Tarifesöp

Erstattung der Produktdifferenz bei Zeitkarten

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Zeitkarte des Fernverkehrs für die 1. Klasse auf der Strecke Ellwangen—Karlsruhe. Im Zeitraum zwischen Oktober 2013 und Januar 2014 fuhren wiederholt Fernverkehrszüge ohne eine 1. Klasse. Den jeweiligen Ausfall des 1.-Klasse-Wagens ließ sich der Beschwerdeführer vom Verkehrsunternehmen bestätigen.

Er wandte sich an das Servicecenter Fahrgastrechte und machte eine Erstattung der Produktdifferenz geltend. Für jeden einzelnen Fall legte er einen Betrag in Höhe von mindestens 40 Euro zugrunde.

Antwort der Beschwerdegegnerin

Das Servicecenter teilte dem Beschwerdeführer mit, dass es gemäß der Beförderungsbedingungen und im Rahmen der Fahrgastrechte keinen Anspruch auf die Erstattung von Produkt- und Klassendifferenzen bei Zeitkarten gebe. Ein Widerspruch blieb erfolglos.

Der Beschwerdeführer war mit dieser Antwort nicht einverstanden und wandte sich an die söp. Er wies insbesondere darauf hin, dass es eine Preisdifferenz zwischen einer Zeitkarte der 1. Klasse und der 2. Klasse gebe. Daher sei die Nichtnutzung der 1. Klasse jedenfalls anteilig zu kompensieren.

Schlichtungsarbeit

Die söp prüfte das Anliegen des Beschwerdeführers und kam zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer ein Ausgleich für die Ausfälle der 1.-Klasse-Wagen gezahlt werden sollte.

Zwar war den Beförderungsbedingungen des betroffenen Verkehrsunternehmens keine Regelung zu entnehmen, die Zeitkarteninhaber wie den Beschwerdeführer für ein „Downgrade“ der Wagenklasse entschädigt. Lediglich für Netzkarteninhaber war eine Entschädigung vorgesehen. Für jede betroffene Fahrt erhalten Netzkarteninhaber gegen Nachweis einen Betrag in Höhe von 10 Euro, wenn Züge des Fernverkehrs, die planmäßig die 1. Wagenklasse führen, nur mit Wagen der 2. Klasse bereitgestellt werden.

Die söp wies im Schlichtungsverfahren darauf hin, dass sich der Beschwerdeführer bewusst für eine Zeitkarte der 1. Klasse entschieden und den entsprechend höheren Preis im Verhältnis zur 2. Klasse gezahlt hat. Insofern hat er auch grundsätzlich einen Anspruch auf Beförderung in der 1. Wagenklasse. Kann die 1. Wagenklasse – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Verfügung gestellt werden, ist der Minderwert insoweit zu erstatten.

Dass sich in den Beförderungsbedingungen des Verkehrsunternehmens hierzu keine Regelung findet, schließt einen Anspruch nach Auffassung der Schlichtungsstelle nicht aus. Vielmehr könnte es sich auch um einen Mangel des Beförderungsvertrages handeln, der den Beschwerdeführer berechtigt, Schadensersatz geltend zu machen oder den Kaufpreis zu mindern (vgl. 634 ff BGB). Hier käme aufgrund der rechtlich so einzuordnenden Schlechtleistung eine Minderung in Betracht.

Da die Berechnung des Minderbetrages mangels Bestimmung in den Beförderungsbedingungen nicht möglich und die jeweilige konkrete Preisdifferenz der Schlichtungsstelle nicht bekannt war, legte sie die für die Netzkarteninhaber vorgesehene Entschädigung in Höhe von 10 Euro pro Fahrt zugrunde. Der Beschwerdeführer konnte für insgesamt 9 Fahrten den Ausfall des 1.-Klasse-Wagens nachweisen, so dass die söp anregte, dem Beschwerdeführer einen Betrag in Höhe von 90 Euro zu erstatten.

Dieser Argumentation stimmte das Verkehrsunternehmen zu und veranlasste eine Entschädigung in Höhe von 90 Euro. Auch der Beschwerdeführer zeigte sich hiermit einverstanden. (Dr. Katja Schmidt)

Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff können von Verkehrsunternehmen wie von deren Kunden noch so gut geplant und organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen kommen, die Anlass zur Beschwerde geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende Antwort bekommt, kann sich an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag zur einvernehmlichen und außergerichtlichen Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten Geld, Zeit und Ärger. SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls einen Einblick in die praktische Arbeit der söp bekommen.

Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt können sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden Verkehrsunternehmen der Region keine sie zufriedenstellende Antwort erhalten haben.

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: soep-online.de

söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.

aus SIGNAL 5/2014 (Oktober/November 2014), Seite 24

 

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