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Anstatt das historische Empfangsgebäude zu nutzen, wurden im vergangenen Sommer direkt auf dem Bahnsteig zwei Container aufgestellt, in denen jetzt auch Fahrkarten verkauft werden. Foto: Frank Böhnke |
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Welcher Privatmann könnte es sich über viele,
viele Jahre hinweg leisten, hohe Summen
für die Sicherung ungenutzter Gebäude
aufzuwenden? Vielerorts stehen einst wunderschöne
Bahnhofsbauten leer. Sie wurden
häufig zu „Staatsbahnzeiten“ mit Steuergeldern
gebaut. Jetzt sollen sie der DB AG den
größtmöglichen Ertrag bringen, was oft zu
unrealistischen Preisvorstellungen führt. So
werden weiterhin Leerstand, Vandalismus
und Verfall in Kauf genommen. Die Kommunen
haben ein Problem und können es nicht
selbst lösen. Irgendwann folgt der Abriss,
und dann gibt es nur noch Verlierer. Werder
(Havel) ist mit seinem Bahnhofsgebäude ein
weiteres Beispiel.
Mit seinen inzwischen fast 23 000 Einwohnern,
der Nähe zu Potsdam und Berlin
und dem Halbstunden-Takt der Regionalexpress-
Linie RE 1 hat Werder seit der Wiedervereinigung
zweifellos einen enormen
Aufschwung genommen. Nicht nur den Titel
„Blütenstadt“ führt sie nun im Städtenamen,
auch im Stadtbild hat sich viel getan. Aber
das imposante und noch ansehnliche Bahnhofsgebäude
aus dem Jahre 1846 steht seit
vielen Jahren leer. Einige alte Anschriften an
ihm zeugen noch von früheren Nutzungen.
Doch die Bahn braucht es nicht mehr.
Burkhard Schröder, 1. Beigeordneter der
Stadt Werder, kritisierte: „Das unsanierte
leer stehende Bahnhofsgebäude wirkt wie
ein Fremdkörper in dieser neu geschaffenen
attraktiven Infrastruktur.“ Unterstützt
durch Fördermittel des Landes aus dem
„Bahnhofsumfeldprogramm“ hatte die Stadt
1999/2000 der Bahnhofsvorplatz neu hergerichtet.
Es entstand, ebenfalls mit Landesförderung,
am südöstlichen Bahnhofsteil ein
riesiges Parkhaus – kostenfrei für Autofahrer
auf gekauftem ehemaligem Bahngelände.
Was bisher leider nicht zustande kam, war
eine Neunutzung des Bahnhofsgebäudes.
Noch 1999 hieß es in der Zeitschrift des
Verkehrsministerium: „Auch das Bahnhofsgebäude
soll einer neuen Nutzung und
Instandsetzung zugeführt werden. Derzeit
bemühen sich Stadt und Deutsche Bahn AG
gemeinsam um entsprechende Investoren.“
(MSWV aktuell 3/99)
Aber ein greifbares Ergebnis gibt es auch
acht Jahre später noch nicht. Beim Kaufpreis
konnte zwischen Stadt und DB AG keine Einigung
erzielt werden. Stattdessen wurden
plötzlich Mitte Juni 2006 auf dem breiten
Bahnsteig zwei mobile Container aufgestellt,
in denen Zeitungen, Reisebedarf und Fahrkarten
verkauft werden – alles Nutzungen,
die genauso gut im Bahnhof stattfinden
könnten. Und die DB AG betont (Potsdamer
Neueste Nachrichten, 6. Juli 2006), dass es
sich bei den Containern nicht um eine Übergangslösung
handele. Gab es nicht einst
eine „Kultur des Bahnreisens“? DB Station &
Service tut jedenfalls alles, die Erinnerung
daran verblassen zu lassen.
Zwar gibt es inzwischen ein neues Angebot
seitens der DB AG, aber die Stadt Werder
sieht wegen der geänderten Bundes- und
Landesförderungen selbst bei einem symbolischen
Kaufpreis derzeit keine Möglichkeit
mehr, das Gebäude nach einer Sanierung an
einen grundsätzlich weiterhin interessierten
Pächter zu vermieten. Denn das schmucke
Gebäude steht unter Denkmalschutz und
die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren
finanziell bereits bei anderen Großprojekten
so gebunden, dass der Beigeordnete
Schröder keinen Spielraum für ein weiteres
finanzielles Engagement der Stadt sieht. Außerdem
wäre selbst bei einer Verständigung
zwischen Stadt und Bahn nur die Hälfte des
Problems gelöst. Denn eine Nutzungskonzeption
gibt es nur für das ehemalige Bahnhofsgebäude,
nicht aber für den angrenzenden
Güterschuppen.
Vielleicht ist die bisherige Haltung der DB
AG ja auch eine Art „Retourkutsche“ gegenüber
der Stadt Werder. Die Stadt hatte 2001
erfolgreich beim Land als Besteller interveniert,
um den Halbstunden-Takt durchzusetzen.
DB Regio war damals dagegen und
hielt einen Halt in Werder im Stundentakt
für ausreichend.
Eile ist geboten! Denn sonst ist es nur eine
Frage der Zeit, bis die ersten Fensterscheiben
eingeworfen und die ersten Türen aufgebrochen
werden. Dann irgendwann wird
es dort Brandstifter geben oder das Dach
wird beschädigt. Anschließend wird das Gebäude
notdürftigst mit einem Bauzaun gesichert
und ein großes Schild angebracht „ZU
VERKAUFEN!“. Aber dann ist alles zu spät!
Bahnkunden-Verband Potsdam-Mittelmark
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