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Probleme bei der derzeitigen Angebotsgestaltung
In den letzten Wochen hat die DB AG einmal mehr für Negativ-Schlagzeilen
in der Presse gesorgt, als Pläne bekannt wurden, ab 27. September 1998
62 Fernzüge
überwiegend im InterRegio-Verkehr (IR) einzustellen bzw. bei 42 weiteren
Verbindungen den Laufweg zu verkürzen. Erstaunt hat dann auch fast nicht
mehr die Tatsache, daß die Einschnitte in den ostdeutschen Bundesländern
besonders drastisch ausfallen sollten.
Betroffen wären vor allem die Relationen Berlin - Cottbus - Görlitz und
Berlin - Stralsund. Auch wenn diese Pläne zumindest zu obigem Termin erst
einmal nicht verwirklicht wurden, müssen doch die derzeitigen Probleme
beim IR-Verkehr endlich gelöst werden. Schon seit längeren wurden
seitens der Fahrgastverbände bei diesem Zugsystem aus nachfolgend
beschriebenen Gründen Angebotsreduzierungen befürchtet.
Angebotsstruktur
In einigen Relationen besteht eine direkte Konkurrenz zwischen dem
Interregio- und Regionalexpreßangebot. So werden z.B. zwischen Berlin und
Stralsund die gleichen Fahrzeiten erreicht, obwohl der Regional-Expreß sogar
einige zusätzliche Verkehrshalte bedient. Unbefriedigend ist die derzeitige
Situation auch dadurch, daß der
RegionalExpreß-Verkehr als Bestandteil des Nahverkehrsangebotes von den
einzelnen Bundesländern bestellt und bezahlt wird, der IR-Verkehr sich
dagegen als Produkt des Schienenpersonennahverkehrs wirtschaftlich
selbst tragen muß.
Verschärft wird die Situation in Berlin nicht zuletzt dadurch, daß die in
den genannten Relationen verkehrenden RegionalExpreß-Zügen über die Stadtbahn
geführt werden und damit die Innenstadt kundenfreundlich erschließen, der
IR-Verkehr aber - aufgrund der Probleme bei der Wiederinbetriebnahme der
Stadtbahn - zu einem Großteil zum Bahnhof Berlin-Lichtenberg verlagert
wurde und dort, entgegen ersten Planungen, auch verbleiben wird.
Tarife
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Aussichtswaaen, wie hierzwischen Toronto und Vancouver, könnten auch eine InterRegio-Fahrt "beleben“. Foto: Christian Schultz. 1998 |
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Konkurrenz besteht zwischen Interregio- und Regionalverkehr auch in
diesem Bereich. So gibt es mit dem „Schönen Wochenende-Ticket“ ein sehr
attraktives Tarifangebot im Regionalverkehr, etwas Vergleichbares im
Fernverkehr fehlt dagegen. Völlig unverständlich und unsensibel war in
diesem Zusammenhang auch die letzte Tariferhöhung im April 1998, die
fast einen Gleichstand zwischen den Tarifgebieten A und B gebracht hat;
nicht berücksichtigt wurde dabei, daß die Kaufkraft in den neuen
Bundesländern weiterhin deutlich geringer ist.
Komfort
Auch hier schwindet der Vorsprung des IR-Angebotes zusehends. In vielen
Relationen wird zum Beispiel bei den IR-Zuggarnituren versäumt, einen
Bistro-Wagen als Serviceleistung einzusetzen. Andererseits bieten die
beispielsweise auf der Regional Expreß-Linie RE1 zwischenzeitlich
eingesetzten neuen Doppelstockwagen (RE 160-Wagen) einen hervorragenden
Fahrkomfort. Ein Grundangebot an Speisen und Getränken ist in diesen
Zügen ebenfalls vorhanden.
Falls diese Planungen der DB AG einmal umgesetzt werden sollten, hat der
Bahnkunde das Nachsehen. Das Angebot wird ausgedünnt, schlechtere Anschlüsse
und längere Reisezeiten sind die Folge. Ein Unding, wenn man bedenkt, daß an
anderen Stellen Milliarden an Steuergeldern investiert werden, um attraktive,
kurze Reisezeiten zu ermöglichen! Verkehrspolitisch sind die geplanten
Einsparungen auch deshalb ein fatales Zeichen, da das Ziel der Bahnreform
ja gerade ist, mehr Verkehr an der Straße auf die Schiene zu verlagern.
Auf Nachfragerückgänge nach den unzähligen Negativschlagzeilen im Zusammenhang
mit dem ICE-Unglück von Eschede und dem Chaos bei der Wiederinbetriebnahme
der Stadtbahn mit einem derartigen „Streichkonzert" zu reagieren,
zeugt von einer blamablen Geschäftspolitik.
Bessere Angebote sind gefragt!
Keinesfalls ist sichergestellt, daß die durch mögliche Einschränkungen beim
IR-Verkehr entfallenden Zugkilometer z.B. durch RegionalExpreß-Züge ersetzt
werden; im Gegenteil: auch die Regionalisierungsmittel wurden zwischenzeitlich
in ihrer heutigen Größenordnung in Frage gestellt. Um so notwendiger ist es
unseres Erachtens daher, das IR-Angebot weiterzuentwickeln. Die hier
vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen beziehen sich dabei auf die
Bereiche Tarife, Fahrplangestaltung und Komfort/Service.
Bessere Tarife!
Begrüßenswert ist, daß die DB AG das Angebot „Sommer Spezial" zu erweiterten
Konditionen (leider zeitlich begrenzt) als „Herbst Spezial" fortführt. So
können Fahrgäste künftig zu einem Pauschalpreis von 69,- DM (Bahncard-Besitzer
für 49,- DM) täglich außer freitags und sonntags ab 9 Uhr in ganz Deutschland
sämtliche IR-Verbindungen für eine beliebig lange Fahrstrecke nutzen, von
19.00 Uhr an alle anderen Züge. Die Rückfahrt am gleichen Tag ist wie die
Hinfahrt in diesem Pauschalpreis enthalten.
Unbefriedigend aus Fahrgastsicht sind allerdings auch hier die
Ausnahmeregelungen, die das Tarifsystem mit seiner Vielzahl von Angeboten
insbesondere für den Fahrgast, der die Bahn nur gelegentlich nutzt, wieder
ein Stück unübersichtlicher machen. Unseres Erachtens wollten die Konditionen
für das Angebot „Herbst Spezial"
bzw. für das Nachfolgeangebot verbessert werden: Vorstellbar wäre die
Einführung eines gestaffelten Pauschaltarifes speziell für den IR-Verkehr:
- Entfernung < 400 km > 400 km
2. Klasse 50,- DM 70,- DM
1. Klasse 80,-DM 100,-DM
- Die Rückfahrt am gleichen Tag wie die Hinfahrt sollte in den
Pauschaltarif eingeschlossen sein.
- Gültigkeit: Montag, 0.00 Uhr, bis Freitag, 3.00 Uhr
- 50 % Rabatt: (in beiden Wagenklassen)
für Kinder bis 18 Jahre und Rentner.
Die Reservierungsgebühr für Sitzplätze sollte auf 3,- DM pro Fahrkarte
begrenz werden (unabhängig von der Anzahl der Fahrgäste, für die die
Fahrkarte ausgestellt wurde).
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InterRegio bei der Durchfahrt durch den Bf Alexanderplatz. Foto: Christian Schultz, 1998 |
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Für Fahrten am Wochenende ist es unseres Erachtens sinnvoller, das inzwischen
in der Öffentlichkeit sehr bekannte und gut genutzte Angebot „Schönes
Wochenende-Ticket" auf den IR-Verkehr auszudehnen, anstatt hier das Angebot
„Herbst Spezial" anzubieten. Denkbar wäre z.B. ein Tarif für dieses
erweiterte „Schöne Wochenende-Ticket" von 50,- DM in der 2.Klasse (anstatt
35,- DM bislang) und - als zusätzliches Angebot ausschließlich für den
InterRegio - 100,- DM in der 1. Klasse. Damit könnte auch die zeitweise
Überlastung der Regionalzüge mit zum Teil unbefriedigender
Beförderungsqualität, verbunden mit entsprechendem Ärger für den Kunden,
reduziert werden. Mittelfristig bildet die Einführung des
Relationspreissystems die Chance, insbesondere schwächer genutzte IR-Linien,
wie zum Beispiel Berlin - Rostock, tariflich attraktiver als derzeit zu
gestalten und so das IR- Netz mindestens zu erhalten.
Bessere Fahrplangestaltung
Bezüglich der Fahrplangestaltung sollten folgende Verbesserungen
umgesetzt werden; berücksichtigt wurden in dieser Aufstellung ausschließlich
IR-Verbindungen, die den Raum Berlin erschließen.
- Um das Stadtgebiet Berlins im Inter-Regio-Verkehr attraktiv zu
erschließen, ist die kurzfristige Rückverlagerung der zur Zeit nach
Berlin-Lichtenberg umgeleiteten IR-Züge auf die Stadtbahnstrecke
erforderlich.
IR-Linie 34
(Dresden/Chemnitz - Berlin - Rostock)
a) Zwischen Rostock und Berlin sollte eine Tagesrandverbindung
(Abfahrt in — Rostock ca. 20.00 Uhr) eingeführt werden, um die Bahn in
dieser Relation insbesondere für Tagestouristen attraktiver zu machen.
b) Um die im laufenden Fahrplan bestehende Konkurrenz zwischen InterRegio-
und RegionalExpreß-Angebot im Abschnitt Berlin - Elsterwerde (bedingt
durch die praktisch gleiche Fahrplanlage) zu beseitigen, sollte
unbedingt eine zeitliche Entzerrung vorgenommen werden.
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IR-Linie 32
(Berlin-Cottbus-Görlitz)
Um den relativ kurzen Zuglauf in dieser Relation zu vermeiden,
sollte die Inter-Regio-Linie Aachen-Berlin, alternativ
Schiphol—Berlin bis Cottbus verlängert werden.
Auf die Weiterführung der Züge bis Görlitz kann verzichtet werden unter der
Voraussetzung, daß in Cottbus direkte Anschlüsse zwischen InterRegio- und
Regionalzügen gewährleistet
werden. Eine für den Bahnkunden sehr interessante Neuerung wäre sicherlich
eine direkte IR-Verbindung zwischen Berlin, Görlitz und dem Riesengebirge;
ein derartiges Angebot sollte mindestens an Wochenenden und
Feiertagen bestehen.
Weiterhin müßten Möglichkeiten zur Beschleunigung des IR-Vekehrs geprüft
werden, um attraktivere Reisezeiten im Vergleich zur Autobenutzung zu
erreichen. Stellvertretend seien hier die Relationen Berlin - Rostock
(hier sorgt schließlich die Autobahn für erhebliche Konkurrenz) und die -
bereits erwähnte - IR-Strecke Berlin - Pasewalk - Stralsund genannt.
Besserer Komfort und Service
Aus Sicht des Bahnkunden wäre vorrangig die konsequente Einhaltung der
seitens der DB AG selbst vorgegebenen Qualitätsmerkmale zu fordern,
insbesondere der Einsatz von Bistrowagen. Da der Interregio unter anderem
eine wichtige Funktion bei der Erschließung der Urlaubsgebiete erfüllt, wäre
der Einsatz von Aussichtswagen, wie sie z.B. in der Schweiz oder auch in
Kanada üblich sind und sich bei den Reisenden großer Beliebtheit erfreuen,
eine interessante Bereicherung. Zur Verbesserung der Serviceleistungen
im Zug sollte generell eine Mahlzeit im Fahrpreis enthalten sein (bei den
Nachtautoreisezügen ist zum Beispiel das Frühstück im Fahrpreis enthalten).
Zur Gewährleistung der Versorgungslogistik ist hierbei sicherlich eine
Verknüpfung mit der Platzreservierung sinnvoll.
Es ist sehr zu hoffen, daß sich die Angebotsgestaltung der DB
AG künftig stärker an den Wünschen der Bahnkunden orientiert, damit
das Ziel, deutlich mehr Verkehrsleistungen als bisher auf der Schiene
abzuwickeln, nicht letztlich Wunschdenken bleibt.
IGEB, Abteilung Fernverkehr Deutscher Bahnkunden-Verband,
Hauptverband, Landesverbände Berlin und Brandenburg
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