Bei einigen der bisher genannten LSA mag die Programmierung auf Vorrang
für die Straßenbahn zugegebenermaßen recht schwierig sein. Da wollen
Querverkehr und Linksabbieger berücksichtigt werden, die Straßenbahn
bringt möglicherweise die grüne Welle für die Autofahrer durcheinander.
Aus Sicht des Autofahrers (und dazu gehören sicherlich auch die
Ampelplaner des Senats) mag es also verständlich erscheinen, daß
die Straßenbahn benachteiligt wird, auch wenn man diese Denkweise
als Fahrgast auf gar keinen Fall billigen kann.
Nun wird aber bei sehr vielen Neubau-LSA auch der verbohrteste Autofahrer
feststellen müssen, daß Vorrang für die Straßenbahn keine Leistungseinbußen
für den Individualverkehr bringt. Bei der Anlage Suermondtstraße/Degnerstraße
(s. SIGNAL 6/95 ) werden die auf der Vorfahrtsstraße
auf eigener Trasse verkehrenden Linien 13 und 18 beispielsweise bis zu
80 Sekunden zurückgehalten, auch wenn weit und breit kein querendes
Fahrzeug auszumachen ist. Wozu dann überhaupt Anforderungskontakte in
einiger Entfernung vor der LSA in das Gleisbett der Straßenbahn eingelassen
wurden, bleibt das Geheimnis der Senatsverkehrsverwaltung.
Ähnlich schikanös programmiert ist die LSA Rhinstraße/Gärtnerstraße
(Linien 18, 26, 28) - von Vorrang für die Straßenbahn keine Spur, trotz
geringen "Behinderungspotentials" der auf der übergeordneten Straße
fahrenden Tram. Diese Ampelschaltungen kann man nur als ignorant
bezeichnen. Ähnlich straßenbahnfeindlich sind die Neubauampeln
Hansastraße/Giersstraße (3, 4), Falkenberger Chaussee/Prendener
Straße (4, 15), Prenzlauer Allee/Stargarder Straße (1),
Möllendorffstraße/Normannenstraße (erst wenige Wochen alt - 17, 23)
und Berliner Straße/Maximilianstraße (50, 52, 53). Die Liste ließe
sich leider noch fortsetzen.
6. Böswillige Behinderung
Von böswilliger Behinderung muß man in den Fällen sprechen, wo vorher
freie Fahrt möglich war und heute eine Neubauampel die Straßenbahn
behindert. Auch dafür gibt es genügend Beispiele: An der Greifswalder
Straße/Thomas-Mann-Straße (2, 3, 4) befand sich bis vor ungefähr 2 1/2
Jahren keine Gleisüberfahrt für den Individualverkehr, die Straßenbahn
hatte immer freie Fahrt. Heute behindert dort eine ignorant geschaltete
Ampel die zügige Weiterfahrt der Bahn
(s. SIGNAL 5/94 ). Einige hundert Meter
weiter stadteinwärts (Greifswalder Straße/Marienburger Straße)
wird z.Zt. erneut eine Überfahrt für den Individualverkehr geöffnet,
wobei sogar ein Stück der vormals separaten Straßenbahntrasse für
linksabbiegende Fahrzeuge hergerichtet wird
(s. SIGNAL 8/95 ). Wie die Ampelschaltung der Neubauanlageaussehen
wird, kann man sich schon heute ausrechnen.
Hier soll nicht prinzipiell gegen die Absicht argumentiert werden,
den Autofahrern durch zusätzliche, ampelgesicherte Gleisüberfahrten
lange Umwege zu ersparen und so eventuell auch Verkehrsberuhigungsmaßnahmen
in Wohngebieten zu ermöglichen. Derartige Maßnahmen dürfen aber
keinesfalls einseitig zulasten des ÖPNV erfolgen.
7. Schlechte Koordination
Vorstehend wurden drei Prinzipien diskutiert, nach denen Straßenbahnen an
LSA behindert werden. Neben Querverkehr vor Straßenbahn, ignoranter
Ampelschaltung und böswilliger Behinderung gibt es auch noch die schlechte
Koordination (oder eine Kombination aller Behinderungsvarianten).
Bekanntlich sind die meisten LSA - nicht nur die Neubauampeln - miteinander
koordiniert, so daß grüne Wellen für den Autofahrer (und theoretisch auch
für die Straßenbahn) geschaltet werden können. Die Straßenbahn hat an
solchen hintereinander liegenden Ampeln häufig das Nachsehen. Die
Haltestellen Betriebshof Marzahn und Landsberger Chaussee/Zossener Straße
(Linien 6 und 18) lägen nur ca. 30 Sekunden Fahrzeit voneinander entfernt,
wenn die zwei Neubauampeln nicht wären. Diese können durchaus 2 1/2 Minuten
Wartezeit erzwingen! Macht also zusammen 3 Minuten "Fahr"zeit. Übrigens gab
es auch hier bis vor wenigen Jahren keine behindernden LSA. An der
Landsberger Chaussee/Zossener Straße konnten die Linien 6 und 10 (heute 18)
per Verkehrszeichen noch 1991 bevorrechtigt vor den Autos abbiegen.
Heutzutage stört die abbiegende Straßenbahn vermeintlich den
(Auto-)Verkehrsfluß und muß somit möglichst lange zurückgehalten werden.
Die am Betriebshof Marzahn lauernde LSA bevorzugt sogar den an dieser
Stelle kaum vorhandenen Querverkehr und plaziert alle Straßenbahnen
(besonders die vom oder zum Betriebshof) "in die Warteschleife".
8. Warum Vorrang für die Straßenbahn Sinn macht
"Die paar Minuten Wartezeit an der Ampel", mag hier der eine oder andere
einwenden, "was macht das schon?". Doch heutzutage warten die Straßenbahnen
schon länger vor roten Ampeln, als an den Haltestellen. Sie verbummeln
durchschnittlich 22% ihrer Fahrzeit durch Ampelstopps. Wenn man
beispielsweise die Gesamtwartezeit der Straßenbahn an roten Ampeln nur
mit 20% ansetzt, sind das bei einer Stunde "Fahr"zeit immerhin schon
12 Minuten Wartezeit! Die Bahn könnte dieselbe Strecke bei konsequenter
Vorrangschaltung also in nur 48 Minuten bewältigen.
Auf vielen Straßenbahnstrecken - so z.B. bei der 20 - ist der Anteil der
Wartezeit allerdings noch höher, erreicht fast ein Drittel der
Gesamtfahrzeit. Daran ändert auch die vor Jahren groß propagierte,
allerdings nur halbherzig durchgeführte "Beschleunigung" der 20 nicht viel.
Die BVG selbst ist übrigens sehr an der Bevorrechtigung der Straßenbahn
interessiert. Durch den dann deutlich geringeren Investitionsaufwand,
insbesondere für den Fahrzeugpark, ließen sich nach Untersuchungen der
BVG bis zu 150 Mio DM (!) einsparen. Hinzu kommen durch geringeren
Personalaufwand jährliche Einsparmöglichkeiten
in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages. Demgegenüber beliefen sich
die Kosten für die Umstellung der 190 an den Straßenbahnstrecken vorhandenen
LSA nur auf ca. 50 Mio DM. Schnellere Umlaufzeiten der Züge führen zur
Einsparung von Fahrzeugen und geringeren Energie- und vor allem
Personalkosten - wohlgemerkt ohne Leistungseinbußen für den Fahrgast. Im
Gegenteil: Durch eine Erhöhung der Reisegeschwindigkeit auf problemlos
erreichbare und in anderen Städten übliche 22 km/h würde es zu einer
Attraktivitätssteigerung des Verkehrsträgers Straßenbahn kommen.
Die Investitionen in die Straßenbahnbeschleunigung würden sich also
binnen kürzester Frist amortisieren.
Fazit
Die Mehrzahl aller bisher errichteten Neubau- LSA an Straßenbahntrassen
nehmen keine Rücksicht auf die Belange der Straßenbahn. Und wenn Vorrang
gewährt wird, dann geschieht dies häufig
nur eingeschränkt. Die alte Denkweise vom "Verkehrshindernis Straßenbahn"
ist in Berlin immer noch tief in den Köpfen der regierenden Politiker,
Verkehrsplaner und Ampelexperten verwurzelt. Während andere Städte ihre
Straßenbahnbetriebe konsequent zu modernen und schnellen Stadtbahnen
umgestalten, wird sich die Berliner Straßenbahn vermutlich noch einige
Zeit von Ampel zu Ampel quälen müssen oder im Stau steckenbleiben. Die
dadurch zusätzlich entstehenden Kosten werden durch höhere Tarife und
Angebotsausdünnungen auf dem Rücken der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel
ausgetragen - und dies, obwohl sich Investitionen in die Beschleunigung
der Straßenbahn binnen kürzester Zeit amortisieren.
Eine moderne - und damit schnelle - Straßenbahn ist also allein
eine Frage des politischen Willens und weder ein technisches
noch ein finanzielles Problem!
IGEB
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