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Braucht man hier ein Dach? Ja oder Nein? Foto: Holger Mertens |
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Am 19. Juni 2008 legte das Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
den Bundestagsabgeordneten seinen „Bericht
über die Machbarkeit einer Verlängerung
des Hallendachs des Berliner Hauptbahnhofes
auf die ursprünglich geplante Länge“
vor. Das Dach über den Stadtbahnsteigen
ist heute 321 Meter lang und damit gut ein
Viertel kürzer als vom Architekturbüro gmp
geplant. Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte
die Kürzung verfügt, weil sonst nach Angaben
seiner Planer eine Fertigstellung des
neuen Bahnhofs rechtzeitig vor der Fußball-
Weltmeisterschaft im Juni 2006 nicht möglich
gewesen wäre.
Der Bericht, nachlesbar unter www.allianzpro-
schiene.de, schließt mit der Empfehlung:
„Der Kostenaufwand einer Dachverlängerung
und die damit verbundenen befristeten
erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen
scheinen im Verhältnis zu den gestalterischen
und funktionalen Vorteilen für den zentralen
Hauptstadtbahnhof noch vertretbar.“
Seit Eröffnung des Hauptbahnhofs im Mai 2006 wurden viele
Mängel beseitigt, aber allzuviele bestehen noch immer.
Die Verbesserungen:
+ Zusätzlicher Servicepoint und Abfahrttafel am Washingtonplatz
+ Mehr Sitze im Hbf
+ Aktuelle Stadtpläne im Hbf
+ Wenigstens eine Mini-Postagentur
+ Nach anderthalb Jahren endlich Hinweis „Kein Zugang“ am Notausgang
auf dem Washingtonplatz
+ W-LAN-Punkte
+ TXL-Halt Washingtonplatz
+ BVG-Anzeigetafel auf den Vorplätzen
+ Deutlicher TXL-Hinweis an der Haltestellenstele
+ Fußgängerampel Invalidenstraße: Anforderung nicht mehr erforderlich
Einige der Mängel:
- Kein Dach vom Vorplatz zu den Bushaltestellen Invalidenstraße.
- Zu kleine Buswartehallen Invalidenstraße und Washingtonplatz
- Z.T. mangelhafte Ausschilderung im Bahnhof, z. B. zum Gleis 1
- Keine Anzeige der Liniennummer beim Regionalverkehr auf den Anzeigetafeln
Neues Ärgernis: Drehtüren statt automatischer Schiebetüren an
den Haupteingängen.
Lobenswert: die weiterhin gute Sauberkeit im Hbf
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Das Modell der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zeigt, dass im Umfeld des Hauptbahnhofs große Gebäude geplant sind, so dass man von vielen Orten aus künftig nicht mehr sehen wird, ob das Dach verlängert wurde oder nicht. Foto: Marc Heller |
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Zum Kostenaufwand heißt es im Bericht:
„Eine Realisierung innerhalb von 3 Jahren und
mit einem Kostenaufwand von geschätzt
53 Mio. Euro (netto) (37 Mio.
Euro für die Dachverlängerung
einschließlich Baunebenkosten,
16 Mio. Euro Folgekosten aus der Störung des
Bahnbetriebs) erscheint machbar.“
Kosten weit über 53 Millionen Euro
Die Allianz pro Schiene hat zurecht darauf
hingewiesen, dass zu den netto 53 Mio. Euro
natürlich noch 19 Prozent Umsatzsteuer hinzugekommen.
Dann liegen die Kosten bereits
bei 63 Mio. Euro. Und auch dieser Betrag enthält
noch längst nicht alle Kosten.
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Dach zu kurz? Proportionen zerstört? Luxusdebatte? Scheinprobleme? Es ist alles eine Frage des Maßstabs. Foto: Holger Mertens |
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Kurzer Umsteigeweg zwischen Hauptbahnhof und Flughafenbus TXL. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2007 hält der TXL endlich auch – wie vom Fahrgastverband IGEB gefordert – am Washingtonplatz. Die BVG hielt diesen Halt für überflüssig, doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Besteller der Leistungen setzte ihn durch. Die Positionsnummer 4 am Haltestellenmast ist Vorbote einer weiteren Verbesserung, denn vor dem Hauptbahnhof werden derzeit zwei große Abfahrtstafeln für die BVG-Busse aufgestellt, die die Orientierung der Fahrgäste deutlich erleichtern sollen. Foto: Marc Heller |
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Für die Baustelleneinrichtung und Vormontage
werden große Flächen im Umfeld des
Bahnhofs benötigt, die für viel Geld von Bebauung
frei gehalten bzw. beräumt werden
müssen. Das Land Berlin wird man zwingen
können, die Kosten der vorübergehenden
Verlagerung der Busaufstellflächen selbst zu
tragen und seine Flächen, zum Beispiel mehrere
Straßenabschnitte, unentgeltlich zur
Verfügung zu stellen. Die Privatunternehmen
werden sich das aber teuer bezahlen lassen.
Auch 2011 noch keine Straßenbahn
Außerdem kann die Straßenbahn dann 2011
noch immer nicht zum Hauptbahnhof verlängert
werden, weil für die Vormontage auch
die Wendeschleife mit den Aufstellgleisen
benötigt wird, was manchem Senatsplaner
wahrscheinlich sogar gelegen kommt. Aber
die gesamte Bahnhofsumfeldentwicklung
wird um mindestens drei Jahre zurückgeworfen.
Auch das sollten alle Politiker bedenken,
die jetzt die städtebaulichen Vorteile der
Dachverlängerung rühmen.
Gesamtkosten höher,
Folgekosten verschwiegen
Rechnet man alle Kosten zusammen, die am
Ende auf Bund, Land und Bahn zukommen,
so darf man ohne Übertreibung von einem
100-Millionen-Euro-Projekt sprechen. Hinzu
kommen Folgekosten in unbekannter Höhe,
weil der Bericht bezeichnenderweise hierzu
keine Aussagen trifft. Dabei weiß die Bahn
aus leidvoller Erfahrung inzwischen recht genau,
wie mühsam und teuer Reinigung und
Wartung dieser individuellen Dachkonstruktion
sind.
Falsche Lärmschutzargumente
Absurd sind die Lärmschutzargumente, die
bei der Diskussion im Bundestagsausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am
25. Juni betont wurden. Die Verlängerung sei
nicht nur aus architektonischen und baukulturellen
Gründen wichtig, sondern auch aus
Gründen des Lärmschutzes, denn der mit
der Dachverlängerung einhergehende Lärmschutz
führe zu einer Aufwertung des gesamten
Bahnhofsareals als Wohngebiet.
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ICE-Typen 1, 2 und TD (von oben nach unten) im Berliner Hauptbahnhof. Die Fotos zeigen, dass nur beim ICE 2, der zwischen Berlin und Rhein-Ruhr-Gebiet eingesetzt wird, einige Wagen der 1. Klasse im nicht überdachten Bereich halten. Fotos: Marc Heller |
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Doch die Tatsachen sehen anders aus: An
der Ostseite ist die Dachverlängerung mit
gut 20 m viel zu kurz, um Lärm von der am
Humboldthafen geplanten Bebauung abhalten
zu können. An der Westseite ist beiderseits
der Dachverlängerung ein sogenanntes
Kerngebiet ohne Wohnungen im Nahbereich
des Bahnhofs geplant. Denn die Senatsplaner
mussten bei der Aufstellung des Bebauungsplanes
davon ausgehen, dass es hier niemals
ein Bahnhofsdach geben wird.
Verhältnismäßigkeitsgebot beachten!
Überall spart die Bahn, gerade bei der Qualität
der Bahnhöfe. Erst kurz vor bekannt werden
des Berichts zum Hauptbahnhofsdach wurden
die Berliner Fahrgäste von der Nachricht
erschreckt, dass am S-Bahnhof Ostkreuz beim
Neubau des Ringbahnsteigs aus Kostengründen
auf die Bahnsteighalle verzichtet werden
soll. Täglich 80 000 Fahrgäste würden dann
Wind und Wetter ausgesetzt sein. Und auf immer
mehr Berliner S-Bahnhöfen werden die
Zugzielanzeiger auf den Bahnsteigen durch
Blechschilder ersetzt, die wie auf einem Dorfbahnhof
nur noch die Fahrtrichtung, nicht
aber das Ziel angeben.
Auch die Nachricht, dass die Deutsche Bahn
den Streckenausbau Berlin—Cottbus mit anschließender
deutlicher Fahrzeitverkürzung
aus Kostengründen auf unbestimmte Zeit
vertagen will, ist noch frisch (siehe Seite 16).
Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen
und auf alle Bundesländer erweitern. Deshalb
ist es schlicht unverhältnismäßig, wenn
Bundesregierung und Bundestag in solchen
Zeiten einen hohen Millionenbetrag für ein
Luxusprojekt wie die Dachverlängerung am
Berliner Hauptbahnhof ausgeben würden.
Man kann die Argumentation natürlich
auch umdrehen. Das Argument „Wir haben
kein Geld“ ist offensichtlich nur vorgeschoben.
Es fehlt bei Bund und Bahn nicht am
Geld, sondern an der Bereitschaft und Fähigkeit,
dieses Geld dort auszugeben, wo es
tatsächlich einer großen Zahl von Fahrgästen
nutzt.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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