Für den hessischen Fahrgastverband Pro
Bahn & Bus stellt der jahrelange Ausfall der
Neigetechnik einen Skandal dar, denn in die
Ertüchtigung der Strecke sind erhebliche
öffentliche Mittel geflossen. Zur Inbetriebnahme
der Neigetechnik im Dezember 1997
wurden Signale versetzt, damit die schnelleren
Züge mit ihrem verlängerten Bremsweg
vor Halt zeigenden Signalen anhalten können.
Außerdem mussten einige Bogengleise
umgebaut werden.
Die Investition betrug
etwa 30 Mio DM. Öffentliche
Mittel flossen
beispielsweise in
die Anpassung von
Bahnübergangssteuerungen
an die höheren
Geschwindigkeiten.
Auch die 2004 erfolgte
Sanierung der Gleise
wurde überwiegend
mit den Erfordernissen des Neigetechnikbetriebes
begründet. 180 km Gleis waren mit
einem Aufwand von 60 Mio Euro erneuert
worden. Die Deutsche Bahn dürfte dafür in
erheblichem Maß auf Bundesmittel zurückgegriffen
haben.
Verschuldet sind die permanenten Ausfälle
der Neigetechnik durch Fehler der Fahrzeugindustrie.
Die angelaufene Fahrzeugsanierung
erfolgt jedoch in Regie der DB AG,
so dass der Konzern auch Einfluss auf den
Zeitplan hat.
Rückblick:
Neigetechnik auf der Lahntalbahn
Am 11. September 1993 fand eine erste Testfahrt
mit geladenen Fahrgästen statt. Zum
Einsatz kam die Baureihe 610, seinerzeit das
einzige Fahrzeug im Bestand der damaligen
Deutschen Bundesbahn mit Neigetechnik.
Schon einige Jahre zuvor hatten sich Gutachten
mit der Frage beschäftigt, wie die
kurvenreiche Strecke schneller befahren
und damit attraktiver werden kann. Die
beschleunigte Lahntalbahn sollte insbesondere
der Stadt Koblenz einen Anschluss an
das Schnellfahrnetz der DB bringen, denn in
dieser Zeit fiel die Entscheidung, die Schnellfahrstrecke
Frankfurt—Köln über Limburg
und damit rund 50 km an Koblenz vorbei
zu bauen. Sowohl die Schnellfahrstrecke
als auch die verbesserte Lahntalbahn kamen.
Es mangelt jedoch bis heute an einem
Verknüpfungspunkt beider Strecken in Limburg:
Die Bahnhöfe Limburg und Limburg
Süd (ICE) sind nur durch Busse miteinander
verbunden!
In Betrieb genommen wurde die Neigetechnik
im Dezember 1997. Die Freude über
die schnelle Fahrt entlang der Lahn währte
nur kurz, denn die 50 neu gelieferten Triebwagen
der Baureihe 611 waren von Pannen
geplagt. Kurze Episoden mit Neigetechnik
und monatelange „Ersatzfahrpläne“ mit
konventionellen Fahrzeugen wechselten
sich ab. Auch die Nachfolgebaureihe 612
bewährte sich im Neigetechnikbetrieb
nicht. Hier wurde vom zuständigen Eisenbahn-
Bundesamt sogar ein Sicherheitsrisiko
ermittelt. In der Folge mussten die Radsätze
verstärkt und häufiger kontrolliert
werden.
Prinzipiell ist die Technik geeignet, die
Fahrzeiten auf kurvenreichen Strecken um
etwa 20 Prozent zu kürzen. Auf der Lahntalbahn
waren es immerhin ca. 17 Prozent
– wenn die Technik mal funktionierte. Pro Bahn & Bus Hessen im DBV
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