Kurz vor dem Fahrplanwechsel im Dezember
2014 fuhren der letzte Nachtzug
von Berlin nach Paris, der letzte durchgängige
EuroCity-Zug von Berlin über Prag
nach Wien und der letzte EC „Wawel“ von
Hamburg über Berlin nach Wrocław (Breslau).
Die Deutsche Bahn AG stellte diese
und weitere internationale Bahnverbindungen
im Tages- und Nachtverkehr auf
das Abstellgleis.
In Europa wächst so leider nicht zusammen,
was zusammen gehört. Im Gegenteil:
25 Jahre nach dem Fall des Eisernen
Vorhanges und der Berliner Mauer und elf
Jahre nach der EU-Osterweiterung
ist das Schienennetz
in Europa mehr
denn je ein Flickenteppich,
dessen Lücken exakt
an den Grenzen sind.
Die EU-Gelder werden
nicht für den europäischen
Mehrwert,
sondern für nationale
Prestigeprojekte verwendet.
Die Rheinbrücke
zwischen dem deutschen
Freiburg und dem
französischen Colmar
ist auch 70 Jahre nach
Kriegsende noch nicht
wiederhergestellt. Und die Verbindungen
von Berlin nach Breslau, Szczecin (Stettin)
oder Świnoujście (Swinemünde) haben das
Vorkriegsniveau noch längst nicht erreicht.
Dabei müssen je Strecke lediglich 100 Millionen
Euro investiert werden – das ist nur ein
Prozent des Budgets für den Größenwahn
bei Stuttgart 21!
Da der Zug von Berlin nach Breslau heute
5 Stunden braucht – vor dem Krieg waren
es 2,5 Stunden – ist der Fernbus schneller.
Polen hat die Bahnstrecke zwar von Breslau
bis zur Grenze elektrifiziert und ertüchtigt,
Deutschland aber nur bis Cottbus. Deshalb
muss zweimal die Lok gewechselt werden.
Es ist zynisch, dass die DB die Einstellung des
EC Wawel nun ausgerechnet mit der selbst
verschuldeten schlechten Qualität der Bahnverbindung
rechtfertigt!
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Im Dezember 2014 eingestellt: Der Nachtzug nach Paris Est in Berlin Südkreuz. Foto: IGEB-Archiv, Oktober 2014 |
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Denn Verantwortung tragen die Bundesregierung
und die DB AG. Während bei Stuttgart
21 Milliarden keine Rolle spielen, sind
für die Strecke von Cottbus über Spremberg
und Horka nach Polen 100 Millionen Euro –
angeblich – nicht vorhanden. Zudem würde
dadurch nicht nur die Elektrifizierungslücke
zwischen Cottbus und Görlitz geschlossen,
sondern auch Breslau als Europäische Kulturhauptstadt
2016 gut angebunden.
Das liegt auch an den unfairen Rahmenbedingungen.
Der Fernverkehr der Bahn
darf nicht subventioniert werden, doch
sind von 23 internationalen Flughäfen in
Deutschland 17 (!) defizitär. Während die
Bahn Steuern auf Energie und Treibstoff
zahlt, die volle Mehrwertsteuer entrichtet
und für jeden gefahrenen Kilometer eine
Trassengebühr aufbringen muss, ist das
Flugbenzin von jeglicher Besteuerung befreit.
Auf internationalen Flügen wird zudem
die Mehrwertsteuer erlassen. Und auch der
Fernbus wird einseitig privilegiert: Er zahlt
keine Maut.
Doch auch die Deutsche Bahn AG muss
ihre Hausaufgaben machen. Mit attraktivem
Service und funktionierendem Fuhrpark sowie
höherer Pünktlichkeit können Nachtzüge
auch heute erfolgreich sein. Sie können
eine sinnvolle Alternative zu Flugzeug und
Bus sein und Fahrgäste zurück auf die Schiene
holen! Aber mit der Einstellung von Fernund
Nachtzügen rollt die DB AG den Airlines
den Roten Teppich aus.
Michael Cramer,
Mitglied des Europäischen Parlaments – Die Grünen/EFA
Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
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