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Zum An- und Abmelden muss das Mobiltelefon in die Nähe eines „Touchpoint“ gehalten werden. Foto: leitstreifen.de Bildarchiv |
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Es gab schon viele Versuche, ein elektronisches
Fahrscheinsystem einzuführen. In der
Regel scheiterten sie an fehlender Akzeptanz
der Fahrgäste, unzureichender technischer
Ausgereiftheit und zu hohem finanziellen
Aufwand für den Aufbau des technischen
Netzwerkes. Letzteres konnte man mit dem
auf der CeBIT vorgestellten System namens „Touch and Travel” ansatzweise
aus dem Weg räumen.
Denn im Gegensatz zum gescheiterten BVG-tick.et
nutzt man äußerst preisgünstige
technische Bauelemente und eine bereits
existente Infrastruktur für die Kommunikation:
RFID (Radio Frequency Identification) und das
Mobilfunknetz. RFID und die dazugehörige Nahfunktechnik
NFC (Near Field Communication) waren zuletzt in Verbindung
mit der Lebensmittelkennzeichnung und dem
kassenlosen Supermarkt in den Medien vertreten.
Die Funkchips sind Centware, wenige Millimeter
klein und benötigen
keine Energiequelle. Sie
werden in kleinen Terminals
auf den Bahnhöfen
und Stationen angebracht,
den sogenannten
Touchpoints. Um diese nutzen zu können,
benötigt man ein spezielles Handy, das
die NFC-Technik beherrscht. Zum Einchecken
wählt man mit dem NFC-Handy den
entsprechenden Menüpunkt aus und hält
es in die Nähe des Touchpoints, so dass es
die Stationsinformation aus dem Chip lesen
kann. Diese Information wird dann über die
Mobilfunkverbindung des Handys an das
Buchungssystem übermittelt und die Fahrtberechtigung
wird auf der SIM-Karte des
Handys gespeichert. Diese kann unterwegs
vom Kontrollpersonal ausgelesen werden.
Nach Fahrtende hält man das Handy wieder
an den Touchpoint. Der Ausstiegsort wird
ebenfalls über das Mobilfunknetz an das
Buchungssystem übertragen, welches dann
die Fahrstrecke und den Preis berechnet.
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Im Comic ganz einfach. Ob es praktikalbel ist, wenn alle Fahrgäste eines endenden ICE an den Touchpoints auf dem Bahnsteig entlang defilieren müssen? Grafik: vodafone |
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Die Vorteile dieses Systems gegenüber anderen
besteht für die Verkehrsunternehmen
darin, dass die technische Kommunikation
nicht über ein eigenes gesondertes Netzwerk
übertragen werden muss, sondern
dass einfach das existierende Mobilfunknetz
genutzt wird. Und die Datenübertragung
übernimmt dabei ein Gerät, das bereits bei
den meisten Kunden vorhanden ist – sein
Handy. Die Unternehmen müssen lediglich
die preisgünstigen Touchpoints aufstellen.
Um diese Technik auszuprobieren, wird
die DB gemeinsam mit der BVG, der S-Bahn
Berlin und dem Verkehrsbetrieb Potsdam
einen groß angelegten Feldversuch durchführen.
Zunächst wird das System ab Oktober
2007 auf allen Fernverkehrsstrecken im
Korridor Hannover—Berlin/Potsdam, den
dazugehörigen Regionalverkehrsstrecken
und im Stadtgebiet Potsdam (Bus, Straßenbahn,
Fähre) getestet. Ab 2008 stehen dann
auch das gesamte Netz der Berliner S-Bahn
und das U-Bahnnetz der BVG für den Test
zur Verfügung. Getestet werden soll in der
ersten Phase nur mit Mitarbeitern und in
der zweiten Phase ab 2008 mit Kunden unter
Echtbedingungen, wobei das Fahrgeld
dann auch tatsächlich über das System abgerechnet
wird.
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Funktionsweise Grafik: vodafone |
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Wenn Großteile der Kommunikation vom
Verkehrsbetrieb zum Kunden verlagert werden,
existieren natürlich automatisch mehrere
Ansatzstellen für eine mögliche Manipulation
des Systems. Ließe sich beispielsweise die
Kommunikation zwischen Touchpoint und
Handy entschlüsseln, so könnte man seine
„eigenen Touchpoints“ mit sich herumführen
und erst bei einer möglichen Kontrolle einchecken.
Möglich wäre auch eine Manipulation
der Handysoftware, um den Kontrollgeräten
eine Fahrtberechtigung vorzutäuschen.
Doch auch ohne Manipulation kann einiges
schief gehen. Mobilfunknetze fallen
auch mal aus und verhindern dann den Ein- oder
Auscheckvorgang. Oder was ist, wenn
plötzlich der Handyakku leer ist oder die
Software abstürzt?
Außerdem werden von der neuen Technik
bisherige Einwände gegenüber elektronischen
Fahrausweissystemen nicht ausgeräumt:
- Datenschutz. Da die Fahrdaten wegen
der Abrechnung personengebunden
gespeichert werden müssen, sind für die
Verkehrsbetriebe alle Wege und der Aufenthaltsort
der Kunden bekannt.
- Mehrkosten. Man kann nicht voraussetzen,
dass jeder Kunde ein NFC-Mobiltelefon
hat, um mit der Bahn fahren zu können.
Somit ist immer auch ein alternatives
Angebot zum Fahrausweiserwerb nötig.
- Praktikabilität. Die Notwendigkeit, nicht
nur ein-, sondern auch auszuchecken, ist
ein gravierender Komfortverlust beim
Nutzen von Bahnen und Bussen.
Nicht zuletzt die Art der Preisfindung dürfte
viele Kunden abschrecken, denn erst ab
Ende des Monats den Fahrpreis auf einer
Rechnung zu finden, ist nicht gerade transparent.
Es ist schon merkwürdig, dass die individuelle
Fahrpreiserhebung gerade mithilfe
der Mobilfunktechnik ermöglicht werden
soll, wo doch gerade dort Monatspauschalen
(sogenannte Flatrates) ganz weit oben
in der Gunst der Kunden stehen. (hm) IGEB Fahrgastbelange
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