Was kosten uns die täglichen Lkw-Massen?
Angesichts des wachsenden Güterstroms auf
Europas Straßen stellt sich diese Frage mit immer
größerer Brisanz. Bisher tragen vor allem
Steuerzahler und Umwelt die Lasten, denn
Europas Spediteure zahlen über Mauten nur
einen Bruchteil an die Allgemeinheit
zurück. Geht es nach der EUKommission,
wird sich daran auch
in Zukunft wenig ändern.
12 Milliarden Euro allein
in Deutschland
Ein 40-Tonner kostet die Gesellschaft
pro gefahrenen Kilometer
63 Cent. Klimafolgen und Unfälle
schlagen nach Berechnungen des
Schweizer Instituts Infras dabei
mit 23 Cent pro Kilometer zu Buche.
Die Folgekosten des Straßengüterverkehrs
summieren sich
allein in Deutschland auf knapp
12 Milliarden Euro jährlich. Da verblassen
die zunächst beachtlich
erscheinenden deutschen Maut-
Einnahmen von jährlich 3,3 Milliarden
Euro.
Deshalb ist es höchste Zeit, dass
die sogenannten externen Kosten
des Straßengüterverkehrs, verursacht durch
Unfälle, Umweltverschmutzung und Lärm,
bei der Berechnung der Maut-Höhe in der
EU einbezogen werden. Das Europäische
Parlament hatte die EU-Kommission schon
2005 (!) verpflichtet, dafür die rechtliche
Grundlage zu schaffen.
Angesichts der aktuellen Klimadebatte
ist der jetzt vorgelegte Vorschlag zur
Eurovignette ein Armutszeugnis. Die EUKommission
sieht vor, die Folgen des Klimawandels,
aber auch die Folgen von Unfällen
(Arbeitsausfall, Krankheit, Invalidität) bei der
Internalisierung, also der Einberechnung der
externen Kosten in die Maut, nicht zu berücksichtigen.
Dabei machen diese beiden
Faktoren etwa 80 Prozent der externen Kosten
aus!
Nicht nur die Deutsche Bahn verzweifelt
angesichts dieser Milchbubenrechnung und
urteilt zutreffend: „Der Eurovignetten-Vorschlag
der Kommission wird zu keiner marktrelevanten
Verteuerung des Lkw-Verkehrs
führen.“ Europas Spediteure haben sich also
abermals durchgesetzt und erreicht, dass
die Folgekosten des Lkw-Verkehrs auch
künftig in großen Teilen vom Steuerzahler
und der Umwelt getragen werden.
Minimal- statt Maximal-Maut festlegen!
Hauptproblem ist die Mutlosigkeit bei der
Höhe der Maut. Anders als bei der Bahn, deren
Maut auf jedem Schienenkilometer und
für jede Lokomotive nahezu unbegrenzt erhoben
werden kann, soll es auf der Straße
weiterhin eine Maximalhöhe geben. So darf
ein Staat, wenn er externe Kosten anrechnet,
dies nur bis zu einer Höhe von maximal
25 bis 30 Prozent tun. Für Lärm etwa, der
nach EU-Expertenrechnungen Folgekosten
in Höhe von durchschnittlich 20 Cent pro
Kilometer verursacht, dürfen höchstens
2 Cent aufgeschlagen werden. Von der EU
beauftragte Wissenschaftler hatten in den
vergangen Jahren wiederholt eine Anrechnung
von mindestens 60 Prozent und bis zu
120 Prozent gefordert.
Den Maximalsatz hatten die Experten vor
allem für sensible Regionen wie die Alpen
empfohlen. Gerade in Österreich hatte man
darauf gehofft, von Brüssel die Genehmigung
für sehr viel höhere Mauten zu erhalten.
Im jetzigen Vorschlag wird die besondere
Lage sensibler Regionen allerdings weiterhin
kaum berücksichtigt. Ohne höhere Mauten
werden aber die Transitströme nicht auf die
Schiene verlagert, wie es im Nachbarland
Schweiz mit einer im Vergleich zu Deutschland
fünfmal höheren Maut gelungen ist.
Statt die Maut auf der Straße zu deckeln,
bräuchten wir eine Untergrenze.
Lkw-Maut-Erhebung muss
Pflicht werden!
Im Gegensatz zur Bahn, wo die Maut aufgrund
eines EU-Gesetzes in allen Mitgliedsstaaten
zwingend erhoben werden muss,
bleibt die Eurovignette freiwillig – ein schwerer
Fehler! Zumindest jene Staaten müssten
zur Einführung einer Maut verpflichtet werden,
die von der EU Geld für den Ausbau der
Infrastruktur wollen.
Eine Verkehrswende schaffen wir nur bei
einem fairen Wettbewerb, wenn – wie bei
der Bahn – alle Mitgliedsstaaten eine Maut
erheben müssen, die – wie in der
Schweiz – auf allen Straßen und für
alle Lkw bereits ab 3,5 Tonnen gilt.
Sonst wird sich nichts an absurden
Situationen wie etwa in Spanien
ändern, wo die mit EU-Geldern
gebauten Autobahnen quasi leer
sind, während sich auf den parallel
verlaufenden mautfreien Nationalstraßen
die Lkws aneinanderreihen.
Wie geht es weiter?
Jetzt liegt die Vorlage der EU-Kommission
zunächst beim Europäischen
Parlament. Dort könnte es
Mehrheiten für eine deutliche Verbesserung
des Kommissions-Vorschlags
geben. Widerstand gegen
das schon jetzt schwache Papier
zeichnet sich allerdings im Rat ab.
Im Kreis der EU-Regierungen gibt
es einige, die am liebsten ganz auf
eine Beteiligung des Lkw-Verkehrs an dem
von ihm verursachten Kosten verzichten
würden. Denn dort sind Länder wie Polen
oder die Slowakei mit am Tisch, die ihr gesamtes
Straßennetz kostenlos bereitstellen,
während sie die im EU-Vergleich höchsten
Schienen-Mauten erheben. Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament
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