Fernverkehr

Interconnex durch Fernbuskonkurrenz gefährdet

Trassengebühren sorgen für unfairen Wettbewerb zu Lasten der Schiene

Seit März 2002 verkehrt der Interconnex als einer der wenigen Konkurrenten zum Eisenbahn-Fernverkehr der Deutschen Bahn in der Relation Warnemünde—Rostock—Berlin—Leipzig (in den Anfangsjahren sogar ab/bis Gera). Im August 2014 wurden seitens des Betreibers Veolia Verkehr nun jedoch Pläne veröffentlicht, wonach der weitere Bestand dieser eigenwirtschaftlich angebotenen Bahnverbindung gefährdet sei. Eine kurzfristige Einstellung ist zwar nicht beabsichtigt, die wirtschaftliche Lage ist jedoch angespannt. So sank die Zahl der Interconnex-Fahrgäste 2013 um 16 Prozent.

Hier zeigen sich nun deutlich die Folgen des seit 1. Januar 2013 geänderten Personenbeförderungsgesetzes, die die Liberalisierung des Fernbus-Linienverkehrs in Deutschland zur Folge hatte. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 250 Fernbuslinien von ca. 50 Anbietern. Was in der Öffentlichkeit gern als politischer Erfolg gepriesen wird, basiert jedoch auf einer staatlich legitimierten Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Bahn. Autobahnen, Bundesstraßen und Bundeseisenbahnstrecken sind gleichermaßen Bundesverkehrswege. Unverständlich sind deshalb die Unterschiede bei der Behandlung: Während Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Nutzung der Schienenwege grundsätzlich „Maut“ bzw. Trassengebühren entrichten müssen, können Betreiber von Fernbuslinien die Bundesverkehrswege kostenlos nutzen, Tarife entsprechend günstiger kalkulieren und Leistungen zu Dumpingpreisen anbieten.

Zug
Trassengebühren von 1300 Euro pro Fahrt und Richtung benachteiligen den Interconnex Warnemünde—Leipzig gegenüber Fernbussen. Hinzu kommen noch 400 Euro Stationsgebühren. Foto: Christian Schultz

Die Kosten für die Trassennutzung betragen beispielsweise in der Relation Warnemünde—Leipzig für den Interconnex pro Fahrt und Richtung rund 1300 Euro. Hinzu kommen noch die Stationsgebühren. Auf den einzelnen Fahrgast bezogen werden die Kosten seitens Veolia Verkehr mit 11 Euro pro Fahrgast nur allein für die Nutzung der Infrastruktur angegeben. Auf diese Weise wird der Schienenverkehr ganz gezielt benachteiligt! Auch andere eigenwirtschaftliche Leistungen des Schienenpersonenfernverkehrs dürften bei Fortsetzung dieser Politik ernsthaft gefährdet sein.

Deshalb hatte der DBV bereits auf seinem Bundesverbandstag am 23. März 2013 in Kassel die politische Forderung beschlossen, entweder den Fernbus-Verkehr mit einer Straßenmaut zu belegen oder alternativ Züge des Personenverkehrs ebenfalls von den Trassengebühren zu befreien.

Nicht nachvollziehbar ist die Untätigkeit auf politischer Ebene auch vor dem Hintergrund, dass Verkehrsverlagerungen von der Schiene auf ein bereits vielfach total überlastetes Straßennetz akzeptiert werden. So soll z. B. das Aufkommen im Pkw-Verkehr allein 2014 um weitere 1,4 Prozent wachsen, der Straßengüterverkehr sogar um knapp 4 Prozent. Verantwortungsvolle Verkehrspolitik bzw. nachhaltige Mobilität sieht anders aus!

Auch Regelungen zu Fahrgastrechten benachteiligen die Schiene

Auch bezüglich der Fahrgastrechte bestehen erhebliche Nachteile zu Lasten der Bahn! Die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 sieht für den Fernbuslinienverkehr lediglich ein Mindestmaß an Fahrgastrechten vor. Bis zu einer Entfernung von 250 km hat der Fahrgast im Fernbus-Verkehr im Fall von Verspätungen kaum nennenswerte Rechte, abgesehen von Haftungsregelungen. Die benannte Entfernungsgrenze betrifft beispielsweise Relationen wie Berlin—Dresden, Berlin—Rostock oder auch München—Stuttgart. Erst bei Annullierung, Überbuchung oder einer Abfahrtsverspätung (!) von mehr als 2 Stunden muss der Beförderer dem betroffenen Fahrgast eine Fahrpreiserstattung oder die Fortsetzung der Fahrt ggf. mit geänderter Streckenführung anbieten.

Entschädigungsregelungen bei Verspätungen am Zielort sucht der Fahrgast bei Fernbus-Verkehren vergebens. Ein Bahnkunde hat dagegen z. B. bei einer eingetretenen Verspätung seines Zuges ab 1 Stunde am Zielort (!) das Recht auf 25 Prozent Fahrpreiserstattung, bei einer Verspätung ab 2 Stunden sogar 50 Prozent. Auch in diesem Fall führt der politisch gewollte Schutzschirm für Fernbusunternehmen zu unfairen Wettbewerbsbedingungen.

Während beim Busverkehr Rücksicht auf Verzögerungen durch Baustellen, Staus und Unfälle genommen wird, bleiben beim Schienenverkehr Verspätungsrisiken z. B. in überlasteten Knoten wie Hamburg Hbf, Köln Hbf oder Frankfurt Hbf bzw. Verzögerungen z. B. wegen Signal- oder Oberleitungsschäden bei den Entschädigungsregelungen unberücksichtigt. Verschärft wird die Situation noch durch die Entscheidung des EuGH vom 26. September 2013, wonach die Fahrgastrechte im Bahnverkehr (entsprechend VO (EG) 1371/007) auch in Fällen höherer Gewalt gelten. Die Regelungen gehen damit selbst über die Regelungen der Fluggastrechteverordnung deutlich hinaus.

Bei der Schaffung einheitlicher Fahrgastrechte besteht somit nicht zuletzt auf europäischer Ebene erheblicher politischer Korrekturbedarf. Um auch in diesem Fall faire Wettbewerbsbedigungen herzustellen, müssen die derzeit für den Schienenverkehr geltenden Entschädigungsregelungen sinnvollerweise u. a. auch auf Fernbus-Linienverkehre übertragen werden!

Fahrplanlage des Interconnex in direkter Konkurrenz zum Regionalexpess

Auch wenn die unbefriedigenden verkehrspolitischen Rahmenbedingungen das größte Risiko für den Erhalt des Interconnex darstellen: Die derzeitige Fahrplanlage kann Fahrgäste kaum zufriedenstellen. Trotz der für rund 850 Millionen Euro ausgebauten Strecke Berlin—Rostock verkehren umsteigefreie Regionalexpress-Verbindungen (RE-Linie 5) auch weiterhin nur im 2-Stunden-Takt. Das Fernverkehrsangebot der Deutschen Bahn beschränkt sich ebenfalls nur auf ein einziges ICE-Zugpaar (mit Einschränkungen am Wochenende), bis zum 1. November des Weiteren auf ein EuroCity-Zugpaar (EC 178/179) an Sonnabenden.

Umso unerfreulicher ist die Tatsache, dass der Interconnex in der Relation Berlin—Rostock gerade einmal 14 Minuten nach einer REVerbindung und damit in direkter zeitlicher Konkurrenz verkehrt. In der Gegenrichtung ist die Situation mit einer Zeitdifferenz von 26 Minuten kaum besser. Zur Verbesserung der Angebotsstruktur muss deshalb dringend eine Fahrplankorrektur erfolgen!

Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV)
IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 5/2014 (Oktober/November 2014), Seite 30

 

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