Ende September 2017 hat die Europäische Kommission die Neufassung der Verordnung
über die EU-Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr veröffentlicht. Während
einerseits einige Vorschläge (z. B. bezogen auf das Auslaufen von Ausnahmeregelungen)
aus Fahrgastsicht zu begrüßen sind, beinhaltet der Verordnungsentwurf
andererseits leider auch deutliche Rückschritte.
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Über das Buchungsportal von Thalys kann zum Beispiel keine „Durchgangsfahrkarte“ von Hannover nach Paris erworben werden. Aber auch für mehrere Fahrausweise für eine Reisekette müssen Fahrgastrechte vollumfänglich gelten. Ausnahmeregelungen, wie im Entwurf der Neufassung der Fahrgastrechte-Verordnung vorgesehen, sind ein Rückschritt. Foto: Christian Schultz |
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Bislang sind in der Europäischen Union (EU)
die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im
Eisenbahnverkehr durch die Verordnung
(EG) Nr. 1371/2007 vom 23. Oktober 2007 geregelt.
Reisende können auf dieser Grundlage
eine Entschädigung verlangen, wenn
zwischen dem auf dem Fahrausweis angegebenen
Abfahrts- und Zielbahnhof bei der
Ankunft eine Verspätung von mindestens 60
Minuten eingetreten ist. Die Höhe der Entschädigung
hängt dabei vom Preis für das
Ticket ab und beträgt
- 25 Prozent des Fahrpreises bei einer Verspätung
von 60 bis 119 Minuten, bzw.
- 50 Prozent des Fahrpreises ab einer Verspätung
von 120 Minuten und mehr.
Beinhaltet das jeweilige Ticket sowohl die
Hin- als auch die Rückfahrt, wird die Entschädigung
auf Grundlage des halben entrichteten
Fahrpreises errechnet.
Auch für Zeitkarteninhaber sind Regelungen
getroffen: So werden beispielsweise Inhaber
der BahnCard 100 mit 10 Euro in der 2.
Klasse und 15 Euro in der 1. Klasse entschädigt.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat
am 26. September 2013 darüber hinaus
entschieden, dass Eisenbahnunternehmen
auch dann nicht von der Pflicht zur
Fahrpreiserstattung
befreit sind, wenn
die Verspätung durch höhere Gewalt, d. h.
durch einen Orkan, einen Streik oder einen
Unfall verursacht wurde.
Diese Regelung geht jedoch deutlich über
Entschädigungsregelungen anderer Verkehrsträger
hinaus. Mit der Neufassung der
Fahrgastrechte-Verordnung sollen daher
Entschädigungsansprüche für Bahnkunden
nun zumindest in Fällen „schlechter Witterungsbedingungen
oder großer Naturkatastrophen“
eingeschränkt werden. Dies
führt in der Folge leider zu einer deutlichen
Verschlechterung des Verbraucherschutzniveaus.
Außerdem sind die Begrifflichkeiten
„schlechte Witterungsbedingungen oder
große Naturkatastrophen“ in dem Verordnungsentwurf
ungenügend definiert und
lassen einen entsprechend großen Interpretationsspielraum
zu.
Es besteht mit dieser Novellierung zudem
ein erhebliches Risiko, dass Eisenbahnverkehrsunternehmen
den Zugbetrieb sowohl
zeitlich als geografisch in viel größerem
Umfang einstellen, als aufgrund der Witterungsverhältnisse
notwendig.
Angesichts der Zunahme von Extremwetterereignissen
würde z. B. die DB Netz AG
indirekt sogar dafür belohnt, wenn sie zur
Kostenreduzierung lediglich ein Minimalprogramm
der Vegetationspflege entlang
der Strecken umsetzt. Die letzten Orkane
„Xavier“, „Herwart“ und „Friederike“ haben
leider den akuten Handlungsbedarf in diesem
Bereich gezeigt.
Ein Beispiel: Nachdem am Donnerstag,
dem 5. Oktober 2017 der Betrieb u. a. auch
auf der wichtigen Strecke Berlin—Hamburg
infolge des Orkans „Xavier“ wegen des hohen
Risikos für den Zugverkehr eingestellt
worden war, standen beide Streckengleise
wegen des umfangreichen Instandsetzungsaufwands
erst am 11. Oktober wieder
vollständig zur Verfügung. Derartige
Zustände sind speziell bei überregional
bedeutsamen Strecken inakzeptabel. Daher
dürfen die Bahnunternehmen nicht aus
der notwendigen Vorsorgeverantwortung
entlassen werden. Auf die bisherige, praxisgerechte
Regelung der Entschädigungsansprüche
auch im Fall höherer Gewalt darf
keinesfalls verzichtet werden!
Allerdings schwächt es ausgerechnet den
klimaschonenden Verkehrsträger Schiene
im intermodalen Wettbewerb, d. h. im Vergleich
beispielsweise zu Fernbus oder Flugzeug,
wenn entsprechende Regelungen –
und damit auch Kosten – bei den konkurrierenden
Verkehrsträgern fehlen. Dies bedarf
der raschen Korrektur.
Anstatt die Entschädigungsansprüche für
Bahnkunden zu reduzieren, muss die Europäische
Kommission vielmehr dafür sorgen,
dass endlich die Fahrgastrechte bei anderen
Verkehrsträgern an das hohe Niveau des Eisenbahnverkehrs
angeglichen werden! Wie
unterschiedlich und damit wettbewerbsverzerrend
die Entschädigungsregelungen derzeit
sind, zeigt der Vergleich ausgewählter
Einzelregelungen in der Tabelle auf Seite 29.
Es ist auch Aufgabe der neuen Bundesregierung,
sich mit Nachdruck bei der EU für
eine Angleichung der Fahrgastrechte einzusetzen!
Erhebliche Regelungslücken bei
„Durchgangsfahrkarten“
Bei grenzüberschreitenden Reisen können
zurzeit wegen der Zuständigkeit von in der
Regel unterschiedlichen Verkehrsunternehmen
oftmals keine durchgehenden Fahrkarten
ausgestellt werden. Der Verordnungsentwurf
sieht hier leider keine Korrekturen
der derzeitigen Praxis vor.
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Foto: Christian Schultz |
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Die Neufassung der EU-Fahrgastrechte-Verordnung sieht u. a. im Fall der Fahrradmitnahme deren ständige Beaufsichtigung vor: Zumindest für Fernverkehrszüge ist das eine fragwürdige Forderung, wie die sicheren Abstellmöglichkeiten im neuen ICE 4 bzw. im Nachtreisezug zeigen. Foto: Christian Schultz |
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Die Ausstellung von „Durchgangsfahrkarten“
innerhalb der Europäischen Union muss
dagegen, unabhängig von den Verkehrsunternehmen
entlang der Reisekette, endlich
verbindlich werden. Das alleinige Bemühen
der Eisenbahnverkehrsunternehmen (Zitat
aus dem Verordnungstext: „… nach besten
Kräften … “) reicht nicht aus und verhindert
letztlich entsprechende Verbesserungen der
derzeitigen Praxis. Weiterhin führt diese für die
betroffenen Bahnunternehmen recht komfortable
Regelung bei Fahrgästen zu Problemen
bei der Wahrnehmung von Fahrgastrechten.
In dem Entwurf der Fahrgastrechteverordnung
wurde leider ein völlig ungeeigneter
Versuch unternommen, das Problem bei
verknüpften Beförderungsverträgen zu lösen.
Formal hat entsprechend dem Verordnungsentwurf
ein Fahrgast im Fall mehrerer
Einzeltickets zwischen Abfahrts- und Zielort
die gleichen Rechte bezüglich Betreuung
und Entschädigung wie bei einer „Durchgangsfahrkarte“.
Es ist jedoch vorgesehen,
dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen
von diesem Pflichtangebot befreit werden,
wenn dies den Fahrgästen ausdrücklich und
schriftlich mitgeteilt wird.
Es ist daher zu befürchten, dass von dieser
Ausnahmeregelung seitens der Unternehmen
entsprechend rege Gebrauch gemacht
wird und diese sich auf diese Weise
aus der Verantwortung ziehen. Das darf jedoch
nicht Sinn einer Verordnung sein, die
das Ziel des Schutzes von Bahnreisenden
in der Europäischen Union hat. Zielstellung
muss sein, dass die Fahrgastrechte uneingeschränkt
gelten, und zwar auch für den
Fall mehrerer Fahrkarten für die Reisekette
zwischen Start- und Zielbahnhof!
Neue Regelungen machen Fahrradmitnahme
in Zügen unattraktiver
Auch eine andere Regelung des Kommissionsvorschlags
zur Neufassung der Fahrgastrechte-Verordnung ist fragwürdig. So wird
u. a. pauschal gefordert, dass im Fall der
Fahrradmitnahme diese ständig zu beaufsichtigen
sind.
Diese undifferenzierte Regelung ist nicht
nachvollziehbar, da beispielsweise in Zügen
des Fernverkehrs geeignete und sichere Abstellvorrichtungen
vorhanden sind.
Die Fahrradmitnahme ist des Weiteren reservierungspflichtig,
so dass eine Behinderung
von Reisenden zumindest im Fernverkehr
ausgeschlossen ist. Die Verpflichtung
einer ständigen Beaufsichtigung kann sich
daher nur auf Fälle beziehen, wo tatsächlich
Risiken bestehen, dass andere Reisende bzw.
der Bahnbetrieb gefährdet werden.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und
IGEB Fernverkehr
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