|
Jost Beckmann, Leiter Fahrgastmarketing
der DB, erläuterte und rechtfertige
die Neuregelung, unter anderem in einem
Interview in der Sächsischen Zeitung vom
30. Mai 2008. Aber aus Kundensicht sind
viele seiner Behauptungen nicht nachvollziehbar.
Insbesondere die „Einheitlichkeit“,
die auch noch als Vorteil für die Reisenden
dargestellt wurde, ist zum Beispiel im ostsächsischen
Verkehrsverbund ZVON ganz
und gar nicht gegeben. Im Gegenteil: Hier
wird die DB ab Dezember mit ihrem verbleibenden
Angebot in der Minderheit
sein, denn sie erbringt dann nur noch die
die ZVON-Grenze überschreitenden Leistungen
von Zittau nach Dresden und von
Görlitz nach Dresden.
Man darf auch nicht vergessen, dass es nicht
nur um das erhöhte Beförderungsentgelt in
Höhe von 40 Euro geht. Da Schwarzfahren
ein Straftatbestand ist, kann er mit weiteren
Sanktionen belegt werden, die eigentlich für
Mitbürger gedacht sind, die nicht bezahlen
wollen, und nicht für solche, die in eine Falle
der Tarif- und Verkaufsstruktur getappt sind.
Ausgesprochenes Glück haben Reisende,
die am Start ihrer Bahnfahrt einen Fahrkartenschalter
vorfinden, wo sie außer einem
Fahrausweis auch eine Beratung erhalten,
welcher Fahrausweis für ihre Fahrt der richtige
ist. Im ZVON-Gebiet gibt es auf den
meisten Stationen nur Automaten, mit denen
viele Kunden Schwierigkeiten haben.
Widersprüchliche
DB-Fahrgastinformation
Völlig unklar ist die Situation für Reisende,
die mit Regionalbahnen unterwegs sind,
bei denen im Zug ein Fahrausweisautomat
vorhanden ist. Vor einiger Zeit wurden von
DB Regio Informationsmaterialien herausgegeben,
in denen die entsprechenden
Regionalbahn-Linien mit dem Hinweis
verzeichnet waren, dass dort der Erwerb
von Fahrausweisen am Automaten im Zug
möglich sei. Wenn im Zug dann tatsächlich
ein funktionsfähiger Automat vorhanden
ist und die Reisenden diesen umgehend
nach Besteigen des Fahrzeuges benutzen,
wird ihnen auch niemand etwas anhaben
können.
Nicht erst seit dem 1. Juni dieses Jahres
mehren sich aber Berichte von Reisenden,
die bei defektem oder – wegen des außerplanmäßigen
Einsatzes einer anderen
Triebfahrzeugbaureihe – nicht vorhandenem
Automaten im Zug vom Zugbegleiter
darauf hingewiesen wurden, dass sie
eigentlich Schwarzfahrer seien, denn sie
hätten ihren Fahrausweis immer vor Fahrtantritt
am stationären Automaten zu lösen,
sofern einer vorhanden ist. Die Benutzung
des Fahrausweisautomaten im Zug sei nur
beim Einstieg auf solchen Stationen statthaft,
auf denen es keinen Fahrausweisautomaten
gibt.
Bei den NE-Bahnen ist es demgegenüber
höchst erwünscht, dass die Reisenden ihren
Fahrausweis im Zug lösen, denn nach
der Einnahmenaufteilung im ZVON erhalten
die Verkehrsunternehmen so gut wie
nichts von Fahrgeldeinnahmen, die durch
andere Verkehrsunternehmen erzielt wurden.
Besonders prekär wird die Situation für
Reisende zwischen Görlitz und Bischofswerda.
Dort tritt ab dem Fahrplanwechsel
im Dezember der Fall ein, dass an Arbeitstagen
durch die ODEG, zum Wochenende
dagegen durch DB Regio gefahren
wird. Wer soll da noch durchsehen, ob
der Fahrausweiskauf im Zug ausdrücklich
erwünscht ist oder als Straftat geahndet
wird?
Kundenfeindliches Geschäftsgebaren
Während jeder ehrbare Kaufmann danach
trachtet, jeden einzelnen Kunden ernst
zu nehmen und als Stammkunden zu gewinnen,
erwartet die Deutsche Bahn AG
von ihren Kunden, dass sie ihren Teil beim
Abschluss des Beförderungsvertrages –
nämlich die Erfüllung der Zahlungspflicht
– schon im Voraus erbringen und dabei teilweise
schwierige technische Probleme lösen.
Die Annahme des Geldes erst während
der Erbringung der Beförderungsleistung
wird verweigert und darauf verwiesen,
dass sich der Kunde dann zum Straftäter
macht.
Die Kriterien für einen ehrbaren Kaufmann
erfüllt die DB damit nicht, sondern
sie stellt unter Beweis, dass die laufenden
Zahlungen aus öffentlichen Haushalten ihr
schon so weit zur Existenzsicherung verhelfen,
dass es ihr nur noch auf die Senkung
der laufenden Betriebskosten ankommt.
Und zu diesen zu vermeiden Betriebskosten
rechnet die DB auch solche, die entstehen,
wenn den Kunden der Fahrausweisverkauf
in einer in unserem Wirtschaftsleben sonst
üblichen kundenfreundlichen Weise ermöglicht
wird.
Aufgabenträger müssen handeln
Wir erwarten angesichts dieser Missstände,
dass die Aufgabenträger für den öffentlichen
Schienenpersonennahverkehr
endlich handeln und mindestens folgende
Qualitätskriterien einfordern:
- In jedem Zug findet jeder Kunde einen
Ansprechpartner vor, entweder einen
Zugbegleiter oder – in verkehrsschwachen
Zeiten – einen in Kundenkommunikation
ausgebildeten Triebfahrzeugführer.
- In jedem Zug kann der Kunde einen Fahrausweis
erwerben. Hinzunehmen ist lediglich,
dass der Erwerb von Fahrausweisen
vor Fahrtantritt preisgünstiger ist als
nach Fahrtantritt, soweit dieser Erwerb
vor Fahrtantritt auch für einen Gelegenheitsfahrgast
im Rentenalter völlig unkompliziert
ist.
DBV Oberlausitz-Niederschlesien
|