Die Ausgangslage
Der Bahnhof Berlin-Schöneweide und sein
Umfeld befinden sich immer noch fast im
Zustand des letzten Umbaus in den 1970er
Jahren. Dazu kommt der erschreckend
schlechte Pflegezustand aller Anlagen.
Die grundlegenden Planungsmängel der
alten Anlagen sind: die langen Umsteigewege
zwischen Bahn und Tram/Bus, die Isolierung
des Bahnhofs von seinem nördlichen
Einzugsgebiet (Niederschöneweide) durch
die siebenstreifige Michael-Brückner-Straße,
die Umwege für einen barrierefreien Zugang
vom südlichen Einzugsgebiet (Johannisthal),
die schlechten Umsteigeverhältnisse
zwischen den nördlich und südlich des
Bahnhofs verlaufenden Buslinien und die
beschränkte Nutzbarkeit der Wendeschleife
für Bus und Bahn auf der Südseite.
Der letzte Punkt fiel bisher nicht ins Gewicht,
weil hinter dem Einzugsgebiet Johannisthal
die Grenze und damit auch das Ende
des Straßenbahn-Bereichs lagen. Spätestens
mit Eröffnung der Neubaustrecke Wista
II von Adlershof nach Schöneweide wird
die Schaffung einer Wendemöglichkeit für
von Süden kommende Straßenbahnen aber
unumgänglich. In diesem Zusammenhang
bietet sich eine gleichzeitige Verbesserung
der unübersichtlichen und beengten Wendestelle
für die Busse an.
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Um die Straßenbahndurchfahrt unter den S-Bahn- und Regio-Gleisen möglichst schmal und billig ausführen zu können, ist eine in der Position ungünstige Haltestellenlage geplant, bei der Fahrgäste entweder ein weiter Weg auferlegt wird, oder die Gleise im Haltestellenbereich überschritten werden müssten. Stattdessen fordert die IGEB, den Tunnel breiter auszuführen, die Haltestellen unter die Bahnsteige zu verlegen und direkte Abgänge zu schaffen. Sollte dies nicht möglich sein, wäre alternativ eine Bahnhofsumfahrung denkbar, bei der Straßenbahn- und Busfahrgäste gleichermaßen von querungslosen direkten Umsteigewegen profitieren würden. Grafiken: Holger Mertens |
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Die Isolierung des Bahnhofs von Niederschöneweide
aus war damals so gewollt,
weil der betreffende Abschnitt im Straßenzug
Köpenicker Landstraße - Adlergestell
liegt, der damals eine wichtige Zubringerfunktion
zum Flughafen Schönefeld und
zum nationalen Autobahnnetz hatte; deshalb
sollte der Querverkehr zu dieser Achse
möglichst minimiert werden. Während die
Straßenbahn nicht zu vernünftigen Kosten
in einer anderen Ebene versteckt werden
konnte, war das mit den Fußgängern machbar,
die einen Tunnel bekamen, der erst im
Zuge eines EU-geförderten Umbaus in den
1990ern barrierefrei wurde.
Mittlerweile hat sich aber die großräumige
Verkehrslage grundlegend gewandelt.
Die Zubringerfunktion für den Straßenverkehr
von damals nimmt heute die Teltowkanal-Autobahn A113 wahr und im Zuge
der städtebaulichen Aufwertung (oder
auch Gentrifizierung) der Wohngebiete
Ober- und Niederschöneweide ist auch
der Bedarf für eine fuß- und radfreundliche
Erreichbarkeit aus diesen Gebieten
stark gestiegen. Oberschöneweide ist
seit 2007 durch eine Brücke für Fußgänger
und Fahrradfahrer über die Spree
besser an den Bahnhof angebunden.
Der Zustand des Fußgängertunnels
zeigte trotz mehrmaliger Renovierung,
dass eine solche Anlage immer nur
zweite Wahl gegenüber einer ebenerdigen
Straßenquerung ist, bei der keine
wartungsintensiven und trotzdem
ausfallenden Fahrtreppen und Aufzüge
nötig sind; schließlich setzte ein Brandanschlag
in der Silvesternacht 2016 den
Tunnel ganz außer Betrieb und das zeigt
deutlich, welche Kosten und Hindernisse
der frei fließende Autoverkehr verursacht.
Die Planung des Senats
Der Fahrgastverband hat schon vielfach
die seit dem Mauerfall gegebenen Versprechen
der jeweils Regierenden für besseren
öffentlichen Verkehr als Lippenbekenntnisse
entlarvt. Auch der Umbau des Bahnhofs
Schöneweide ist ein besonders deutliches
Zeichen dafür, worauf wir schon bei Einleitung
des alten Planfeststellungsverfahrens
im SIGNAL Heft 6/2008 hinwiesen (Grafik
„Geplant“). Hier noch einmal in Kurzform unsere
Hauptkritikpunkte:
- Der wichtigste Mangel der Altanlage wird
durch die Senatsplanungen nicht beseitigt:
umsteigende Fahrgäste müssen weiterhin
lange Wege zwischen Straßenbahn und Bus
einerseits sowie S- und Regionalbahn andererseits
zurücklegen und einen Teil davon
sogar wie heute ohne Wetterschutz.
- Das Umsteigen zwischen den Buslinien
auf beiden Seiten des Bahnhofs wird ebenfalls
nicht verbessert. Weiterhin muss von
den Johannisthaler Buslinien durch das gesamte
Bahnhofsgelände zur Linie 165 Treptow
- Köpenick gelaufen werden.
- Die Fahrgäste müssen jahrelange Betriebseinschränkungen
hinnehmen, ohne dafür
durch die angesprochenen Verbesserungen
entschädigt zu werden.
- Der gesamte Umbau firmiert unter „Verbesserung
des ÖPNV-Knotens“ und wird darum
aus dem Haushalt für den öffentlichen
Verkehr finanziert, obwohl der Autoverkehr
den größten Nutzen davon hat; die Entfernung
der Straßenbahn aus der Bahnunterführung
am Sterndamm schafft für den motorisierten
Individualverkehr zwei zusätzliche
Fahrspuren!
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„Durch diese hohle Gasse muss sie kommen“, die Straßenbahn aus Johannisthal. In nahezu gerader Verlängerung der Brückenstraße wird der hinten zu sehende Bahndamm der Görlitzer Bahn unter den Bahnsteigenden des Bahnhofs Schöneweide durchstochen. Foto: Matthias Gibtner |
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Besonders Punkt 4 muss bedenklich stimmen,
denn für den motorisierten Individualverkehr
(MIV) stehen mit den benachbarten
Unterführungen Rixdorfer Straße, Rudower
Chaussee und Köpenicker Straße (Glienicker
Weg) mehrere leistungsfähige Alternativen
zum Queren der Görlitzer Bahn in Richtung
Autobahn zur Verfügung. Indem der Autoverkehr
gefördert und erleichtert wird mit
Mitteln, die dem ÖPNV entzogen werden,
distanziert sich der Senat ein weiteres mal
von seinen offiziellen verkehrspolitischen
Zielen.
Die Alternativen
Die wichtigste Forderung der Fahrgäste
nach kurzen Umsteigewegen zu den Bahnsteigen
lässt sich am besten mit der Platzierung
der Haltestellen unter dem Bahndamm
mit direkten Treppenverbindungen auf die
Bahnsteige realisieren. Dafür kann man von
zwei grundsätzlichen Prämissen ausgehen:
entweder der geplante Querschnitt des
neuen Tunnels unter den Bahngleisen wird
nicht aufgeweitet, dann ist die zusätzliche
Anordnung von Haltestellen für beide Straßenbahngleise
nicht möglich. Darum wäre
eine Lösung mit Richtungsbetrieb der Straßenbahn
durch beide Unterführungen hier
angebracht. Oder die Haltestellen beider
Richtungen werden in dem neuen Tunnel
angeordnet, der dazu einen deutlich aufgeweiteten
Querschnitt bekommt.
In beiden Fällen sollten die Bushaltestellen
und die Buswendeschleife mit der Straßenbahn
kombiniert und dadurch kurze
Umsteigewege zwischen den nördlichen
und südlichen Buslinien geschaffen werden.
Wenn dadurch der MIV auf seine geplanten
vier exklusiven Fahrspuren unter der
Brücke „Am Sterndamm“ verzichten muss,
dürfte das angesichts der oben geschilderten
vielfachen Verbesserungen für den Umweltverbund
und der verkehrspolitischen
Ziele dieses Senats kein Problem sein.
Die eingleisige Umfahrung
In der Grafik „Alternative“ ist das Prinzip der
eingleisigen Führung mit Tunnelhaltestelle
unter den Bahnsteigen zu sehen. Die vom
Sterndamm kommenden Buslinien sollten
denselben Weg nehmen und lediglich ihre
Aufstellflächen separat bekommen. Diese
Variante bietet in allen Relationen die besten
Umsteigebedingungen und integriert
die von beiden Seiten nutzbare Wendeschleife
ohne übermäßigen Platzbedarf in
die durchgehende Streckenführung.
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Die Eisenbahnbrücken über den Sterndamm. Der alte Senat hatte keine Aufweitung der Durchfahrt bestellt und wollte den Straßenbahntunnel dazu nutzen, den eigenen Bahnkörper der Straßenbahn dem Autoverkehr zuzuschlagen. Foto: Matthias Gibtner |
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Vom Grundgedanken der eingleisigen
Bahnhofsumfahrung ausgehend, bietet
sich nur für die Fahrtrichtung Süden die Haltestellenlage
unter den Brücken am Sterndamm
an. Um aussteigenden Fahrgästen
der von Norden kommenden Linien einerseits
den barrierefreien Weg zu den Bahnsteigen
zu verkürzen und andererseits die
Geschäfte im und um den Bahnhof leichter
zugänglich zu machen, sollte unmittelbar
vor dem alten Empfangsgebäude eine weitere
Haltestelle angelegt werden - also noch
näher am Eingang als die heute bestehende.
Die von Johannisthal kommenden und
hier endenden Buslinien könnten dann parallel
zur Straßenbahn vor der Brückendurchfahrt
ihre Wartepositionen und Einstiegshaltestellen
bekommen. Damit würden
lediglich die Aufstellgleise der Straßenbahn
südlich des Bahndamms verbleiben, die
aber ohne weitere Haltestellen-Ausstattung
nur noch einen Bruchteil der vom Senat geplanten
Wendefläche beanspruchen würden. Außerdem wäre durch die Haltestelle in
der Michael-Brückner-Straße das Umsteigen
zum Bus auf derselben wesentlich einfacher.
Aufgrund der starken Belegung der ÖPNV-Spuren
und -Haltestellen ist auch unter den
Bahnbrücken eine vollständig vom MIV separierte
Führung ratsam. Da alle Abbieger
in die Straße „Am Sterndamm“ nur einspurig
trassiert sind, stellt der ebenso große Querschnitt
unter den Bahnbrücken keine Kapazitätseinbuße
für den Autoverkehr dar.
Kritiker werden dieser Lösung die Eigenkreuzung
der Straßenbahntrasse vorwerfen,
die zu einer begrenzten Durchlassfähigkeit
führt. Hierzu zwei Entlastungsargumente:
Statt des eingangs angesprochenen gesperrten
Fußgängertunnels sollte eine nutzerund
stadtverträgliche Anbindung des Bahnhofs
an den Ortsteil Niederschöneweide über
eine lichtsignalgeregelte Fußgängerquerung
erfolgen, deren Phasen das Überqueren der
gesamten Straßenbreite in einem Zug ermöglichen
müssen. Die dafür nötigen Sperrzeiten
für den Autoverkehr sollten ausreichen, genügend
Straßenbahnen passieren zu lassen.
Die prognostizierten Zugzahlen, die den
„Engpaß“ Richtung Brückenstraße passieren
werden, liegen bei maximal 18 pro Stunde
und Richtung in der Hauptverkehrszeit
(HVZ), sonst 12-15. Also nur alle 3-4 Minuten
passiert eine Bahn diesen Knoten in jeder
Richtung. Da bleiben genug Zwischenzeiten
sowohl für das Kreuzen der Gegenzüge als
auch für den querenden MIV.
Auf der Seite Johannisthal kommen zwar
auch die in die Schleife fahrenden Busse
dazu, aber die auf dem Sterndamm geringere
MIV-Belastung lässt dort längere Sperrzeiten
zugunsten des öffentlichen Verkehrs
zu. Offiziell war die Entlastung dieser Straße
einer der Gründe für die mit Millionenaufwand
gebaute Teltowkanal-Autobahn.
Ein weiterer Gewinn dieser Variante wäre
die Nutzbarmachung des Geländes südlich
des Bahndamms für die Stadtentwicklung,
da dort keine großflächige Kombi-Wendeschleife
benötigt wird. Die an dieser Stelle
verbleibenden parallelen Aufstellgleise der
Straßenbahn nehmen nur einen Bruchteil
des Platzes der Senatslösung ein, während
das Gelände nördlich des Bahnhofs von der
Lage und Fläche ideal für alle Funktionen
eines ÖPNV-Knotens geeignet ist.
Die zweigleisige Unterführung
mit Haltestelle
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Langer Weg von den bisherigen Haltestellen zum Bahnhofseingang (rechts außerhalb des Bildes), dann folgt noch ein längerer Weg im Bahnhof. Laut Senatsplanung verkürzt die neu zu bauende Haltestellenlage (im Rücken des Fotografen) diesen Weg nicht wesentlich. Foto: Matthias Gibtner |
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Die Grafik „Gefordert“ zeigt das Prinzip der
Haltestellenlage nach Bau eines aufgeweiteten
ÖPNV-Tunnels. Gegenüber der Alternativlösung
müssen sich die Straßenbahn-Fahrwege nicht mehr kreuzen und die geplante
Südzufahrt mit der Wendeanlage für
die Straßenbahnen muss nicht umgeplant
werden. Die wichtigste Verbesserung ist
die Lage beider Richtungshaltestellen am
barrierefreien Hauptzugang der Bahnsteige.
Wenn die Busse auch davon profitieren
sollen, dann müssen sie auf der Nordseite
wenden.
Wenn die Kombi-Wendeschleife in der
vom Senat geplanten Form gebaut wird,
ist der Hauptnachteil die schlechtere Einbindung
der Buslinien von der Südseite.
Das betrifft sowohl das Umsteigen zu den
Bahnen als auch die Verbindung der Buslinien
untereinander auf beiden Seiten des
Bahnhofs. Trotz dieser Nachteile sei aber
nochmals betont: gegenüber der Senatsplanung
wäre auch das noch eine Verbesserung,
insbesondere für die Straßenbahnfahrgäste!
Angesichts der Tatsache, dass vor allem
die Straßenbahn über Jahrzehnte ein Opfer
schlecht geplanter Infrastrukur-Neubauten
wäre, wurde diese Lösung von uns präsentiert,
um den Bedenkenträgern in den
Planungsbüros zu zeigen, dass ohne Scheuklappen
für unkonventionelle Lösungen sogar
mehrere Alternativen zur bestehenden
Planung möglich sind.
Fazit
Die bisher verfolgte Senatsplanung weist
aus Fahrgastsicht mehrere schwerwiegende
Mängel auf. Das davon ausgerechnet der
Autoverkehr profitiert, ohne dafür zu bezahlen,
ist angesichts der offiziell verkündeten
neuen Senatspolitik ein guter Grund, Alternativen
für das Planfeststellungsverfahren
zu entwickeln. Ein „weiter so“ wäre hier der
eigentliche Skandal.
Die zwei Vorschläge des Berliner Fahrgastverbandes
zeigen die geforderten Alternativen
mit besseren Umsteigemöglichkeiten,
optimierter Einbindung des Busverkehrs
und der Nutzbarmachung städtebaulicher
Entwicklungsflächen im südlichen Bahnhofsumfeld.
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Der Umsteigeverkehr zwischen Straßenbahn, Bus, S-Bahn und Regionalverkehr ist in Schöneweide zu allen Tageszeiten enorm und wird durch die Ausweitung des Angebots in Zukunft noch zunehmen - warum er in den Planungen so schlecht weg kommt, ist für die IGEB unverständlich. Foto: Matthias Gibtner |
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Kritikern, die eine jahrzehntelange Verzögerung
des Umbaus befürchten, ist zu
sagen: Wir erwarten für dieses und alle
künftigen Planfeststellungsverfahren
eine sachgerechte und darum auch zügige
Durchführung durch den Senat und
die BVG. Solche Pannen wie das drohende
Verfallsdatum für die Straßenbahn
Wista I in Adlershof oder den Verlust der
Genehmigungsfähigkeit für den Umbau
Schöneweide sollten dann ausgeschlossen
sein. Trotzdem sollte bei langlebigen Bauinvestitionen
die nötige Sorgfalt an den Tag
gelegt werden. Bahn-Infrastruktur ist keine
Bananen-Ware, die beim Kunden noch reift.
Einmal gebaut, müssen Stadt und Bürger
für Jahrzehnte damit leben. Darum Augen
auf bei der Entwurfswahl und Alternativen
sorgfältig prüfen! (af) IGEB Stadtverkehr
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