Die Bahn richtete sogleich einen Schienenersatzverkehr mit Bussen ein,
Anwohner, Bahnkunden-Verband und Landkreis Prignitz wollten so einfach
jedoch nicht aufgeben. Es wurde der Putlitz-Pritzwalker Eisenbahnförderverein
gegründet, ein Kreistagsbeschluß sprach sich für den weiteren Erhalt
der Strecke aus. Und so kam es, daß nach knapp einem halben Jahr
wieder „Ferkeltaxen" über die Gleise rumpelten.
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Kyritz, Sommer 1998: Umsteigen von der DB AG zum PEG-Triebwagen. Foto: Frank Böhnke |
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Regionalisierung: im Verkehrsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und der
DB AG stand bei dieser Linie wiederum als
Option vermerkt, daß eine Schließung bereits zum Jahreswechsel 1996/97
möglich gewesen wäre. Im Sommer 1996 gründeten deshalb drei Privatpersonen
das Unternehmen „Prignitzer Eisenbahn GmbH" (PEG) mit dem Ziel, die
SPNV-Leistungen auf der KBS 206.70 als Privatbahn zu übernehmen, während
die ursprüngliche Idee eines Einstieges in den Güterverkehr, Projekt:
Ganzzüge mit Baustoffen ins Gewerbegebiet nach Falkenhagen (Prignitz),
vorübergehend „verschoben" werden mußte. Der Regionalverkehr
Berlin-Brandenburg unterstützte das Engagement der jungen
Privateisenbahner und so wurde im August 1996 der ehemalige
DB-"Schienenbus" 798 538 beschafft.
Nach Aufarbeitung, Neuanstrich und Renovierung ging das Fahrzeug am
29. September 1996 als „T 1" in den Regelbetrieb und wurde im Rahmen der
Feierlichkeiten zum 100-jährigen Streckenjubiläum der Bahnstrecke
Putlitz - Pritzwalk auf den Namen „Putlitz" getauft. Das Interesse der
Medien war groß, wurde hier doch mit vier Beschäftigten und einem
Triebwagen Erhebliches geleistet. Flexibilität, Kundennähe und guter
Service zeichneten das Angebot der PEG von Anfang an aus. Hoher persönlicher
Einsatz und gar manche Nachtschicht waren notwendig, um den schon
recht betagten Triebwagen tagtäglich am Laufen zu halten. Wichtig:
es hat funktioniert!
Im Frühjahr 1997 erreichte ein weiterer Triebwagen (ex 798 610) per Straße
die Stadt Putlitz, nachdem die Bekanntschaft mit dem Ablaufberg in Bebra
nicht ganz folgenlos geblieben war. Einige Wochen später kamen per
Schiene dann noch die Fahrzeuge 796 680 und 996 770 hinzu,
während am künftigen „T 2" schon fleißig gearbeitet wurde. Anerkennung und
Begeisterung bei den Reisenden schlugen sich in steigenden Fahrgastzahlen
nieder, so daß man bei der DB AG in Berlin das „Subunternehmer"-Modell als
durchaus erfolgreich wertete und der PEG die Verkehrsdurchführung auf
weiteren Nebenstrecken anbot. Ab Mai 1997 war „T 2" als Reservetriebwagen
verfügbar und stand dann schließlich beim Bahnhofsfest zu Pfingsten mit
im Mittelpunkt des Geschehens, als die Taufe auf den Namen „Laaske"
stattfand. Wegen des schlechten Gesamtzustandes verzögerte sich die
Aufarbeitung des 796 680, so daß kurzfristig bei einem Privatmann noch
der Triebwagen 798 644 angekauft und nach Instandsetzung als „T 3" in
Betrieb genommen wurde. Mit diesen drei Fahrzeugen erfolgte zum 01. Juni
1997 eine Übernahme der Verkehrsleistungen auf den Strecken Neustadt
(Dosse) - Kyritz und Neustadt (Dosse) - Rathenow Nord. Seit Mitte Juni
stand zusätzlich auch der vierte Triebwagen mit im Einsatz.
Parallel zu diesen Aktivitäten konnten im April 1997 zwei Loks der Baureihe
„V 100.4" (DB-Bezeichnung BR 293i) bei der Firma „PCK Schwedt" käuflich
erworben werden. Die Überführung Stendell - Putlitz fand am 02.05.1997 statt,
nach Umlackierung und Einbau von Zugbahnfunk/Indusi standen beide Maschinen
ab Sommer 1997 für gelegentliche Güterzugleistungen und Überführungsfahrten
zur Verfügung. Am 25.07.1998 fuhr die PEG mit diesen zwei Loks und
Privatgüterwagen der Firma HANIEL ihren ersten „Probezug" von Flechtingen
nach Bülstringen (Hafenvorlauf), weitere Leistungen vor Splitt-Ganzzügen
nach Falkenhagen (Prignitz) folgten im September bzw. Oktober 1997. Sehr
spektakulär gestalteten sich auch die Fahrten zur Abholung diverser
„Schienenbusse" aus dem süddeutschen Raum im Herbst, nachdem zuvor
Mitte August 1997 die zwei Triebwagen 798 532 und 798 698 Putlitz
erreicht hatten.
Kundenservice: nach über einem halben Jahr mit beschränktem Leistungsangebot
wandelte die PEG die von ihr angemietete Fahrkartenausgabe im Kyritzer
Bahnhof zum 01.02.1998 in eine DB-Vollagentur (DER) um und bietet dort
nun sämtliche gängigen Bahnwerte für das In- und Ausland sowie
Informationen rund um das Reisen mit der Eisenbahn an. Voll bewährt haben
sich auch Angebote wie Kaffee, Erfrischungsgetränke, Süßwaren, Zeitung
oder Postkarten, die man -trotz Einmannbetrieb- in allen blau-roten
„Schienenbussen" stets in Anspruch nehmen kann. Klar, daß einem die
Triebwagenführer auf Wunsch auch mit touristischen Informationen
jederzeit gern mit Rat und Tat zu Seite stehen. Kritiken der Fahrgäste
zu Fahrplanmängeln und Anschlußdefiziten wurden gemeinsam mit dem
DB-Nahverkehr mehrfach zum Anlaß genommen, gezielt Veränderungen
herbeizuführen. Manchmal sind es eben die „kleinen" Unterschiede,
die das Bahnfahren attraktiver machen!
Am 20. April 1998 entschied das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen
und Verkehr in Potsdam, die Prignitzer Eisenbahn GmbH für zwei Jahre direkt
mit der Erstellung von SPNV-Leistungen auf den Nebenstrecken Neustadt
(Dosse) - Kyritz - Pritzwalk - Meyenburg und Putlitz - Pritzwalk zu
beauftragen. Vorangegangen waren massive Stillegungsbemühungen seitens
der DB, die die Formulierung „kritische Linie mit Handlungsbedarf" im
SPNV-Plan des Landes Brandenburg ausschließlich negativ meinte
interpretieren zu müssen. Ein weiteres Mal war es wiederum nicht zuletzt
der Landkreis Prignitz, der sich aktiv für den Erhalt regionaler
Eisenbahnstrecken einsetzte. Gemeinsam mit dem Verkehrsverbund
Berlin-Brandenburg GmbH wurde inzwischen ein unterschriftsreifer
Verkehrsvertrag verhandelt, der sogar perspektivisch die teilweise
Übernahme von Schülerverkehren vorsieht. Das Schweriner Wirtschaftministerium
schließlich beauftragte die Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern,
durch geeignete Schritte die Nutzung der kostengünstigen PEG-Angebote auch
im Abschnitt (Meyenburg -) Landesgrenze - Karow - Güstrow zeitgleich
bereits zum 27. September 1998 zu ermöglichen, und bestellte kurzerhand
die entsprechenden Leistungen beim Nahverkehr der DB AG ab. Seit dem
kleinen Fahrplanwechsel zum 27. September 1998 gibt es damit durchgehende
RB-Züge Güstrow - Neustadt (Dosse) und retour, der PEG-Einstieg in die
eigene Selbständigkeit gestaltete sich relativ reibungslos und
kann damit als durchaus „gelungen" bezeichnet werden.
Seit Januar 1998 fahren regelmäßig Ganzzüge mit den beiden PEG-Loks von
Flechtingen nach Falkenhagen (Prignitz). Diese Verkehre werden in Kooperation
mit DB Cargo abgewickelt, eventuelle Leistungen auf anderen Relationen
hingegen auf eigene Rechnung. Hierzu gehören zum Beispiel Fahrten nach
Schwerin oder Neubrandenburg, ferner gab es im Juli bzw.
August 1998 Schotterlieferungen und Arbeitszugdienste für die Lübecker
Hafenbahn. Außerdem soll nicht unerwähnt bleiben, daß zusätzlich
Fahrzeugüberführungen (Dampf-, Diesel- und Elektroloks, ferner Bauzüge und
historische Waggons) unter PEG-Regie stattfanden. Im regionalen
Schienengüterverkehr gab es Gespräche mit DB Cargo zwecks Prüfung gemeinsamer
Aktivitäten im Verteilverkehr in der Fläche. Davon unabhängig unterstützt die
PEG auch die Bestrebungen entstehender NE-Bahnen in der Nachbarschaft zur
Erschließung bisher verschenkter Potentiale im regionalen
Schienen-Güterverkehr (RSGV) zum Beispiel entlang der Strecke Ganzlin - Röbel
(Meckl.). Zum Einsatz kamen hier neben den planmäßigen Bespannungen von DB
Cargo unter anderem auch PEG-Lok 4 (V 60) und ein UNIMOG-Zweiwegefahrzeug zum
Rangieren sowie die Dampflokomotive 52 8029-2 des Eisenbahnvereins „Hei Na
Ganzlin". Der Lokomotivpark der PEG erweiterte sich inzwischen um 201 001 und
228 203 aus dem Eisenbahn- und Technikmuseum Prora (Rügen) sowie außerdem
201 026 und 201 126. Während die „V 60" kürzlich Fristablauf hatte und für
eine Hauptuntersuchung vorgesehen ist, fährt die ehemalige 201 001 als
PEG-Lok 3 schon seit einigen Wochen wieder über norddeutsche Gleise. Infolge
Vermietung der V 100 steht aktuell die ersatzweise angemietete „Taigatrommel"
220 295 im Güterzugeinsatz und fährt vorrangig nach wie vor Splitt-Ganzzüge
nach Falkenhagen (Prignitz), von wo aus man das Material an diverse
Autobahnbaustellen verteilt und Betonmischwerke beliefert.
Die PEG nahm unlängst mit guten Aussichten an einer Ausschreibung zum
„Bahnbetrieb im Großraum Ludwigsfelde/Großbeeren/Teltow" teil, deren
Bestandteil Rangierleistungen und ausgewählte Bedienfahrten unter anderem
im Zusammenhang mit dem - im Bau befindlichen - Güterverkehrszentrum
Großbeeren (GVZ) sind. Erste Sondierungsgespräche mit DB Cargo haben schon
stattgefunden, weitere werden - trotz momentanem Stillstand -
sicherlich folgen.
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Bahnhof Putlitz mit den Triebwagen 1 und 6. Foto: PEG |
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Kleine Bahn vor großen Aufgaben: die Prignitzer Eisenbahn GmbH hat die
„Chance" bekommen, mit frischem Schwung und neuen Ideen aktiv am Erhalt der
Flächenbahn mitwirken zu können. Als Partner oder Wettbewerber der
DB-Verkehrsbereiche, immer aber vor allem im Dienste des Kunden. Derzeit
beschäftigt die PEG rund 30 Mitarbeiter, Tendenz steigend.
Um die neuen Aufgabenfelder im SPNV abdecken zu können, macht sich die
Aufarbeitung weiterer „Schienenbusse" erforderlich. Viele Arbeiten werden
dabei in eigener Werkstatt erstellt, einige Leistungen jedoch auch
hinzugekauft. Als erster Triebwagen verließ „T 5" mit frischer
Hauptuntersuchung und modernisiertem Fahrgastraum in den Hausfarben blau-rot
den Putlitzer Schuppen, weitere Fahrzeuge kamen hinzu. Die erfolgreiche
Zusammenarbeit mit dem Nahverkehr Berlin-Brandenburg der DB AG wird zumindest
auf der Linie Neustadt-(Dosse) - Rathenow fortgeführt - ... und auch in
Zukunft kann man wohl davon ausgehen, desöfteren positive Neuigkeiten
von der PEG zu hören.
Zum Abschluß sei noch angemerkt, daß vsl. Mitte Dezember die
Verkehrsübernahme für die Strecke Neustadt (Dosse) - Neuruppin ansteht,
während im Abschnitt Neuruppin - Herzberg die DB AG perspektivisch mit einer
Flügelung von Prignitz-Expreß"-Zügen und der Durchbindung nach Rheinsberg
als bedarfsorientierteste Lösung zum Zuge kommen soll. Die Verhandlungen
sind angelaufen.
Prignitzer Eisenbahn GmbH
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