Der Terminkalender der Bürgerinitiative Pro-Schiene
Hagenow—Neustrelitz (BI) ist seit
eineinhalb Jahren gut gefüllt: Jeden letzten
Freitag im Monat findet die Rote Laterne
statt. Allein beim ersten Aufruf im November
2013 hielten etwa 300 Bürger Mahnwache
an den Bahnhöfen der Südbahn und forderten
damit die Landesregierung auf, die
Abbestellung der Züge zwischen Parchim
und Malchow zurückzunehmen.
Bereits viermal wurde vor dem Landtag
in Schwerin für den Erhalt der Südbahn
demonstriert. Zuletzt gab es gut besuchte
Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen
zur Zukunft des regionalen
Nahverkehrs in Lübz und Plau am See.
Bürgermeister demonstrieren und machen
deutlich, wie wichtig die SPNV-Anbindung
ihrer Kommunen ist.
Zuletzt hat die BI am Bahnhof Lübz ein
Protestcamp mit 350 Teilnehmenden veranstaltet
(suedbahn-camp.de ) und eine Menschenkette
vom Malchower Bahnhof bis zur
Drehbrücke organisiert, um damit abermals
ihre Forderung nach einer schnellen, vernetzten
und barrierefreien Anbindung Südmecklenburgs
zu untermauern.
Die Zerschlagung der Südbahn bedeutet
nicht nur die Abkoppelung der Tourismusregion
Mecklenburgische Seenplatte. Sie
widerspricht auch der Daseinsvorsorge
und Aufrechterhaltung gleichwertiger Lebensbedingungen
sowie dem Regionalen
Raumentwicklungsplan Westmecklenburg,
in dem sogar eine Sanierung der Strecke
vorgesehen ist.
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Demonstration in Inselstadt Malchow am 24. August 2014: Mit einer Menschenkette zwischen Bahnhof und Altstadt-Drehbrücke machen etwa 300 Menschen auf die drohende Schließung der Südbahn aufmerksam. Sie fordern den Erhalt der Bahnlinie R 3 als Landbrücke der Kreise Ludwigslust-Parchim und Mecklenburgische Seenplatte mit schnellem Anschluss an die Oberzentren Schwerin und Rostock sowie an die Metropolen Berlin und Hamburg. Gerade in Südmecklenburg brauchen Menschen für die grundgesetzlich verankerten gleichwertigen Lebensverhältnisse verlässliche und nicht „flexible“ Mobilität. Foto: Florian Müller |
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Den von der BI angemeldeten Zweifeln
an den offiziellen Begründungen haben
Infrastrukturminister Christian Pegel und
sein Abteilungsleiter Rainer Kosmider eine
Absage erteilt. Sie weigerten sich sogar, alternative
Konzepte ernsthaft zu prüfen, die
eine Einbindung von Plau am See vorsahen
und die Potenziale der Südbahn berücksichtigten.
Doch nicht nur das: Sie haben den
Dialog mit den betroffenen Kommunen und
den Bürgern einseitig aufgekündigt. Sie sind
taub für Kritik an ihren folgenschweren Entscheidungen
und lassen nun die Landkreise
Ludwigslust-Parchim (LUP) und Mecklenburgische
Seenplatte (MSE) das „flexible“
Busersatzkonzept planen. Das sieht so aus:
Während die R 3-Züge von Parchim nach
Malchow derzeit 55 Minuten benötigen,
soll die Busverbindung doppelt so lange benötigen,
für Fahrgäste in Plau am See einen
Umstieg sowie eine Wartezeit von 20 bis 40
Minuten auf den Anschlussbus (je nach Richtung)
bereit halten.
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Seit November 2013 findet jeden letzten Freitag im Monat die Aktion „Rote Laterne“ an allen Bahnhöfen der Südbahnlinie R 3 zwischen Hagenow Stadt und Neustrelitz statt. Auch hier am Malchower Bahnsteig sagen Bürger „NEIN“ zur Politik des Infrastrukturministeriums und zum Ende der Bahn nach Parchim. Foto: Tim Zosel |
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Dabei ist diese Lösung vor allem für zwei
Busgesellschaften „flexibel“, die sich ein
Stückchen vom Kuchen sichern: Die vom
MSE-Kreis beauftragte Personenverkehr
GmbH Müritz soll die Linie 22 von Malchow
nach Plau am See betreiben und die LUP-kreiseigene
Verkehrsgesellschaft Ludwigslust-Parchim mbH die Linie 77 von Plau
am See nach Parchim. Anschlüsse zum bestehenden
Busersatzverkehr 735 Krakow—Meyenburg werden in Plau ganz „flexibel“
um wenige Minuten verpasst. Trotz dieser
enormen Verschlechterung und der massiven
Proteste für die Südbahn halten die Herren
Pegel und Kosmider unbeirrt an ihren
Plänen fest.
Vermutlich zum ersten Mal in Deutschland
hat nun am 22. August 2014 ein betroffener
Landkreis gegen den SPNV-Aufgabenträger,
also die Landesregierung, Klage eingereicht.
Durch den Beschluss seines Kreistages versucht
der Landkreis MSE beim Schweriner
Verwaltungsgericht zu erzwingen, dass die
bisherigen Zugleistungen der Südbahn weiterbestellt
werden. Der Landkreis LUP hat
sich am 2. September 2014 mit einer eigenen
Klage angeschlossen. Auch die beiden
regionalen Planungsverbände haben die
Absicht, Klage einzureichen. Ferner werden
ProBahn Mecklenburg-Vorpommern und
die BI Individualklagen gegen die Landesregierung
unterstützen.
Die Südbahn ist aber nicht der einzige
Patzer. Die wiederholten Kürzungen zeigen,
wie das Ministerium und die VMV überall im
Land den Nahverkehr grundlegend untergraben.
Ende 2012 wurden die Bahnlinien
S 3 Rostock Hbf—Seehafen Nord und RB 11
Schwerin—Hagenow Stadt eingestellt, auf
den Bahnstrecken Rehna—Parchim und R 3
Hagenow Stadt—Neustrelitz wurden Fahrten
gestrichen. Ende 2013 wurde das serviceorientierte
Bahnunternehmen OLA vom
Land daran gehindert, die Linie Bützow—Ueckermünde
Stadthafen mit barrierefreien
Talent-Zügen weiter zu betreiben. Das
Ergebnis: massive Behinderungen beim Ein- und
Ausstieg vor allem für Rollstuhl- und
Radfahrer.
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Hier drückt der Schuh (!): Warnemünde-Express und Südbahn (R 3) zwischen Parchim und Malchow sowie Waren und Neustrelitz sollen eingestellt werden, in Langhagen fehlt jegliche Verknüpfung zwischen Bahn und Bus und in Neubrandenburg drohen die Bahnsteige eingekürzt zu werden. Hintergrundbild: RE 5 und R 3 im Bahnhof Waren (Müritz) Zeichnung und Foto: Tim Zosel |
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Ende 2013 kollabierten darüber hinaus
die Tarifverbünde Westmecklenburg (WMT)
und Müritz-Oderhaff (VMO), in denen sich
Bus- und Bahnunternehmen zusammengeschlossen
hatten, um gemeinsame Tickets
anzubieten. Das Ministerium unternimmt
keinen Versuch der Rettung oder des Ausgleichs.
Auf einen Schlag verliert der ÖPNV
in den Kreisen Ludwigslust-Parchim, Nordwestmecklenburg,
Schwerin sowie Mecklenburgische
Seenplatte und Vorpommern-Greifswald (und damit fast im gesamten
Land) an Attraktivität. Für viele Menschen
wird ÖPNV umständlicher und teurer. Beim
Umstieg von der Bahn auf den Bus muss
stets ein neues Ticket gekauft werden. Urlauber,
Tagestouristen und Tagungsgesellschaften
suchen sich andere Regionen aus,
die Nahverkehr als Standortfaktor begreifen,
während in Mecklenburg-Vorpommern die
Fahrgastzahlen weiter sinken.
Selbst auf Hauptstrecken wie Berlin—Rostock wird gekürzt: Der Warnemünde-Express soll ab Dezember 2014 eingestellt
werden. Dabei haben sich Berliner, Brandenburger
und Mecklenburger nach Abschluss
des 850 Millionen Euro teuren
Ausbaus auf Fahrzeitverkürzungen an die
Ostsee und in die Hauptstadt gefreut. Jahrelang
hatte das mecklenburgische Ministerium
sich für diesen Ausbau eingesetzt.
Jetzt maßt sich die VMV an, auf dem RE 5
Lutherstadt Wittenberg—Rostock gar keine
Fahrtzeitverkürzungen vorzunehmen.
Dabei könnten Verbindungen von Berlin
und Waren (Müritz) nach Bad Doberan
oder Ribnitz-Damgarten bis zu einer Stunde
schneller sein.
Doch Ministerium und VMV wollen nur
langsamen Nahverkehr bestellen. Sie argumentieren,
dass schneller Nahverkehr als
Fernverkehr zu verstehen sei und damit
nicht in ihre, sondern in die Zuständigkeit
des Bundes falle.
Anders hingegen die Verkehrsminister
Winfried Hermann in Baden-Württemberg
und Olaf Lies in Niedersachsen: Sie haben
erkannt, dass die Mobilitätsbedürfnisse
durch ein mangelhaftes Fernverkehrsangebot
nicht hinreichend gestillt werden und
finanzieren durch ein sogenanntes Kooperationsmodell
den Fernverkehr mit. Die inzwischen
bekannt gewordene bedrohliche
Lage des privaten Fernzuges InterConnex
Rostock—Leipzig (siehe Seite 30) zeigt, wie
wichtig die Unterstützung des Landes in solchen
Kooperationsmodellen wäre.
Neben der Begleitung des Klageverfahrens
hat die BI zusammen mit ihren Partnern
eine Petition auf change.org gestartet, in
der sie das Infrastrukturministerium und die
VMV auffordert, die Arbeit endlich gewissenhaft
wahrzunehmen und die desaströse und
ideenlose Politik des Infrastrukturabbaus zu
beenden. Konkret wird darin u. a. gefordert:
- den Warnemünde-Express sowie die
Mecklenburgische Südbahn auf ganzer
Linie zu erhalten
- ein Kooperationsmodell im Fernverkehr
zu entwickeln und so für bessere Verbindungen
nach Mecklenburg-Vorpommern
zu sorgen
- Fahrtzeitverkürzungen zwischen Berlin
und Rostock an die Fahrgäste weiterzugeben
und ein tragfähiges Konzept zur
Anbindung von Güstrow zu entwickeln
- ein Bahn-Bus-Landesnetz wie in Sachsen-Anhalt
zu errichten, bei dem Bahn und
Bus intelligent miteinander verknüpft
sind und Verknüpfungsstellen gefördert
werden – brandaktuell ist das am neuen
RE 5-Bahnhof Langhagen nötig
- Bahnsteigverkürzungen in Neubrandenburg
zu verhindern, um auch für Fernzüge
möglicher Zwischenhalt zu bleiben
- einen landesweiten Nahverkehrstarif
für Bus und Bahn mit großzügigen
Übergangsregelungen zum Hamburger
Verkehrsverbund (HVV), zum Schleswig-Holstein-Tarif und zum Verkehrsverbund
Berlin-Brandenburg (VBB) zu
entwickeln
-
die politische Arbeit von VMV und Ministerium
kreativ und partizipativ zu
gestalten.
Weit mehr als 1000 Unterzeichner sprechen
sich bereits für einen besseren Nahverkehr
aus, indem sie die Petition unterstützen. Es
dürften noch viel mehr werden. Die BI und
ihre Partner laden darüber hinaus Ende Oktober/Anfang
November zum Bahnhofsfest
nach Lübz ein und empfehlen ausdrücklich
die Anreise mit der Südbahn R 3.
Unterstützen Sie die BI im Ringen um einen
besseren Nahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern.
Gerade für Berlin/Brandenburg
und den Hamburger Raum ist die Erreichbarkeit
von Ostsee und Seenplatte akut gefährdet.
Zeichnen Sie deshalb bei der Petition mit:
change.org/p/minister-pegel-verbessern-sie-den-nahverkehr-in-mecklenburg-vorpommern
Die Bürgerinitiative ProSchiene Hagenow—Neustrelitz ist erreichbar über
proschiene-hagenow-neustrelitz.de
und zusätzlich auf Facebook vertreten. Sprecher
sind Monika Göpper und Clemens Russell.
Tim Zosel, Bürgerinitiative ProSchiene Hagenow—Neustrelitz
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