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Am östlichen Ende verläuft die Tramway in Seitenlage auf einem Rasengleis, wo zuvor Autofahrspuren waren. Foto: Martin Schiefelbusch |
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Vor 70 Jahren gab es wohl niemanden, der sich vorstellen konnte, dass in Paris je wieder
Straßenbahnen verkehren werden. Wer von einer Wiederkehr der „Elektrischen“ in die französische Hauptstadt träumte, dem war der Spott sicher. 1937 war in der Pariser Innenstadt die letzte Tram ins Depot eingerückt.
Im weiteren Umland konnte sie sich zunächst noch halten, in Versailles bis 1957.
Doch am 16. Dezember 2006 kehrte die Straßenbahn ins Stadtgebiet von Paris zurück: Es hieß „Bahn frei“ für die T 3, die 7,9 Kilometer lange Tramlinie im Südwesten der Stadt zwischen Pont Garigliano und Porte d‘Ivry. Immerhin 311 Millionen Euro ließen sich die Region,
die Stadt Paris, die Zentralregierung
sowie der Verkehrsbetrieb RATP das Projekt kosten.
Verkehrspolitische Wende
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Die neue Pariser Straßenbahn findet auch am Sonntagnachmittag reichlich Zuspruch. Foto: Martin Schiefelbusch |
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Hatte einst der motorisierte Individualverkehr
dazu beigetragen, die Pariser
Tram aufs Abstellgleis zu schicken, sorgte er nun für die Renaissance! Seit Jahrzehnten schon leidet die Stadt unter
den bekannten Folgen eines infernalischen
Autoverkehrs. Jeder weitere Straßenbau verschlimmerte die Situation
nur noch. Dies veranlasste die Verantwortlichen
vor einigen Jahren, das Ruder in der Verkehrspolitik herumzureißen:
Nunmehr steht die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel sowie des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs im Mittelpunkt. Zugleich soll der motorisierte
Individualverkehr deutlich verringert
werden.
Die sich abzeichnende Klimakatastrophe
unterstreicht noch den Handlungsbedarf.
Kein Wunder also, dass die neue T 3 ein wichtiges Projekt des sozialistischen Bürgermeisters
Bertrand Delanoé und seines grünen Koalitionspartners werden sollte.
Um Platz für die neue T 3 zu schaffen und Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen, wurden die Fahrspuren entlang des Boulevard
des Maréchaux verringert. Dort, wo einst öder Asphalt dominierte, verlaufen jetzt optisch wohltuend in Rasen eingebettete
Schienen. Mit dem Design der modernen
Tram wurde Herr Yo Kaminagai beauftragt.
Straßenbahn und chic – die Franzosen zeigen nicht nur in Paris mit raffinierten Ideen,
dass dies kein Gegensatz ist!
Hohe Fahrgastzahlen
Die Eröffnung der neuen Pariser Straßenbahn
fand im In- und Ausland große Beachtung.
Auch die seither zu beobachtende
Entwicklung gibt den Tram-Initiatoren Recht: Ende März 2007 nutzten bereits 80 000 Fahrgäste täglich die neue Tram, die werktags alle 4 Minuten verkehrt. Der Bus brachte es in vergleichbarer Linienführung nur auf 50 000.
So ist es nur konsequent, dass bereits an Verlängerungen der neuen Tram sowie an weiteren Linien gearbeitet wird. In Zukunft soll aus der T 3 eine Ringbahn werden. Weitere
tangentiale Straßenbahnstrecken sind geplant. Auch als Verkehrsberuhigungsmaßnahme
ist das Projekt ein Erfolg, denn die zurückgebaute Straße scheint allemal ausreichend zu sein.
Nachbesserungsbedarf
Im Betriebsalltag zeigte sich indes auch noch mancher Nachbesserungsbedarf. So wurde bei den Haltestellen trotz der hohen Designqualität ein aus Berlin bekannter Fehler begangen: Viele Haltestelleninseln
haben nur an einem Ende einen Zugang, ansonsten wurden Gitter errichtet, die die Reisenden „leiten“ sollen. Auch in Paris zeigt sich schon nach einigen Monaten in Form zahlreicher Trampelpfade, dass diese Reglementierung
nicht funktioniert.
Ein anderes Problem: Die Ampeln gewähren
häufig noch nicht den geplanten „Vorrang für die Tram“. Unregelmäßig, aber häufig kommt es zu Wartezeiten, bis das angeforderte Freisignal gegeben wird. Selbst an kleinen Querungen und Fußgängerampeln
passiert es, dass die Tram ausgebremst
wird, um dem Querverkehr Grün zu geben.
Weitere Tramlinien
Im Pariser Umland hatte die Tram übrigens bereits 1992 wieder Einzug gehalten: Mit der T1 zwischen Saint Denis und Bobigny ging‘s noch etwas unscheinbar los, doch schon im Jahre 1997 kam auf einer Eisenbahntrasse die T 2 zwischen La Défense und Issy Val de Seine hinzu. Hervorragender Nachfrage können
sich beide Linien erfreuen, obwohl die T 1 in der Vergangenheit nicht die schnellste ihrer Zunft war.
Fast zeitgleich mit der T 3 ging übrigens im Nordosten der Agglomeration mit der T 4 von Aulnay nach Bondy eine weitere Straßenbahnlinie
in Betrieb. Hierbei handelt es sich um die Umstellung einer bisherigen Vorortbahn der SNCF, die auch weiter die Strecke betreibt. Obwohl der Gleiskörper hier deutlich aufwendiger abgetrennt ist, haben die Haltestellen hier in der Regel zwei Zugänge.
Fazit
Die neuen Trambahnlinien in und bei Paris sind herausragende Beispiele, wie erfolgreich
das System Straßenbahn hinsichtlich Beförderungskapazitäten und Nachfrage sein kann! Und in Berlin? Hatte sich Berlin nicht in den 50er und 60er Jahren an der Abschaffung der Tram in Paris orientiert? So liegt es nahe, sich heute an den Ausbauplänen
der Straßenbahn in der französischen Metropole ein Vorbild zu nehmen.
Wie lange sollen denn die Berliner Fahrgäste
noch warten, bis wenigstens die Linienverlängerungen
zur Wissenschaftsstadt Adlershof, zum Potsdamer Platz oder zum Hauptbahnhof fertig gestellt sind?
(hjb msc) Berliner Fahrgastverband IGEB
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