Was wird aus dem Flughafen Tempelhof? Über Monate dominierte
der Flughafen die stadtpolitischen Diskussionen in Berlin.
Nach dem Ende April 2008 gescheiterten Volksentscheid
für einen Erhalt des Flugbetriebs flaute die Debatte zunächst
ab. Doch mit einer im September durchgeführten ersten Öffentlichkeitsbeteiligung
zur Flächennutzungsplanänderung
und der näher rückenden Einstellung des Flugbetriebs am
30. Oktober wird nun lebhaft diskutiert, was mit dem 386 ha
großen Flughafengelände künftig geschehen soll.
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Städtebaulicher Entwurf für das bisherige Flughafengelände. Er ist die Grundlage für die Änderung des Flächennutzungsplans. Plan: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung |
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Bereits der Berliner
Flächennutzungsplan
(FNP) von 1994 sah auf Flächen
des Flughafens Tempelhof nach dessen
Schließung eine großflächige bauliche Nutzung
vor. Nur Restflächen in der Mitte wurden
als Grünfläche dargestellt. Diese formell
bis heute gültige Planung ignorierte sowohl
die gravierenden Freiflächendefizite in der
Berliner Innenstadt wie auch die Funktion
des Flughafengeländes als gesamtstädtisch
bedeutende Klimaausgleichszone.
Bereits kurz vor dem am 27. April erfolgten
Bürgerentscheid hatte die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung ein Änderungsverfahren
für den Berliner Flächennutzungsplan
im Bereich des Flughafens
Tempelhof eingeleitet. Im September wurde
der Änderungsplan im Rahmen der gesetzlich
vorgeschriebenen frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung
erstmals zur Diskussion
gestellt. Alle Bürger und Institutionen jeder
Art bekamen
die Gelegenheit, sich zu dem
Planentwurf zu äußern.
Der Änderungsplan sieht in Anlehnung an
einen städtebaulichen Entwurf in der Mitte
des Flughafengeländes eine zusammenhängende
ca. 220 ha große Grünfläche vor. Das
entspricht in etwa der Fläche des Großen
Tiergartens in Berlin-Mitte. Baugebiete sind
im Bereich des Flughafengebäudes und am
östlichen Rand entlang des Tempelhofer
Damms („Gemischte Baufläche“), entlang
der Stadtautobahn im Süden („gewerbliche
Baufläche“), am Columbiadamm und parallel
zur Oderstraße vorgesehen („Wohnbauflächen“).
Darüber hinaus sind – wie bereits
im gültigen FNP – zwei neue S-Bahnhöfe auf
der Ringbahn vorgesehen, bisher bezeichnet
als „Komturstraße“ und „Oderstraße“.
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Gegenüberstellung der bisherigen (2007, oben) und der beabsichtigten Flächennutzungsplanung (unten) für die Nachnutzung des Flughafens Tempelhof. Plan: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung |
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Für die künftige Umsetzung der Planungen
wurden die Durchführung einer Internationalen
Bauausstellung und einer internationalen
Gartenschau ins Gespräch gebracht.
Verknüpfung von Stadt- und
Verkehrsplanung mangelhaft
Mit dem vorgelegten Konzept verdeutlicht
der Senat, dass er – weit stärker als bisher –
die Chancen nutzen will, die im Erhalt einer
großen innerstädtischen Freifläche liegen,
was von den Kritikern als „Wiesenmeer-Projekt“
verspottet wird. Da es in Berlin jedoch
keinen Bedarf gibt, große neue Bauflächen
auszuweisen, während vor allem die dicht
bebauten Ortsteile Kreuzberg und Neukölln
nördlich und östlich des Flughafengeländes
große Freiflächendefizite haben, ist es richtig,
die Flächen nur teilweise zu bebauen.
Das gilt gerade auch aus Fahrgastsicht, weil
nur in den Randbereichen eine gute ÖPNVErschließung
vorhanden ist. Daran wird sich
angesichts viel wichtigerer innerstädtischer
ÖPNV-Projekte in den nächsten Jahrzehnten
auch nichts ändern.
Umso unverständlicher ist, dass beim vorgelegten
Entwurf für künftige Baugebiete auf
dem Flughafengelände die ÖPNV-Erschließung
viel zu wenig berücksichtigt wurde –
und das, obwohl die Stadt- und Verkehrsplaner
des Senats in einem Haus sitzen.
IGEB-Stellungnahme zum
Flächennutzungsplan des Senats
Deshalb hat die IGEB im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung
zur Flächennutzungsplan-
Änderung folgende Stellungnahme
abgegeben:
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Abflughalle Tempelhof. So schwierig es ist, das große Flugfeld in die Stadt zu integrieren, so schwierig ist auch die Nachnutzung der Gebäude. Foto: Marc Heller (September 2008) |
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„Der Berliner Fahrgastverband IGEB e. V.
befürwortet das Ziel, große Teile des ehemaligen
Flughafengeländes als Parklandschaft
zu entwickeln. Bei der Lage und Dimension
der Bauflächen bestehen jedoch im Hinblick
auf die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln
erhebliche Bedenken, da die
ÖV-Erschließung vielfach nicht attraktiv bzw.
nicht wirtschaftlich möglich sein wird.
- Zusätzliche S-Bahnhöfe auf dem Ring
Auf der Ringbahn sind zwischen den
Bahnhöfen Tempelhof und Hermannstraße
zwei neue S-Bahnhöfe vorgesehen. Der
Berliner Fahrgastverband IGEB hält diese
Planung für falsch, weil das Potenzial an
Ein- und Aussteigern auf diesen Bahnhöfen
viel zu klein sein wird, um die gravierenden
Nachteile für die anderen Fahrgäste
zu rechtfertigen.
Begründung: Das Fahrgastpotenzial wird
deshalb zu klein sein, weil es an beiden
Stationen keine Umsteiger von anderen
Verkehrsmitteln geben wird und weil Art
und Maß der geplanten Nutzungen im
fußläufigen Einzugsbereich der neuen
S-Bahnhöfe kein großes Fahrgastpotenzial
erwarten lassen. Demgegenüber wird
für die große Zahl der durchfahrenden
Fahrgäste auf diesem Streckenabschnitt
die Fahrzeit verlängert und der 60-Minuten-
Umlauf auf dem Ring gefährdet, was
erhebliche Nachteile für den Betriebsablauf
der S-Bahn insgesamt hat.
- Baufläche W3 am Columbiadamm
Die Baufläche W3 soll wegen unzureichender
ÖV-Erschließung reduziert werden.
Begründung: Für die unmittelbar am Columbiadamm
gelegenen Bauflächen ist
über die bestehende Buslinie 104 eine
akzeptable ÖV-Erschließung gegeben.
Für die östlich angrenzenden, südlich
der Friedhöfe vorgesehenen Wohnbauflächen
wären öffentliche Verkehrsmittel
(auch aufgrund der nicht möglichen
Durchquerbarkeit der Friedhöfe) nur mit
Fußwegen von bis zu 800 m erreichbar.
Das entspricht nicht den Vorgaben des
Nahverkehrsplans. Anderseits wäre ein
zusätzliches ÖV-Angebot zur Erschließung
dieser Flächen wirtschaftlich nicht
vertretbar. Da diese Wohnbauflächendarstellung
auch aus stadtklimatischen
Gründen problematisch ist, soll auf den
Bereich südlich der Friedhöfe verzichtet
werden.
- Baufläche W2 westlich der
Schillerpromenade
Auf diese Baufläche soll wegen fehlender
ÖV-Erschließung verzichtet werden.
Begründung: Wegen der großen Entfernung
zur Hermannstraße wäre für dieses
Wohngebiet eine aufwendige separate
Buslinienerschließung erforderlich, die
einerseits einen Ausbau der Oderstraße
für Busverkehr erforderlich macht und andererseits
im nördlichen Abschnitt durch
die Wohnstraßen des Schillerpromenadenkiezes
geführt werden müsste, was
auf wenig Akzeptanz in den bestehenden
Wohnquartieren stoßen dürfte.
- Bauflächen am S- und U-Bahnhof Tempelhof
Im fußläufigen Einzugsbereich des S- und
Bahnhofs Tempelhof sollen größere Bauflächen
ausgewiesen werden.
Begründung: Der Umsteigebahnhof zwischen
Ringbahn und U 6 bietet eine herausragende
Erschließungsqualität mit
einem entsprechend großen fußläufigen
Einzugsbereich. In diesem Bereich sollen
zur besseren Nutzung der Lagegunst
mehr Bauflächen ausgewiesen werden.
Die vorgelegte Flächennutzungsplanänderung
berücksichtigt die ÖV-Erschließung,
der gerade innerhalb des Rings eine herausragende
Bedeutung zukommt, viel zu wenig.
Einerseits werden vorhandene Erschließungsqualitäten
nicht genutzt, andererseits
werden Bauflächen ausgewiesen, wo eine
attraktive ÖV-Erschließung erst geschaffen
werden muss oder nie vorhanden sein wird.
Zur Vertiefung dieses wichtigen Aspekts hält
der Berliner Fahrgastverband Untersuchungen
zur ÖV-Erschließung und eine daraus
abgeleitete Verbesserung der Bauflächendarstellungen
für erforderlich.“
Berliner Fahrgastverband IGEB
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