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Oft beklagen Verkehrsunternehmen,
dass sie Verspätungen
ihrer Busse und
Straßenbahnen in der Regel
nicht vermeiden könnten,
da diese aufgrund
des „Mitschwimmens“ im
Straßenverkehr zahlreichen
äußeren Einflüssen
unterliegen. Hierfür lässt
sich auch Verständnis aufbringen.
Das gilt aber nicht
für das zu frühe Abfahren
von Bussen und Bahnen.
Die Verantwortung hierfür
liegt allein beim Verkehrsunternehmen.
Doch ab wann ist eigentlich
ein Verkehrsmittel „zu
früh“ von der Haltestelle
abgefahren? Aus Gesprächen
mit Fahrpersonal,
Schriftverkehr mit Verkehrsunternehmen
sowie
Regelungen in Verkehrsverträgen
ist erkennbar,
dass oft eine allzu fahrgastfeindliche Sicht
vertreten wird – zum Beispiel bei der BVG.
Die Sicht des BVG-Fahrpersonals
Erste Verfrühungen gibt es teilweise schon
zum Beginn der Fahrt. So ertönt zum Beispiel
in den Straßenbahnen vom Typ Flexity
bereits 1 Minute vor der Abfahrtzeit ein stetig
stärker nervender Ton, der sich nur durch
(zu frühe) Abfahrt abschalten lässt.
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Die großzügig geplante Fahrzeit BVG / Markierung: IGEB von 3 Minuten zwischen S-Bahnhof Adlershof und Marktplatz Friedrichshagen führt häufig zu einer Verfrühung von 2 Minuten. An diesem Sonntagmorgen erreicht die 60 die Haltestelle S-Bahnhof Spindlersfeld 2 Minuten zu früh. BVG |
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Im Fahrtverlauf kann der Fahrer die aktuelle
Fahrplanlage von einem Display, auf 30
Sekunden gerundet, ablesen. Die neueren
Geräte in den Bussen bilden sogar zusätzlich
die Sollabfahrtzeit der nächsten Haltestellen
ab. Diese technischen Hilfen bringen natürlich
nichts, wenn es Fahrer
gibt, die die persönliche
Ansicht vertreten, dass bis
zu drei Minuten zu früh vertretbar
seien. Besonders
mit Blick auf Umsteigehaltestellen,
doch auch im
Allgemeinen, ist das nicht
hinnehmbar. Hier sollte die
Leitstelle schneller eingreifen
und den Fahrer zum
„Abstehen“ der Verfrühung
auffordern. Eine angepasste
Fahrweise kann dafür
sorgen, dass erst gar keine
Verfrühung entsteht.
Häufig vertreten ist die
Meinung, „man müsse ja
an einigen Haltestellen zu
früh abfahren, da im weiteren
Linienverlauf Minuten
fehlen“. Doch dieses
aktive Nachsteuern eines
schlecht geplanten Fahrplans
sollten nicht jene
Kunden ausbaden, die an
den Zwischenstationen die Bahn oder den
Bus verpassen. Es verhindert zudem, dass
die Fahrplanabteilung Probleme erkennt
und nachsteuern kann.
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An der Grünberger Str./Warschauer Str. gibt die Fahrplanauskunft 3 Minuten Umsteigezeit aus. Realistisch betrachtet dauert der Haltestellenwechsel etwa 1 Minute – bleiben 2 Minuten als „Reserve“. Doch im abgebildeten Fall war der Anschlussbus zum Ostbahnhof im Soll/Ist-Vergleich auf der BVG-Homepage genau jene 3 Minuten zu früh und der Anschluss im 20-Minuten-Takt(!) damit hinfällig. Müsste der Fahrer die planmäßige Abfahrt an dieser Haltestelle quittieren, wären die Hürden erhöht, zumal die Verfrühung hier problemlos abgestanden werden kann. BVG/Markierung: IGEB |
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Ein aktuelles Beispiel findet sich an der
Kreuzung Prenzlauer Promenade/Am
Steinberg. Die Vorrangschaltung ist außer
Funktion und die Ampelanlage arbeitet im
Festumlauf. Das bedeutet, dass das Ampelprogramm
alle Phasen nacheinander abarbeitet,
egal ob gerade eine Straßenbahn
oder ein Bus kommt. Leidtragend ist hier
vor allem der Autoverkehr stadtauswärts,
der Grünzeit verliert, weil ständig Phasen
für Phantomstraßenbahnen geschaltet
werden – insofern ist es verwunderlich, dass
die Anlage nicht kurzfristig repariert wurde.
Doch ebenso leidet die Straßenbahn, die die
Phase nun nicht mehr bedarfsgerecht bei
der Annährung – und nur dann (!) – erhält.
Die Verstärkerfahrten der M 2 beginnen eine
Haltestelle zuvor. In Kenntnis dieser Problematik,
fahren nun Am Steinberg noch mehr
Fahrer „vor Plan“ ab, um nicht schon nach
der zweiten Haltestelle „zu spät“ zu sein.
Doch wenn die Phase gerade passt, dann
treffen sie plötzlich schon 2 Minuten vor der
Abfahrtzeit an der Ostseestraße ein.
Die Regelung im BVG-Verkehrsvertrag
In der zuletzt veröffentlichten Fassung des
BVG-Verkehrsvertrages gilt eine Abfahrt von
einer Haltestelle als unpünktlich, wenn sie
„über 1,5 [Minuten] vor veröffentlichter fahrplanmäßiger
Zeit“ stattfand.
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Auszug aus einer BVG-Antwort an einen Fahrgast, der sich über Verfrühungen beschwert hat: “[…] Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass es sich um eine Verfrühung von 57 Sekunden handelte. In Anbetracht der Uhrzeit [nach 20 Uhr, Ergänzung der Redaktion] ist diese zu entschuldigen. Unsere Fahrer bemühen sich, pünktlich zu sein, was leider nicht immer auf die Minute zu tätigen ist. Bei Verfrühungen oder Verspätungen von bis zu einer Minute gehen wir von einer Toleranz aus, die nicht immer zu vermeiden ist. […]” Die „Detektei Kundenservice“ hat nachgeforscht. Unbekannt ist ihr aber offensichtlich, dass das RBL der Straßenbahn noch immer analog funkt und der Soll/Ist-Abgleich nicht immer korrekt funktioniert, so dass der Fahrer teils falsche Werte – und die auch nur auf 30 Sekunden genau – angezeigt bekommt. Die Ermittlung einer Verfrühung von exakt 57 Sekunden ist für den Fahrer also nicht möglich und damit auch nachträglich wenig sachdienlich. Befremdlich ist außerdem, dass eine Verfrühung in der Schwachlastzeit vom BVG-Fahrgast hinzunehmen sein soll, also ausgerechnet dann, wenn der Verkehr berechenbar und die Fahrplanreserve groß, die Wartezeiten bei verpassten Anschlüssen aber länger sind. |
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Ein ebenfalls sehr interessanter Aspekt ist,
dass die BVG einen Anreiz hat, an einigen
Linienenden unnötig Fahrzeit einzuplanen
(solange hierdurch kein zusätzlicher Umlauf
nötig wird), da die BVG aus einer Mischung
aus Kilometern und Fahrplanstunden ihre
Ausgleichsleistung vom Senat erhält. Und
ist eine Fahrzeitdehnung im Linienverlauf
(mit zusätzlichem Umlauf) erst einmal langwierig
genehmigt, dann wird sie beibehalten,
denn Vorrangschaltungen, die nach
langjährigem Betteln bei der Verkehrslenkung
endlich aktiviert werden, sind oft nach
wenigen Tagen oder Wochen ohne Gründe
wieder abgeschaltet. Insofern behält die
BVG das „Polster“ lieber, als es sich erneut
genehmigen zu lassen.
Die Auffassung der BVG
Gar merkwürdige Stilblüten treibt der
Schriftverkehr zwischen Fahrgästen und
dem sogenannten BVG-Kundenservice. Aus
mehrfachen Beschwerden von verschiedenen
IGEB-Mitgliedern geht hervor, dass für
die BVG eine Verfrühung von bis zu 2 Minuten
nicht nur tolerabel, sondern auch
völlig in Ordnung ist. Insbesondere in den
Abendstunden sind Verfrühungen von 1
bis 2 Minuten mancherorts eher die Regel
als die Ausnahme. Und auf der letzten Linienfahrt
– mit anschließendem Einrücken
zum Betriebshof –werden gar wundersame
Dinge möglich. Da taucht ein pünktlich prognostizierter
Bus in Ausnahmefällen auch
schon mal 5 Minuten vor der planmäßigen
Abfahrtzeit auf und ein Ausstieg an der Endstation
geht plötzlich auch ohne Haltestelle,
wenn für die Anfahrt der korrekten Halteposition
ein Umweg nötig wäre.
Die IGEB-Sicht und Lösungsvorschläge
Aus IGEB-Sicht ist die Auffassung von „Verfrühung“
im Verkehrsvertrag sowie bei der
BVG und einigen Mitarbeitern zu fahrgastfeindlich.
Wenn an der Haltestelle beispielsweise
die Abfahrtzeit 05 angeschrieben
ist, ist eine Abfahrt zur Minute 03, egal mit
welcher Sekunde, nicht akzeptabel. Zur Minute
04 wäre eine Abfahrt bei besonderer
Umsicht des Fahrpersonals tolerabel, wenn
beispielsweise durchgefahren wird, weil
kein Fahrgastwechsel erfolgt oder eine betriebliche
Notwendigkeit, etwa durch eine
Behinderung des nachfolgenden Verkehrs,
besteht. Eine Lösung wäre, die Fahrzeit zwischen
großen Umsteigepunkten möglichst
kurz zu halten und an den Umsteigepunkten,
zumindest dort, wo das betrieblich möglich
ist, Fahrzeitreserven einzuplanen.
An Umsteigepunkten, auch an kleineren,
darf jedoch keinesfalls vor der veröffentlichten
Zeit abgefahren werden – insbesondere
dann nicht, wenn noch knappe Anschlüsse
möglich sind. Das Rechnergestützte
Betriebsleitssystem (RBL) könnte so programmiert
werden, dass die Abfahrtzeit an
bestimmten Haltestellen quittiert werden
muss. Mit technischen Mitteln muss dem
Fahrer jede Verfrühung ab 30 Sekunden
deutlich angezeigt werden. Die Fahrplanabteilung
sollte alle Verfrühungen systematisch
auswerten und den Fahrplan, wenn
nötig, anpassen.
Doch technische Mittel allein reichen
nicht aus. Eine Sensibilisierung der Fahrer
muss kontinuierlich durchgeführt werden,
denn durch eine angepasste Fahrweise
können nicht nur die für die Fahrgäste so ärgerlichen
Verfrühungen vermieden werden,
sondern Energie – und damit Geld – gespart
werden. (ge) IGEB Stadtverkehr
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