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Mit über 100 Besuchern war der Fahrgastsprechtag S-Bahn erneut der am besten besuchte. Links im Bild Tobias Heinemann, Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH. Foto: Raul Stoll |
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Mit über 100 Interessierten war der Fahrgastsprechtag
S-Bahn am 25. September 2008,
durchgeführt im Rahmen der 25. Schienenverkehrs-
Wochen, erneut sehr gut besucht.
Zum zweiten Mal stellten sich seitens der
S-Bahn Berlin GmbH Dr. Tobias Heinemann,
Geschäftsführer Marketing und Sprecher
der Geschäftsführung, sowie Ullrich Thon,
Geschäftsführer Betrieb, den Fragen und der
Kritik des Publikums und des einladenden
Fahrgastverbands IGEB.
Verkehrsnachfrage, Pünktlichkeit
und Kundenzufriedenheit
Eingangs berichteten beide Geschäftsführer zu aktuellen Themen aus dem Unternehmen. Das Jahr 2008 führte bis jetzt zu einer Zunahme der Fahrgastzahlen gegenüber 2007 – trotz der Streiks im vergangenen Jahr. Bis August wurden 254,6 Millionen Fahrgäste befördert (3,7 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2007) und eine Verkehrsleistung von 2,55 Milliarden Personenkilometern erbracht (ebenfalls plus 3,7 Prozent). Zurückzuführen sei dies auf den BVG-Streik im Frühjahr 2008, den Benzinpreisanstieg, die Abo-Kampagne und die weitere Zunahme an Berlin-Touristen.
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„Ansage beachten“ – Daueranzeige im S-Bf Spandau. Wenn schon keine korrekte Linienanzeige, so sollte wenigstens übergangsmäßig statisch „S 9/S 75 Richtung Westkreuz, Zoo, Hbf, Friedrichstr, Ostbf“ angezeigt werden. Foto: Florian Müller (September 2008) |
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Die Pünktlichkeit betrug im gesamten
Jahr 2007 im Schnitt 94,94 Prozent und lag
damit knapp unter der im Verkehrsvertrag
zugesicherten Quote von 95 Prozent. Aus
diesem Grund gab es für die S-Bahn Abzüge
bei den Bestellgeldern des Berliner Senats.
Aktuell liegt die Pünktlichkeit, bei der eine
Zugverspätung bis drei Minuten noch als
pünktlich angesehen wird, bei 95,63 Prozent.
Der Durchschnitt für 2008 liegt bisher
allerdings darunter. Ursachen waren u.a.
Fahrzeitverluste durch das Herabsetzen der
Höchstgeschwindigkeit aller Baureihen und
die verstärkte Bautätigkeit sowie die zahlreichen
Signal- und Weichenstörungen.
Alle sechs Monate wird im Auftrag der DB
Mobility & Logistics AG eine Fahrgastbefragung
im gesamten Bundesgebiet durchgeführt, um
die Kundenzufriedenheit in den einzelnen
Regionen und in allen S-Bahn-Systemen zu
ermitteln. Diese INFAS-Studie fand letztmalig
im Mai 2008 statt und brachte der S-Bahn Berlin
eine Note von 2,3 und damit den zweiten
Platz hinter der S-Bahn Rhein-Neckar (Note
2,2) ein. Demnach befanden 68 Prozent der
befragten Kunden den Service und die Leistung
der S-Bahn Berlin als gut bzw. sehr gut.
Die S-Bahn Berlin beauftragt darüber hinaus
jährlich eine eigene Umfrage, die einige
Themen umfangreicher als die INFAS-Studie
anspricht. Diese PSI-Total-Studie ermittelte
dabei eine Durchschnittsnote von 2,16 und
rund 80 Prozent zufriedene bzw. sehr zufriedene
Kunden.
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Zugzielanzeiger auf der S 1, links Julius-Leber-Brücke, rechts Zehlendorf. Die Gegenüberstellung zeigt, dass den Fahrgästen in Zehlendorf nicht nur vorenthalten wird, wohin der nächste Zug fährt, sondern auch wann er kommt, wie lang er ist und welcher Zug folgt. Auch der Verweis der S-Bahn GmbH, dass das Ziel vom Triebfahrzeugführer angesagt werde, befriedigt nicht, weil damit Hörgeschädigte und viele Ausländer ausgegrenzt werden. Entsprechend häufig wurde die S-Bahn beim Fahrgastsprechtag für den Rückbau der Fahrgastinformation kritisiert. Hinzu kam, dass kurz zuvor beim Regionalverkehrssprechtag der Vertreter von DB Station & Service jede Verantwortung für diese Entwicklung auf den S-Bahnhöfen von sich wies – das sei allein Sache der S-Bahn GmbH. Fotos: Marc Heller |
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Ob diese guten Werte auch in den nächsten
Befragungen im kommenden November
erreicht werden, ist allerdings zweifelhaft,
zeichnete sich die S-Bahn in den letzten
Monaten doch eher durch Unpünktlichkeit,
Infrastrukturmängel mit umfangreichen
und über mehrere Tage bzw. Wochen anhaltenden
Einschränkungen (z.B. Griebnitzsee
und Lichtenberg) und mangelnder Kundeninformation
aus.
Herr Heinemann bestätigte den Eindruck
vieler Fahrgäste, dass es abschnittsweise in
den S-Bahn-Zügen regelmäßig sehr voll wird.
Allerdings sieht er keinen Handlungsbedarf
für längere oder zusätzliche Züge. Auf dem
Ring sei die Auslastung schwerpunktmäßig
hoch (vor allem Treptower Park—Neukölln),
auf anderen Ringabschnitten aber eher gering
(z. B. Jungfernheide—Westend). Somit
gleiche sich die Auslastung auf dem gesamten
Ring aus. Das Angebot sei „marktgerecht“.
Diese Argumentation stieß auf
Unverständnis, einige widersprachen und
bekamen Applaus.
Bauschwerpunkte 2009
Bauschwerpunkte bleiben auch im Jahr
2009 der Bahnhof Ostkreuz und die Görlitzer
Bahn. Vorgesehen sind hier die Inbetriebnahmen
des neu erbauten Regionalverkehrsbahnsteigs
am Ostkreuz (Ring) Ende
August 2009, der für fünf Jahre der S-Bahn
dienen wird, sowie der neuen S-Bahnsteige
in Baumschulenweg und Adlershof. Darüber
hinaus werden die elektronischen Stellwerke
(ESTW) in Schöneweide und Zeuthen in
Betrieb genommen, die Zugbildungsanlage
(ZBA) Schöneweide erneuert und die Brücke
über den Britzer Zweigkanal (bei Baumschulenweg)
neu gebaut. Fortgesetzt werden
ebenso der Neubau der Anbindung an den
künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg
International mit dem Bahnhof unter
dem Terminal sowie die Erneuerung des
Bahnhofs Schöneweide.
Außerhalb dieser Schwerpunkte stehen
die Erneuerung der Spandauer-Damm-
Brücke (Bahnhof Westend), Falkenberger
Brücke (Bahnhof Hohenschönhausen) und
der Eisenbahnbrücke Krottnaurer Straße
(zwischen Schlachtensee und Nikolassee)
an. Der Regionalbahnhof Erkner wird erneuert
und der Bahnhof Karow erhält einen
neuen Nordzugang. Die Streckenerneuerung
Grunewald—Westkreuz wird zu vier
bis fünf Wochen Vollsperrung führen. Am
Bahnhof Lichtenberg werden Gleise und
Weichen saniert. Ohne Einschränkungen für
Fahrgäste werden die Zugbildungsanlagen
Friedrichsfelde (ehemaliges Betriebswerk)
und Tempelhof erneuert bzw. neu gebaut.
Dabei wird die noch vorhandene ehemalige
Triebwagenhalle in Tempelhof abgerissen.
Zusätzlich wird der Schienenschleifzug
über das ganze Jahr vor allem auf Stadt-
und Ringbahn zum Einsatz kommen und zu
abendlichen Sperrpausen führen.
S 21
Nach offiziellen Aussagen soll mit dem Bau
der S 21 im Jahr 2009 begonnen werden, zunächst
mit der Verbindung Wedding—Hbf
(Ostkurve), dann mit Westhafen—Hbf (Westkurve)
und später Hbf—Potsdamer Platz. Der
Nutzen-Kosten-Untersuchung des Münchener
Ingenieurbüros Intraplan lag das folgende
Betriebskonzept zugrunde, das zuvor mit
dem Land Berlin abgestimmt worden war:
- Eine neue Linie S 21 zwischen Jungfernheide
und Potsdamer Platz über die Westkurve,
- die Linie S 1 (Oranienburg—Wannsee mit
Verstärkern Frohnau—Wannsee) über
die Ostkurve und den Hauptbahnhof zum
Potsdamer Platz und nicht mehr durch
den Nordsüd-Tunnel über Friedrichstraße,
- die Linie S 85 vom Flughafen BBI über Ostkreuz,
Ostring, Gesundbrunnen, Ostkurve,
Hauptbahnhof und Potsdamer Platz nach
Zehlendorf.
Fahrgastinformations- und
Zugabfertigungssystem
Die Inbetriebnahme der dynamischen Fahrzielanzeiger
mit Anzeige der Abfahrtszeiten
in Echtzeit verzögert sich weiter. Während
das System auf der Ringbahn einigermaßen,
aber noch nicht ausreichend stabil läuft, zeigen
die Anzeiger auf der Stadtbahn nur die
planmäßige und nicht die tatsächliche Zeit
bis zur Abfahrt des nächsten Zuges an, sofern
sie überhaupt etwas (dynamisch) anzeigen.
Die S-Bahn hofft, die Probleme zusammen
mit den Herstellern noch in diesem Herbst
in den Griff zu bekommen. Die ärgerlichen
statischen Anzeigen im dynamischen Anzeiger
(z. B. Savignyplatz und Jannowitzbrücke)
begründet die S-Bahn mit einer fehlenden
Anbindung an den Zentralrechner. So fehlt
z. B. ein Datenkabel von Savignyplatz nach
Charlottenburg, von wo der Anzeiger manuell
gesteuert werden könnte. Für das Verlegen
des Kabels sei DB Netz zuständig.
Auch die Zugabfertigung durch den Triebfahrzeugführer
(ZAT) über Monitore verläuft
nicht nach Plan. Neben technischen Problemen
gibt es keine Nutzungserlaubnis durch
das Eisenbahn-Bundesamt. Derzeit ist auch
nicht ersichtlich, wann ZAT komplett in Betrieb
geht.
Während alle Stadt- und Ringbahnhöfe sowie
wichtige Umsteigebahnhöfe außerhalb
des Rings die neuen Fahrzielanzeiger bekamen
bzw. bekommen, wurden auf zahlreichen
Bahnhöfen Blechschilder angebracht,
die lediglich die Richtung der Züge angibt.
Darunter befinden sich auch Bahnhöfe, die
vorher Fallblattanzeiger besaßen. Ärgerlich
ist dies besonders dann, wenn auch die örtliche
Aufsicht bereits abgezogen wurde. Diese
Bahnhöfe sollen nun verbesserte automatische
Lautsprecheransagen erhalten, um
die Kunden besser über die einfahrenden
Züge informieren und sonstige betriebliche
Hinweise geben zu können. Eigentlich sollte
der Abzug der Aufsichten von solchen Bahnhöfen
erst erfolgen, wenn die Kundeninformationssysteme
vollständig funktionieren,
doch führten „wirtschaftliche Zwänge“ zu
dieser sehr kundenunfreundlichen Situation.
Die mangelnde Fahrgastinformation war
deshalb auch ein Schwerpunkt der Wortmeldungen
aus dem Publikum. Besonders
der Rückbau der alten funktionierenden
Info-Technik und der gleichzeitige Personalabzug
von den Stationen wurden mehrfach
heftig kritisiert.
Fahrzeuge
Derzeit unterliegen alle drei vorhandenen
Baureihen Einschränkungen in der Höchstgeschwindigkeit.
Statt 100 bzw. 90 km/h dürfen
die Fahrzeuge nur 80 km/h fahren. Um
die Höchstgeschwindigkeit wieder erhöhen
zu können, werden die Fahrzeuge nach und
nach technisch modernisiert. So wird die
Sicherungstechnik des Fahrsperrensystems
in allen Baureihen ebenso optimiert wie der
Gleitschutz und die Besandungsanlage in
den Fahrzeugen der neuesten Baureihe 481.
Bei einigen Fahrzeugen der Baureihe 485
wurden Risse in den Bodenblechen festgestellt.
Diese Fahrzeuge werden ab Oktober
einer Sanierung unterzogen. Bis die zu sanierenden
Wagen wieder einsatzfähig sind, ist
der Fahrzeugpark noch knapper als regulär.
Im Kampf gegen den Vandalismus werden
neue Beschichtungsverfahren erprobt,
die Eddingschmierereien an den Fahrzeugflächen
verhindern sollen. Das Bekleben
mit dunklen Scheibenfolien, wie es die BVG
derzeit an ihren Straßenbahnfahrzeugen
durchführt, ist bei der S-Bahn kein Thema,
da durch die Folien der Innenraum zu sehr
abgedunkelt werden würde.
Auch wenn die älteren Baureihen 480 und
485 eine Modernisierung erhalten sollen,
um sie bis 2017 weiter betreiben zu können,
beginnt die S-Bahn bereits jetzt mit der Erstellung
eines Lastenheftes für neue Fahrzeuge.
Grund ist die doch hohe Anzahl von
rund 120 benötigten Neufahrzeugen. Die
Ausschreibung soll ab Beginn des nächsten
Jahrzehnts erfolgen.
Aber nicht nur die älteren Fahrzeuge sollen
ertüchtigt werden. Auch die Baureihe
481 soll einem Redesign unterzogen werden,
wozu ein Prototyp in zwei Jahren vorgestellt
werden soll. Ob die Baureihe dabei
eine Klimaanlage erhält, wie von einigen
Fahrgästen vorgeschlagen, ist bisher nicht
entschieden. Die benötigte Energie einer
Klimaanlage ist sehr hoch und somit nicht
nur im Hinblick auf den Klimaschutz kritisch
zu betrachten. Das stehe dem Selbstverständnis
der S-Bahn als klimafreundliches
Verkehrsmittel entgegen.
Erste Umbauten in den Fahrzeugen finden
allerdings schon jetzt statt. So wurden und
werden in insgesamt zehn Zügen probeweise
die ehemaligen Erste-Klasse-Abteile
und die Mehrzweckabteile umgebaut, um
mehr Fahrrädern und Kinderwagen Platz zu
schaffen. Dies geht allerdings zu Lasten von
Sitzplätzen. Hierzu findet eine Fahrgastbefragung
statt.
Fahrkartenautomaten und -vertrieb
Aktuell verfügt die S-Bahn Berlin über 452
Automaten, die sehr gut angenommen werden.
Im Jahr 2007 nutzten 2,2 Millionen Kunden
die Automaten, zogen dabei 26,6 Millionen
Tickets und gaben im Schnitt 3,32 Euro
pro Ticket aus. Dabei waren 84 Prozent aller
verkauften Tickets Einzelfahrausweise und
Kurzstreckentickets. Die Verfügbarkeit der
Automaten liegt bei 98 Prozent.
Das Sortiment wurde zwischenzeitlich
erweitert. Auf Kundenwunsch wurde das
Berliner Sozialticket hinzugefügt. Des Weiteren
sind Tickets zu ausgewählten Messen
und Veranstaltungen am Automaten
erhältlich.
Für 2010 steht die Beschaffung von ca.
500 Automaten einer neuen Generation an,
die nicht nur schneller sein, sondern auch
besser lesbare Displays erhalten sollen. Die
Menüführung soll dabei mit der BVG abgestimmt
und vereinheitlicht werden.
Rund ein Viertel aller verkauften Tickets
erfolgt über Abonnements. Um diese Zahl
weiter zu erhöhen, soll die Beantragung
eines Abos einfacher werden. Noch dieses
Jahr sollen über die Homepage der S-Bahn
Abonnements beantragt werden können.
Damit folgt die S-Bahn dem guten Beispiel
der BVG, bei der dies bereits möglich ist.
Des Weiteren können Abokunden künftig
ihre Stammdaten bei Notwendigkeit online
ändern. Auch um Schüler soll verstärkt geworben
werden. So sind Schüler-Abo-Kampagnen
geplant.
Weiteres
- Die S-Bahn erfährt – wie auch andere
Bahnunternehmen – eine deutliche Zunahme
in der Mitnahme von Fahrrädern
und Kinderwagen. Der Verkauf von Fahrradfahrausweisen
ist in diesem Jahr um
36 Prozent gestiegen. Trotz der teilweisen
Probleme bei der Mitnahme von Fahrrädern
wird es keine Einschränkung in der
Mitnahmezeit geben. Die S-Bahn erhofft
sich eher eine Verbesserung durch den
oben angesprochenen Umbau der Mehrzweckabteile
und denkt über Preiserhöhungen
nach.
- Das Land Brandenburg will die Nutzen-
Kosten-Analyse für eine S-Bahn nach
Falkensee nochmals überarbeiten lassen.
Gesucht wird eine Variante, bei der die
S-Bahn trotz Erhalt von Regionalzügen
aus dem Havelland auf die Berliner Stadtbahn
einen Nutzen-Kosten-Faktor von
über 1,0 erreicht.
- Der Bau von Park-and-Ride-Plätzen
(P+R) innerhalb Berlins wird von der Stadt
nicht gefördert. Berlin verweist auf die
Zubringerfunktion von Bus und Fahrrad
und sieht daher keine Notwendigkeit für
solche Parkplätze.
- Die S-Bahn weist darauf hin, dass die
Fahrgastsprechstellen in den Zügen neben
den Türen auch ohne Betätigen der Notbremse
benutzt werden können. Die angebrachten
Hinweise suggerieren leider etwas anderes.
- Alle Stationen werden täglich durch
S-Bahn-Personal angefahren und überprüft.
Trotzdem sind gerade auf den immer
zahlreicheren Bahnhöfen ohne Aufsicht
Fahrgastinformationen wie die Punkt 3
und die Bauinfos oft nicht erhältlich.
- In letzter Zeit sind zahlreiche Ansagen in
den Zügen auch auf englisch zu hören.
Die S-Bahn will diesen Service im Hinblick
auf die weiter zunehmenden Tourismuszahlen
verstärkt ausbauen.
Jens Fleischmann
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