Nahverkehr

S-Bahn-Strecke Jungfernheide - Westhafen

Ein Schriftwechsel

Schreiben vom 20. August 1998 des Präsidenten des Eisenbahn-Bundesamtes, Herrn Stuchly an Herrn Senator für Bauen, Wohnen und Verkehr, Jürgen Klemann:

Sehr geehrter Herr Verkehrssenator Klemann, in der Zeitschrift Signal (Heft 6, Ausgabe August 1998) wird eine Aussage von Ihnen im Landespressedienst 109/98 vom 10. Juni 1998 zitiert, die sich auf Zeitverzögerungen des Ausbaus zwischen den S-Bahnhöfen Jungfernheide und Westhafen bezieht. Danach wären "eingetretene Verzögerungen insbesondere durch fehlende Finanzmittelfreigaben begründet. Erst nach Vorliegen des Baurechts könnten von der DB AG die entsprechenden Teilfinanzierungsanträge beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) eingereicht werden. Hier schließe sich ein komplizierter Prüfprozeß an, der erst in eine Teilmittelfreigabe münde, wenn die Gesamtfinanzierung des betreffenden Teilbereichs vorliege." Mit solchen Aussagen wird - wiederholt - versucht, die Verantwortung für Verzögerungen beim Ausbau der Schieneninfrastruktur im Land Berlin dem EBA anzulasten, auch wenn die dazu herangezogenen Begründungen offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen. So kann die DB AG Mittelanträge für die Finanzierung der Schieneninfrastruktur mit Bundesmitteln beim EBA für alle die Maßnahmen stellen, bei denen sie ihre Planung soweit abgeschlossen hat, daß für die bewilligende Stelle erkennbar ist, was mit Bundesmitteln finanziert werden soll; dies ist vollkommen unabhängig vom zusätzlich erforderlichen Baurecht. Der weiterhin zitierte "komplizierte Prüfprozeß" entspricht genau dem, den auch ihre Verwaltungen bei der finanziellen Genehmigung von GVFG-Vorhaben vornehmen (müssen). Daß die vom EBA freigegebenen Mittel von der DB AG erst in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert ist, ist keine Maßgabe des EBA, sondern im §3 (2) des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (GVFG) festgeschrieben. Wenn die DB AG - wie zitiert - Schwierigkeiten bei der Bereitstellung der für die Gesamtfinanzierung notwendigen Eigenmittel hat, kann dies mit Sicherheit nicht der Bewilligungsbehörde angelastet werden. Da Veröffentlichungen dieser Art nicht geeignet sind, die in Berlin anstehenden Probleme des Auf- und Ausbaus der Schieneninfrastruktur im gegenseitigen vertrauensvollen Miteinander zu lösen, darf ich Sie bitten, bei eventuell anstehenden Konflikten auch eine Stellungnahme des EBA einzuholen. Für diesbezügliche Anfragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.

Ein Abdruck dieses Schreibens habe ich der Redaktion der Zeitschrift Signal und der Geschäftsführung der DB Projekt GmbH Knoten Berlin übersandt.

Schreiben vom 24.9.1998 des Senators für Bauen, Wohnen und Verkehr, Jürgen Klemann an Herrn Horst Stuchly, Präsident des Eisenbahn-Bundesamtes:

Sehr geehrter Herr Stuchly, nach der Wende konnten zunächst ungewöhnlich schnelle Erfolge bei der Wiederherstellung stillgelegter S-Bahn-Strecken erzielt werden. So gelang die Durchführung der Planung, der notwendigen Genehmigungsverfahren und der Baudurchführung der Strecken Wannsee - Potsdam, Lichtenrade - Mahlow - Blankenfelde und Frohnau - Hohen Neuendorf jeweils in weniger als zwei Jahren. Diese Zeitmaßstäbe haben natürlich in der interessierten Öffentlichkeit, bei Bürgerinitiativen, Fahrgastverbänden und Politikern Begehrlichkeiten geweckt, die inzwischen durch jahrelange Baustopps auf wichtigen S-Bahn-Strecken enttäuscht werden und entsprechende Protestschreiben, Kleine Anfragen im Abgeordnetenhaus und ähniches mehr provozieren. Dabei fällt es selbst Beteiligten nicht immer leicht, die genauen Ursachen für die eingetretenen Verzögerungen zu benennen. Bei der von Ihnen zitierten Beantwortung einer Mündlichen Anfrage im Abgeordnetenhaus zu diesem Thema haben sich aber die Mitarbeiter meines Hauses vollständig auf Angaben der zuständigen DB AG bezogen. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir (bzw. die DB AG) hierbei die Verzögerungen beim Ausbau der Schieneninfrastruktur im Land Berlin nicht dem EBA angelastet haben. Vielmehr wurde entsprechend den Angaben der DB AG ausgeführt, daß die entsprechenden Teilfinanzierungsanträge erst sehr spät beim EBA eingereicht werden konnten. Hieraus wäre doch lediglich eine Kritik am Antragsteller, der DB AG, herauszulesen, nicht jedoch am EBA. Auch der Hinweis auf die schwierige Bereitstellung von Eigenmitteln der DB AG kann m. E. nicht als Kritik am EBA verstanden werden.

Daß Mittel vom EBA erst freigegeben werden können, wenn die Gesamtfinanzierung gesichert ist, ist dem Land Berlin wie auch der DB AG selbstverständlich bekannt und wurde in der Beantwortung der Mündlichen Anfrage wertfrei geschildert, ebenfalls ohne Kritik am Wirken des EBA zu äußern. Insofern erscheint mir Ihre Vermutung, der Senat von Berlin würde Zeitverzögerungen ungerechtfertigterweise dem EBA anlasten, nicht ganz nachvollziehbar. Allerdings hatte uns die DB Projekt GmbH Knoten Berlin tatsächlich mitgeteilt, daß Teilfinanzierungsanträge für S-Bahn-Bauvorhaben beim EBA erst nach Vorliegen des Planrechts eingereicht werden können. Hier ist Ihre Klarstellung hilfreich, daß dies nicht notwendig ist. Meine Mitarbeiter werden diesen Sachverhalt unverzüglich bei den turnusmäßig stattfindenden Besprechungsrunden der DB Projekt GmbH Knoten Berlin vortragen, so daß sich hieraus auch Beschleunigungen des Genehmigungsverlaufs ergeben müßten. Dankbar bin ich Ihnen für Ihre Zusage, jederzeit bei möglicherweise anstehenden Konflikten Stellung beziehen zu wollen. Hierauf werden meine Mitarbeiter - und sicherlich auch die zuständigen Kollegen von der Deutschen Bahn AG gegebenenfalls gern zurückkommen. Ich erlaube mir ebenfalls, Abdrucke dieses Schreibens der Geschäftsführung der DB Projekt GmbH Knoten Berlin und der Redaktion der Zeitschrift Signal zukommen zu lassen.

****

Zu den Sachverhalten, um die hier gestritten wird, erübrigt sich eigentlich ein Kommentar. Auch interessiertes die Fahrgäste nicht, wer für die ständigen Verzögerungen beim Wiederaufbau des ehemaligen West-Berliner S-Bahn-Netzes tatsächlich verantwortlich ist. Entscheidend ist, daß Verzögerungen vermieden werden. Und hier hat die Veröffentlichung in SIGNAL 6/98 offensichtlich ein wenig geholfen. Wir wissen nun, daß das SIGNAL aufmerksam gelesen wird und daß die Verantwortlichen auf Kritik an den ständigen Verzögerungen empfindlich reagieren, sie also ernst nehmen. Das ist kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen, aber ein wenig freuen dürfen sich Redaktion und Leser schon - um der Sache willen [IGEB].

IGEB, Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 8-09/1998 (November 1998), Seite 20

 

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