Berlin

Immer weniger Busverkehre zwischen Berlin und Umland

Der im Vergleich zu anderen Großstädten ohnehin schon dürftige Busverkehr zwischen Berlin und seinem Umland wurde zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2006 weiter reduziert. Von den nur 30 Busverbindungen, die werktags mindestens einen Stundentakt anbieten, waren drei von kräftigen Angebotskürzungen betroffen.

118 Stern-Center
Gekürztes Angebot und mangelnde Koordination im Umlandverkehr: Die BVG-Buslinie 118 endet seit Dezember an den Wochenenden wie zu Mauerzeiten in Steinstücken. Das große Stern-Einkaufs-Center in Potsdam-Drewitz erreicht man dann nur mit Umsteigen. Hier im Bild die Haltestelle S-Bahnhof Wannsee. Foto: Raul Stoll

Besonders getroffen hat es die brandenburgische Gemeinde Großziethen im Süden Berlins, deren Buslinie 735 nach Berlin-Rudow und nach Berlin-Lichtenrade (zum S-Bahnhof Schichauweg) ersatzlos und ohne längere Vorankündigung eingestellt worden ist. Die Linie 735 war bisher eine attraktive Verbindung aus Großziethen in die Berliner Innenstadt. So konnte man beispielsweise stündlich aus Großziethen den Potsdamer Platz mit einmaligem Umsteigen in nur 40 Minuten erreichen und war somit schneller als mit dem Auto. Die Nutzung der Linie 735 war entsprechend gut. Eingestellt wurde sie nicht wegen zu geringer Fahrgastzahlen, sondern nur aus Geldmangel. Gleichzeitig feiert man in Brandenburg den vierspurigen Ausbau diverser Straßen im Umland von Berlin. Das kostet zwar viele Millionen, aber hier gibt es offenbar keinen Geldmangel.

Hat man vor einigen Jahren noch leere Busse gestrichen, entfallen nun auch gut gefüllte Fahrten. Die Einhaltung eines unteren Mindeststandards beim öffentlichen Nahverkehr (mehr hat Brandenburg ohnehin nicht mehr zu bieten) ist für die Brandenburger Landesregierung bzw. für die für Busbestellungen zuständigen Landkreise anscheinend kein Ziel mehr.

Fahrgast-Proteste in Großziethen

Erfreulich ist, dass sich in Großziethen inzwischen heftiger Widerstand regt. Eine starke Protestinitiative hat schon 1000 Unterschriften gegen die Streichung der Buslinie gesammelt und mit mehreren Medienberichten das Thema in die Öffentlichkeit gebracht – und als ersten Teilerfolg erreicht, dass zwei Fahrten im freigestellten Schülerverkehr eingerichtet wurden. Doch das kann nur ein Anfang sein. Angesichts der hohen verkehrlichen Bedeutung ist ein Stundentakt notwendig. Zugleich muss die Forderung nach einer angemessenen ÖPNV-Finanzierung in ganz Brandenburg bekräftigt werden, denn sonst wird der Fall Großziethen längst nicht der letzte Sündenfall in Brandenburg gewesen sein.

Wie damals: Bus endet an der Mauer

Nicht ganz so radikal, aber dennoch einschneidend gekürzt wurde zum Fahrplanwechsel auch das Busangebot zwischen Berlin-Wannsee und der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Hier fährt die BVG-Buslinie 118 aus Wannsee am Wochenende nicht mehr zum Potsdamer Stern-Center, sondern endet wie zu Zeiten der Berliner Mauer in Steinstücken. Gerade angesichts des starken Einkaufsverkehrs am Sonnabend und des politisch gewollten Zusammenwachsens von Berlin und Brandenburg ist dies für den Berliner Fahrgastverband IGEB eine unverständliche und inakzeptable Maßnahme. Die Alternative für die Fahrgäste ist dürftig: Man kann zwar in Steinstücken mit der Potsdamer Buslinie 694 weiterfahren, aber erst nach 15 Minuten Wartezeit. Angesichts des 20-Minuten-Taktes beider Linien hätte man eine längere Wartezeit auch kaum erreichen können. Wer ein Auto hat, wird auch hier dem öffentlichen Nahverkehr den Rücken kehren.

Angesichts dieser heftigen Kürzungen im Stadt-Umland-Verkehr, den ja der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) zu koordinieren hat, fragt man sich, wie dieser reagiert hat – sofern er reagiert hat. Eine öffentliche Reaktion ist jedenfalls ausgeblieben.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 1/2007 (Februar/März 2007), Seite 16

 

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