|
Wenn kein Euro mehr rollen will
Zuerst gerieten die Geraer Stadtwerke
AG als Holding diverser Unternehmen für
Wohnungsbau, Energie und Versorgung
sowie Verkehr in Schieflage, weil Gewinne
ausblieben. Die Ursachen waren zwar verschieden,
haben aber einen gemeinsamen
wunden Punkt: die Verträge zwischen der
Holding, den Beteiligungsgesellschaften
und privaten Investoren. Besondere finanzielle
Risiken wie eine Kraftwerksabschreibung,
ein Kleinflughafen und zunehmender
Leerstand sowie Mietmindereinnahmen in
städtischen Wohnungen muss die Holding
alleine schultern. Sie kann aber über die
Erlöse der Energie- und Versorgungsbetriebe
nur zur Hälfte verfügen, da die andere
Hälfte der Gewinne an private Anteilseigner
geht. Viele Investitionen erfolgten
mangels Rücklagen auf Pump. Laufende
Kosten sowie Aufwendungen für Zinsen
und Tilgung sind nicht mehr zu stemmen.
Ende Juni 2014 meldeten die Stadtwerke
deshalb Insolvenz an.
|
Straßenbahn Gera, hinten mit Niederflurwagen NGT8G und historischen Wagen im Vordergrund. Die thüringische Stadt engagiert sich seit Jahren für den Straßenbahnverkehr. Doch nun ist die Zukunft ungewiss, denn die Stadtwerke Gera AG hat am 27. Juni 2014 Insolvenz angemeldet. Foto: Patrick Berthold, Mai 2009 |
|
Der Geraer Verkehrsbetrieb benötigt
jährlich einen Zuschuss von über vier Millionen
Euro, um den Nahverkehr aufrecht zu
halten. Doch woher nehmen, wenn nicht
stehlen? Von der Stadtwerke-Holding ist
nun nichts mehr zu erwarten. Eine kurzfristig
benötigte sechsstellige Summe für
Personal- und Kraftstoffkosten wollte bzw.
konnte die Stadt Gera nicht übernehmen.
Eine vom GVB-Geschäftsführer geforderte
Patronatserklärung wurde abgelehnt, da
ein erforderlicher Stadtratsbeschluss auf
die Schnelle nicht zu bekommen sei und
die Stadt Gera selbst keine Kredite mehr
bekäme. Die Stadt muss sich nun die Karten
legen, wie sie einen attraktiven Nahverkehr
mit 3 Straßenbahn- und 20 Buslinien für
jährlich 16,4 Millionen Fahrgäste erhalten
will.
Gera ist erst der Anfang
Auch in anderen Regionen kriselt es. Viele
Städte hangeln sich mit sogenannten Kassenkrediten
von einem Tag zum nächsten,
um laufende Kosten wie beispielsweise
Gehälter oder auch ältere Kassenkredite
begleichen zu können. Die Zeiten, in denen
städtische Energie- und Versorgungsbetriebe
als „eierlegende Wollmilchsau“
für alles herhalten mussten und konnten,
sind vorbei. Immer öfter müssen Gewinnerwartungen
nach unten korrigiert
werden, fallen fest eingeplante Millionenbeträge
zur ÖPNV-Quersubventionierung
aus. Die ohnehin leeren Kassen der Kommunen
können dann die zusätzlichen
Belastungen nicht tragen. Die Folgen
werden erschwerte Bedingungen bei der
Geldbeschaffung am freien Kapitalmarkt
sein, was zu drastischen Einschränkungen
vieler öffentlicher Leistungen führen
kann, zum Beispiel beim öffentlichen Nahverkehr.
An Griechenland mag da keiner
denken. (BfVSt)
Berliner Fahrgastverband IGEB
|