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| Künftig findet auch in Berlin-Köpenick in diesem Stadion Erstliga-Fußball statt. Das stellt die Verkehrsanbindung vor neue Herausforderungen. Das Stadion soll von 22 000 auf 37 000 Plätze erweitert werden. Foto: Jens Ullrich |
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Das „Stadion An der Alten Försterei“ ist die
Heimstätte des Fußball-Bundesligisten 1.FC
Union Berlin. Aktuell passen rund 22 000
Besucher ins Stadion. In den nächsten Jahren
ist eine Erweiterung der Kapazität auf
37 000 Plätze geplant. Das sind immerhin 68
Prozent als jetzt.
Der Schritt ist aus Sicht des Vereins nachvollziehbar.
Das Stadion ist fast immer ausverkauft,
Tickets für Spontanbesucher fast
nie zu bekommen. Der Verein hat inzwischen
deutlich mehr Mitglieder als Besucher
ins Stadion hineinpassen.
Verkehrsgutachten
Im Gegensatz zu den letzten Ausbaustufen
ist dieses Mal allerdings ein erweitertes
Verfahren nötig, da der Eingriff in die Umgebung
deutlich größer ist. Neben notwendigen
Gutachten für Umweltbelange und
Lärm ist vor allem ein Verkehrsgutachten
Voraussetzung für eine Zustimmung zur
geplanten Maßnahme. Der Verein hat dafür
2017 einen entsprechenden Antrag gestellt,
und im Herbst 2018 hat die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung und Wohnen
einen Aufstellungsbeschluss für einen vorhabenbezogenen
Bebauungsplan gefasst.
Daraufhin hatte die Öffentlichkeit die
Möglichkeit, sich zum Verfahren
und auch zum vom
Verein erstellten Verkehrsgutachten
zu äußern. Davon
hat auch die IGEB Gebrauch
gemacht. Aus dem Gutachten
ist sehr gut ersichtlich,
dass beim ÖPNV die größten
Defizite liegen. Dazu kommt
eine stärkere Nutzung öffentlicher
Verkehrsmittel
im Vergleich zu vorherigen
Jahren.
Rund 57 Prozent der Stadionbesucher
reisen mit dem
ÖPNV an. Davon entfallen
gut 60 Prozent auf die S-Bahn
und knapp 40 Prozent auf
Straßenbahn und Bus.
Das Gutachten zeigt auch, dass es schon
aktuell sehr schwierig ist, was sowohl die Kapazitäten
als auch die Infrastruktur betrifft.
S-Bahn
Bei der S-Bahn konzentriert sich fast alles
auf den S-Bf Köpenick (Linie S 3). Zwischen
500 und 600 Fahrgäste steigen vor und
nach den Spielen an diesem Bahnhof in
einen Zug ein bzw. aus. In der Spitze sind
es sogar 1000 Ein-/Aussteiger. Damit ist die
Grenze des Möglichen beim derzeitigen
10-Minuten-Takt erreicht. Es kommt bereits
vor, dass Fahrgäste auf Unterwegsbahnhöfen
zurückbleiben müssen. Das konnte beispielsweise
am S-Bf Karlshorst beobachtet
werden.
Mit dem Ausbau werden bis zu 10 000 ein- bzw
aussteigende Fahrgäste pro Stunde am
S-Bf Köpenick erwartet. Das ist nur mit einem
dichteren Takt zu bewältigen.
Das Gutachten empfiehlt einzelne Verstärker
zu einem 5-Minuten-Takt. Aus Sicht
der IGEB sollte es jedoch ab 3 Stunden vor
dem Spiel bis ca. 2 Stunden nach dem Spiel
einen 5-Minuten-Takt mindestens auf dem
Abschnitt Ostkreuz—Köpenick geben.
Ein weiteres Problem betrifft die Infrastruktur.
Der S-Bf Köpenick hat nur einen
einzigen Abgang. Dieser ist bei Ankunft eines
Zuges natürlich total verstopft, und das
Räumen des Bahnsteigs dauert einige Minuten.
Bei einem 5-Minuten-Takt reicht diese
Zeit nicht aus, den Bahnsteig vor Ankunft
des Folgezuges zu räumen. Mindestens ein
weiterer Abgang ist damit zwingend erforderlich.
Ein Ausgang über die Brücke auf die
Westseite der Bahnhofstraße wäre von großem
Vorteil, weil auch die beengten Verhältnisse
am nördlichen Ausgang vor der Ampel
ein großes Problem darstellen.
Aber auch eine Vollendung der unendlichen
Geschichte „Regionalbahnhof Köpenick“
würde die Situation bei der S-Bahn
entschärfen. Die Wichtigkeit dieses Regionalzughaltes,
nicht nur für den Stadionverkehr,
kann nur immer wieder betont werden.
Nach derzeitiger Planung wird diese Station
allerdings erst 2027 zur Verfügung stehen.
Straßenbahn
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| Die Straßenbahn übernimmt zurzeit die direkte Erschließung der Spielstätte. Der S-Bf Köpenick ist etwa 1,3 km Fußweg entfernt. Foto: Jens Ullrich |
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| Stadionatmosphäre in der Alten Försterei vor dem Anpfiff. Foto: Jens Ullrich |
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Bei der Straßenbahn reisen die meisten Besucher
über die Haltestelle „Alte Försterei“
an.
Im Gutachten ist von bis zu 280 wartenden
Fahrgästen nach Spielschluss die Rede,
die an der Haltestelle auf die nächste Straßenbahn
warten. Da im Regelbetrieb nur
Fahrzeuge mit einer Kapazität von 150 Fahrgästen
eingesetzt werden, müssen schon
heute viele Besucher lange Wartezeiten für
die Anfahrt in Kauf nehmen.
Inzwischen setzt die BVG zwar auch Tatra-Doppeltraktionen als Sonderzüge ein,
allerdings eher unregelmäßig und nicht im
dichten Takt.
Durch den Stadionausbau werden zukünftig
in der Spitze bis zu 2100 Fahrgäste
pro Stunde in Lastrichtung an der Haltestelle
„Alte Försterei“ erwartet. Bei einer angenommenen
Auslastung je Bahn von 90 Prozent
entspricht das einem Bedarf von etwa
16 Zügen pro Stunde, was ungefähr alle 3 bis
4 Minuten ein Zug bedeutet.
Um diese zusätzlichen Züge nicht alle bis
nach Köpenick hinein fahren zu müssen, ist
eine Endstellen-Lösung im Bereich der Haltestelle
„Alte Försterei“ unumgänglich.
Das Gutachten schlägt dazu eine Wendeschleife
rund 800 m westlich vom Stadion
zwischen Eisenbahnbrücke und „Straße
zum FEZ“ vor.
Diese Variante hält die IGEB für problematisch.
Gerade nach Spielschluss werden die
Besucher die Haltestelle vor dem Stadion
ansteuern und nicht noch mehrere hundert
Meter weiter die Schleife ansteuern – in der
Hoffnung, dass dort dann auch bald eine
Bahn fährt, während in der Zwischenzeit die
Regelzüge vorbeifahren. Diese Züge müsste
man dann an der Haltestelle „Alte Försterei“
wahrscheinlich sogar durchfahren lassen,
um die Fahrgast-Ströme zur neuen Schleife
zu lenken.
Sinnvoller ist deshalb eine Lösung wie am
FEZ durch Schaffung einer Kehrmöglichkeit
östlich der Haltestelle inklusive mindestens
einem Kehrgleis. Platz ist genug vorhanden
(s. Foto). Damit kann die vorhandene, auch
heute schon extra breite Haltestelle weiter
genutzt werden, und es wird keine zusätzlich
kompliziert anzulegende Infrastruktur,
inklusive Flächenverbrauch, benötigt.
Aber auch an anderen Haltestellen der
Straßenbahn ist ein stark gestiegenes Fahrgast-Aufkommen zu beobachten. Bis zu 80
Fans steigen aus den Zügen entlang der
Bahnhofstraße ein oder aus. Das Gutachten
erwartet zukünftig sogar bis zu 120 Ein-/Aussteiger
pro Bahn.
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| Die Zahl der Fahrradständer auf dem Stadiongelände wurde in den letzten Jahren deutlich erhöht, ist aber bei weitem noch nicht ausreichend. Foto: Jens Ullrich |
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Dieses Fahrgastaufkommen lässt sich bei
Nutzung der derzeit eingesetzten Fahrzeuge
nur mit zusätzlichen Zügen abfangen.
Hauptsächlich betrifft das die Bahnen Richtung
Mahlsdorf und Adlershof.
Auch die Wartebereiche an den Haltestellen,
z. B. am S-Bf Köpenick, sind viel zu klein,
um solche Fahrgastströme zu bewältigen.
Bus
Auch der Bus wird verstärkt für die Anreise
zum Stadion genutzt. Vor allem aus dem
Raum Marzahn/Hellersdorf sind die Busse
der Linien X 69 und 169 sehr stark ausgelastet,
und es bleiben häufig Fahrgäste zurück
(beobachtet am Umsteigepunkt U-Bf Elsterwerdaer
Platz).
Möglicherweise liegt hier auch der Grund,
dass das Gutachten für diese Bezirke eine
verstärkte Nutzung des Autos mit all den
negativen Folgen für den Weg zum Stadion
festgestellt hat.
Eine attraktive Busverbindung in/aus
Richtung Norden kann und muss über eine
zeitweise Verdichtung der genannten Linien
erreicht werden. Eine weitere Möglichkeit
wäre eine zusätzliche Nord-Süd-Busverbindung,
die den Elsterwerdaer Platz, den S-Bf
Wuhlheide, die Alte Försterei und schließlich
den S-Bf Spindlersfeld erreicht. Voraussetzung dafür ist allerdings eine ausreichende
Tragfähigkeit der Brücke am S-Bf Wuhlheide.
Ansonsten steht diese Alternative erst mit
Fertigstellung der Straße „TVO“ zur Verfügung.
Auch eine Verstärkung der Straßenbahnen
in/aus Richtung Norden (Hohenschönhausen,
Friedrichsfelde, Karlshorst, Mahlsdorf
(abhängig Infrastruktur)) ist anzustreben.
Parkhaus lieber für Fahrräder als Autos
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| Die vor wenigen Jahren neu gebaute Straßenbahn-Zwischenendstelle FEZ ist knapp zwei Kilometer vom Stadion entfernt. Foto: Jens Ullrich |
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| Möglicher Standort für eine neue Straßenbahn-Endstelle östlich der Haltestelle Alte Försterei. Foto: Jens Ullrich |
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| Standort für die vorgeschlagene Wendeschleife, Ecke Staße zum FEZ. Foto: Jens Ullrich |
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| Ein Blick zurück: Auch zum Olympiastadion in Charlottenburg gab es Sonderverkehr mit Straßenbahnen „bis zum Horizont“. Foto: Sigurd Hilkenbach, 1963 |
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Neben dem ÖPNV spielen natürlich auch
noch andere Verkehrsträger im Stadionverkehr
eine Rolle. Das Gutachten fordert hier
zurecht eine stärkere Fokussierung auf den
Umweltverbund.
Neben dem ÖPNV gibt es auch beim
Fuß- und Radverkehr noch Nachholbedarf.
Gerade bessere Bedingungen für Radfahrer
würden auch den ÖPNV nachhaltig entlasten.
Insofern ist das empfohlene Parkhaus
für Autos eher kontraproduktiv. Stattdessen
wäre ein Fahrrad-Parkhaus deutlich effektiver.
Schon heute müssen viele Fahrräder
wild im Umfeld des Stadions geparkt werde,
obwohl die Zahl der Fahrrad-Stellplätze bereits
deutlich zugenommen hat – aber eben
bei weitem noch nicht genug. Stattdessen
wird eine große Fläche vor dem Stadion für
rund 400 Autos bereitgestellt. Auf dieser
Fläche hätten theoretisch auch rund 4000
Fahrräder Platz.
Unendliche Geschichte Kombiticket
Um zu verhindern, dass Autofahrer versuchen,
so nah wie möglich ans Stadion
heranzufahren, sollte statt über ein
Parkhaus endlich über ein Kombiticket
nachgedacht werden. So können gerade
auswärtige Besucher, die in der kommenden
Saison noch deutlich zahlreicher sein
werden, frühzeitig an einen Bahnhof oder
eine Haltestelle in weiterer Entfernung herangeführt
werden. Von dort können sie
dann mit Hilfe des im Preis der Eintrittskarte
enthaltenen ÖPNV-Anteils ins Stadion
fahren. Aktuell nutzen nur etwa 10
Prozent der auswärtigen Stadionbesucher
öffentliche Verkehrsmittel.
Fazit
Die Verkehrsprobleme rund um das Stadion
an der Alten Försterei sind sicher auch mit
der geplanten Erweiterung lösbar. Aber die
dafür erforderlichen Maßnahmen müssen
geklärt und auf den Weg gebracht werden,
bevor mit dem Stadion-Umbau begonnen
werden kann. Ansonsten droht nach Fertigstellung
das blanke Chaos. Und damit wäre
weder den Fans noch dem Verein noch den
Anwohnern geholfen. Gerade für den Autoverkehr
gibt es keine Kapazitäten mehr.
Die Lösung kann nur in der Stärkung des
Umweltverbundes liegen. Nur mit einem
starken ÖPNV, ergänzt durch breite Wege
für Fußgänger und sichere Wege sowie Abstellmöglichkeiten
für Radfahrer, E-Scooter
o.ä., sind Großveranstaltungen innerhalb
der Stadt zu bewältigen.
IGEB Stadtverkehr
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