Sachverhalt
Der Beschwerdeführer reiste zusammen mit
seiner Frau von Hannover nach Korbach. Auf
der Teilstrecke von Kassel-Wilhelmshöhe nach
Korbach kam es zu einem Zugausfall. Der Beschwerdeführer
teilt mit, dass die Reisenden
in Kassel-Wilhelmshöhe per Lautsprecherdurchsagen
aufgefordert worden seien, mit
der Tram zum Hauptbahnhof Kassel zu fahren,
um von dort die Weiterreise anzutreten. Als
sie am Hauptbahnhof Kassel ankamen, sei ihnen
mitgeteilt worden, dass Züge in Richtung
Korbach lediglich von Kassel-Wilhelmshöhe
verkehren würden. Daraufhin hätte man sie
auf eine Tram in Richtung Wolfhagen verwiesen,
damit sie ihre Fahrt von dort mit dem Zug
nach Korbach fortsetzen.
Als der Beschwerdeführer zusammen mit
seiner Frau gegen 20 Uhr den Bahnhof Wolfhagen
erreichte, seien der Bahnhof geschlossen
und Informationen vor Ort (aufgrund
fehlender Aushänge und eingeschränkter
Mobilfunknetzverfügbarkeit) nicht erhältlich
gewesen. Daher entschlossen sich die
Reisenden,
ihre Weiterfahrt mit einem Taxi
durchzuführen. Hierfür entstanden Kosten
in Höhe von 49,30 Euro. Die Reisenden trafen
statt wie geplant um 19.55 Uhr schließlich
um 21.40 Uhr in Korbach ein.
Nach der Fahrt stellte der Beschwerdeführer
einen Antrag auf Erstattung der Taxikosten
beim Servicecenter Fahrgastrechte.
Antwort der Beschwerdegegnerin
Das Servicecenter Fahrgastrechte stellte auf
der Fahrt eine Verspätung von 60 Minuten
fest und überwies eine Verspätungsentschädigung
in Höhe von 17,20 Euro. Eine Erstattung
der Taxikosten lehnte das Servicecenter
Fahrgastrechte ab, da an diesem Tag
noch eine andere Verbindung nach Korbach
möglich gewesen wäre.
Der Beschwerdeführer war mit dieser Antwort
nicht einverstanden und wandte sich
an die söp. Er wies insbesondere darauf hin,
dass den Reisenden bereits während der
Fahrt mit der Tram nach Wolfhagen von einem
Mitarbeiter der Straßenbahn mitgeteilt
worden sei, dass von dort kein Zug mehr
fahre. Aufgrund dieser Aussage und der fehlenden
Informationen am Bahnhof sei die
Taxifahrt die einzige Möglichkeit gewesen,
um den Zielort Korbach noch zu erreichen.
Schlichtungsarbeit
Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers
und kam zu dem Ergebnis, dass
ein Anspruch auf Erstattung der Taxikosten
aufgrund einer möglichen Informationspflichtverletzung besteht.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr.
1371/2007 (VO) sind die Fahrgäste im Fall einer
Verspätung bei der Abfahrt oder bei der
Ankunft durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen
oder den Bahnhofsbetreiber über
die Situation und die geschätzte Abfahrts- und
Ankunftszeit zu unterrichten, sobald
diese Informationen zur Verfügung stehen.
Im Fall des Beschwerdeführers war der
Bahnhof Wolfhagen geschlossen und Aushänge,
die über andere Zugverbindungen
hätten unterrichten können, nicht vorhanden.
Vor Ort war lediglich eine veraltete Telefonnummer
für ein Taxi angegeben. Das
Verwaltungsgericht Köln (Az. 18 K 4907/11)
hat insoweit festgestellt, dass Art. 18 Abs. 1
VO eine aktive Informationspflicht beinhaltet.
Die Angabe einer Telefonnummer oder
einer Service-Hotline genügt der Informationspflicht
aus Art. 18 Abs. 1 VO nicht. Das
folge unter anderem aus dem Wortlaut, der
Systematik und dem Sinn und Zweck der
Verordnung. Daher ist ein Anspruch auf Erstattung
der Taxikosten gegeben.
Das Servicecenter Fahrgastrechte lehnte
die Erstattung der Taxikosten mit Hinweis
darauf ab, dass um 21.05 Uhr des Reisetages
ein Zug von Wolfhagen in Richtung Korbach
gefahren wäre. Davon konnte der Beschwerdeführer
jedoch aufgrund fehlender Informationen
keine Kenntnis erlangen. Dies
war zum einen den fehlenden Aushängen
am geschlossenen Bahnhof Wolfhagen und
zum anderen dem eingeschränkten Mobilfunknetz
geschuldet. Auch ein zivilrechtlicher
Anspruch auf Erstattung der Taxikosten
aufgrund einer Informationspflichtverletzung
nach §§ 240, 241 Abs. 2 BGB kommt in
Betracht. Aufgrund der Verletzung der Informationspflicht
und der während der Reise
erlebten Unannehmlichkeiten schlug die
söp die Erstattung der Taxikosten in Höhe
von 49,30 Euro sowie die Übersendung von
zwei Genuss-Gutscheinen im Gesamtwert
von 10 Euro vor.
Dieser Argumentation stimmte das Verkehrsunternehmen
zu und veranlasste die
Erstattung der Taxikosten und die Übersendung
der Genuss-Gutscheine. Auch der Beschwerdeführer
zeigte sich hiermit einverstanden.
Dr. Katja Schmidt
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff
können von Verkehrsunternehmen wie von
deren Kunden noch so gut geplant und
organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen
kommen, die Anlass zur Beschwerde
geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende
Antwort bekommt, kann sich
an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet
dann einen Schlichtungsvorschlag zur
einvernehmlichen und außergerichtlichen
Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten
Geld, Zeit und Ärger. SIGNAL-Leserinnen und
-Leser können in jeder Ausgabe anhand eines
konkreten Falls einen Einblick in die praktische
Arbeit der söp bekommen.
Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder
Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt
können sich an die söp wenden, wenn sie auf
ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn
Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden
Verkehrsunternehmen der Region
keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten
haben.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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