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Bauschild am Berliner S-Bahnhof Adlershof. Die Grunderneuerung (GE) der S-Bahn-Strecke auf der Görlitzer Bahn wird aus EU-Mitteln des EFRE-Programms unterstützt. Dies ist allerdings eine Ausnahme, denn Berlins Wirtschaftsenator Harald Wolf meint, EFRE-Mittel nicht für den öffentlichen Verkehr einsetzen zu dürfen. Foto: Marc Heller |
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Das Land Berlin hat wenig Geld. Doch weigert
sich der rot-rote Senat, die zugeteilten
EU-Gelder für den öffentlichen Nahverkehr
einzusetzen, weil das – so die Begründung
– aufgrund der EU-Regularien nicht möglich
sei. Zwar musste der zuständige Senator
Harald Wolf (Die Linke) bei der Vorstellung
des Operationellen Programms des Landes
Berlin für den Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung (EFRE-Mittel) der neuen
Förderperiode 2007-2013 einräumen, dass in
den 90er Jahren die Wiederherstellung der
U-Bahn-Verbindung zwischen Potsdamer
Platz und Wittenbergplatz aus EFRE-Mitteln
finanziert wurde. Dennoch behaupten er und
seine Mitarbeiter, dass der Einsatz von EFREMitteln
für den öffentlichen Personennahverkehr
in Berlin nicht (mehr) möglich sei. Aus
diesem Fonds solle stattdessen die ökonomische
Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität
der Stadt gestärkt und Berlin als Innovationsstandort
gefördert werden. Grundlage des
Operationellen Programms sei die Lissabon-
Strategie der EU.
Ökonomie, Ökologie, Soziales
Unabhängig davon, dass sich die Wettbewerbssituation
der Städte wegen des
Klimawandels und der dramatisch steigenden
Ölpreise auch darin zeigt, ob zukünftige
Mobilität auch jenseits des Automobils
gewährleistet wird, ist der Verweis auf die
Lissabon-Strategie der EU doch sehr erstaunlich.
Denn dieses aus dem Jahr 2000
stammende Aktionsprogramm besteht, wie
z. B. der konservative Ministerpräsident von
Luxemburg, Claude Juncker, immer wieder
betont, aus dem Dreiklang von „Ökonomie,
Ökologie, Soziales“. Nur die unverbesserlichen
neoliberalen Wirtschaftsfetischisten
– allen voran der ebenfalls konservative
portugiesische EU-Kommissionspräsident
José Manuel Barroso – wollen von Ökologie
und Soziales nichts wissen und definieren
den Dreiklang von Lissabon mit „Wirtschaft,
Wirtschaft, Wirtschaft“.
Dem Berliner Wirtschaftssenator Harald
Wolf sollte die Entscheidung zwischen
diesen beiden Ansätzen als Politiker der
Linken eigentlich nicht schwer fallen. Gerade
auch aufgrund der Debatte der letzten
Jahre müsste doch jedem klar sein, dass der
Kampf gegen den Klimawandel für die Zukunft
eine zentrale Rolle spielt. Angesichts
der Tatsache, dass der Verkehr in Ballungsräumen
für 40 Prozent der CO2-Emissionen
und für 70 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich
ist, muss ein nachhaltiger und
umweltverträglicher Stadtverkehr oberstes
Ziel des Senats sein.
Die Bedingungen dafür sind in Berlin optimal:
90 Prozent aller Haushalte sind nur
fünf Fahrradminuten vom nächsten S- oder
U-Bahnhof entfernt und knapp 50 Prozent
besitzen gar kein Auto. Eine autofixierte Verkehrspolitik
verschärft dabei nicht nur die
Umweltprobleme, sie ist auch der Garant
dafür, dass für die Verbesserung des
Umweltverbundes von Bahn, Bus, und Rad das notwendige
Geld fehlt.
Berlin vergibt Chancen
Zwar will das Land Berlin in der laufenden Förderperiode Verkehrssystemtechnik und Mobilität fördern, auch erkennt man, dass die Infrastruktur als Basis für die wirtschaftliche Entwicklung notwendig ist, beschränkt sich dabei aber fast ausschließlich auf die Neuerschließung von Brachen durch neue Straßen. Weder die Defizite der Teilung Berlins noch die Fehlplanungen der 1960er Jahre, als die „autogerechte Stadt“ noch das Leitbild der Stadtentwicklung war, werden behoben. Es ist doch ein Skandal, dass das Märkische Viertel auch 40 Jahre nach seiner Entstehung noch immer keine Bahnerschließung hat. Dabei bietet sich hierfür seit dem Fall der Mauer eine schnell und im Vergleich zur einstigen U-Bahn-Planung sehr preiswert zu realisierende Möglichkeit durch die Verlängerung der Straßenbahn von Rosenthal zum S- und U- Bahnhof Wittenau. Doch ein Gutachten, das die Wirtschaftlichkeit dieses Straßenbahnprojektes bestätigte, ließ der Senat nach Erstellung gleich wieder in der Schublade verschwinden. Oder die S-Bahn zwischen Spandau und Falkensee: Obwohl der Bund diese Strecke als „teilungsbedingt“ finanziert und der westliche Teil von Spandau mit der S-Bahn attraktiv erschlossen würde, liegt dieses Projekt auf Eis.
Stattdessen bewegt sich der Senat mit Vollgas
„back to the sixties“. Denn die Verlängerung
der Stadtautobahn A 100 – ein Kilometer
dieser Autobahn kostet mehr, als ein Transrapid-
Kilometer in München gekostet hätte
– ist eine Planung aus dieser Zeit. Die für die
Stadtautobahn notwendigen Bundesmittel
fehlen z. B. für die Ertüchtigung der Bahnstrecke
Berlin—Cottbus, und die Landesmittel
mit einem Anteil von etwa 20 Prozent fehlen
z. B. für die Nord-Süd-Anbindung des Hauptbahnhofs.
Auch mit EU-Mitteln könnte man
einen sauberen städtischen Verkehr oder den
kombinierten Verkehr oder die Verringerung
der Umweltauswirkungen des Verkehrs z. B.
durch Lärmschutzmaßnahmen fördern.
Madrid macht es besser
Diese Möglichkeiten werden jedoch vom Senat
und den ihn tragenden Parteien verneint.
Stattdessen flossen viele Millionen der EUGelder
in Straßenprojekte wie die Tangentialverbindung
Ost (TVO) zwischen Spindlersfeld
und Glienicker Weg, die A 113 zum Flughafen
Schönefeld oder die Straßenbrücke am
Spandauer Damm. Diese Position wird wider
besseres Wissen auch dann noch vertreten,
wenn Beispiele aus anderen europäischen
Städten angeführt werden. So werden in Madrid
- im Gegensatz zur Berliner Politik – aus
EFRE-Mitteln der Ausbau von Linien des Nahverkehrs
und des Stadtverkehrs, der Bau einer
Taxistation und einer U-Bahn-Linie
finanziert. Madrid ist genau wie Berlin
ein sogenanntes „Ziel-2-Gebiet“. Die
Hinweise der Berliner Verwaltung, Madrid
könne dies nur aufgrund höherer Fördersätze tun, ist
folglich falsch. Auch in der vergangenen Förderperiode
hatte die spanische Hauptstadt den ÖPNV mit EU-Geld
gefördert.
Das ist auch in Berlin möglich und
in anderen Bundesländern längst eine
Selbstverständlichkeit. Der Freistaat
Sachsen will beispielsweise in den
kommenden Jahren „weiterhin teilungsbedingte
Defizite im Verkehrsnetz abbauen,
eine integrierte Verkehrspolitik durch Zusammenwirken
der Verkehrsträger erreichen und
den Öffentlichen Personennahverkehr weiter
bedarfsgerecht entwickeln“. Im Operationellen
Programm 2007-2013 des Freistaats steht:
„Aufgrund ihrer Bedeutung für eine nachhaltige
Entwicklung (…) sollen Investitionen in
umweltfreundliche Verkehrsträger besonders
zur wirtschaftlichen und sozialen Aufwertung
der Regionen unterstützt werden. Nach dem
Leitbild des Fachlichen Entwicklungsplans
Verkehr (FEV) sollen die integrierte Verkehrsund
Raumentwicklung die Verkehrsarten Eisenbahnverkehr,
ÖPNV, Binnenschifffahrt sowie
Fahrrad- und Fußgängerverkehr stärken“.
Dabei sind im Rahmen des Vorhabens „die
Installation neuer verkehrstelematischer Anlagen
im ÖPNV, der Bau von Radwegen (inkl.
Radwegebeschilderung) sowie Untersuchungen
zur Aktivierung von Gleisanschlüssen mit
dem Ziel der Stärkung des Schienengüterverkehrs
vorgesehen“.
Auch Brandenburg nutzt EFRE für ÖV
Auch das Nachbarland Brandenburg benutzt
die EFRE-Mittel für den ÖPNV. In dessen
Operationellem Programm steht: „Die
Entwicklung der Schieneninfrastruktur in
Brandenburg wird in den nächsten Jahren gekennzeichnet
sein durch Maßnahmen auf der
Grundlage des Bundesverkehrswegeplans,
die nachhaltige Wirkungen auf den SPNV haben
werden. Dabei sollen die Realisierungen
der Lückenschlüsse auf den Hauptstrecken
und Radialen und eine leistungsfähige Angebotsgestaltung
auf den regionalen SPNVStrecken
im Mittelpunkt stehen.“
Und wenn es noch eines Beweises bedürfte:
Die Modernisierung der S-Bahn-Strecke zwischen
Baumschulenweg und Adlershof wird
inklusive der Bahnhöfe mit EU-Mitteln unterstützt.
Die Öffentlichkeit erfährt es durch
das Bauschild, aber der zuständige Senator
will davon nichts wissen und beharrt darauf,
EFRE-Mittel nicht für die Förderung des ÖPNV
einsetzen zu dürfen. Angeblich würde die Europäische
Kommission bei der Abnahme des
Programms dies nicht zulassen.
Doch seit 2007 ist die Definition der Fördergebiete
fast ausschließlich eine nationale
Entscheidung. Gerade der „Nationale strategische
Rahmenplan“ als Dachstrategie für
die Operationalisierung auf Länderebene
sieht die Schwerpunktthemen Globalisierung,
Wachstum, Klimawandel, Innovation
und Demografischer Wandel vor. Folgt man
dieser Schwerpunktsetzung, müssten vor
allem angesichts der Herausforderungen
des demografischen und des Klimawandels
mehr Mittel in den öffentlichen Nahverkehr
fließen. Der demografische Wandel macht es
zudem vordringlich, die behindertengerechte
Ausstattung aller Bahnhöfe zu realisieren.
Das gilt zurzeit nur für 40 Prozent der Berliner
U-Bahnhöfe, bei der S-Bahn sind es immerhin
schon 80 Prozent der Stationen. Aber selbst an
so wichtigen Bahnhöfen wie Lichtenberg und
Frankfurter Allee können die 30 Prozent mobilitätsbehinderten
Fahrgäste nicht oder nur
schwer zwischen S- und U-Bahn umsteigen.
Es würde dem Senat gut anstehen, wenn die
Zukunftsfähigkeit der Stadt auch dadurch gewährleistet
wird, dass EU-Gelder nicht nur für
Rendite orientierte Forschungsprojekte, sondern
auch für soziale und umweltverträgliche
Wachstumssektoren eingesetzt würden.
EU-Gelder sinnvoller nutzen!
„Arm aber sexy“ – so lautet die allseits bekannte
Stärken-Schwächen-Analyse, auf der
die Berliner Gesamtstrategie basiert. Deshalb
sollte der Senat erst recht die zur Verfügung
stehenden EU-Gelder für den Ausbau und
den Erhalt der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur
einsetzen. Für die EU-Förderperiode
2007-2013 stehen Berlin 875 Mio. Euro zur
Verfügung. Davon sollen ca. 9 Prozent für die
Förderung der Umwelt-, Verkehrs- und Mobilitätsmanagementsysteme
verwendet werden.
Wenn dieses Geld klug und zukunftsfähig
eingesetzt wird, macht es Berlin weniger
arm. Voraussetzung ist aber, dass der Senat
seinen Kurs grundlegend korrigiert. Denn
eine neue Autobahn in der Stadtmitte, die
man doch gerade durch die Einführung der
Umweltzone zu entlasten versucht, ist alles
andere als sexy. Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament
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