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Planung für die Straßenbahnanlagen am Bf Schöneweide. Kartengrundlage: Fugmann Janotta / BA Treptow-Köpenick; Eintragungen: IGEB |
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Wer sich mit der Straßenbahn von Karlshorst
oder Köpenick kommend dem Regional- und
S-Bahnhof Schöneweide nähert, der erlebt ein
Beispiel der Autoverkehrsplanung der 1970er
Jahre: Um dem Autoverkehr nach dem Bau
der Berliner Mauer einen Weg nach Südosten
zu bahnen, wurde seinerzeit das Adlergestell
massiv ausgebaut. Straßenbahnen wurden
entweder – wie in Treptow und Baumschulenweg
– stillgelegt, oder sie wurden in Adlershof
und in Schöneweide aus der Mitte der
Straße in Seitenlagen abgeschoben.
Und so ist die Situation noch heute: Nach
dem Überqueren der alptraumhaften siebenspurigen
Michael-Brückner-Straße biegen die
Bahnen nach links ab, um an der Front des
Bahnhofsgebäudes entlang zu fahren, bis sie
nach etwa 90 m die Haltestelle „S-Bahnhof
Schöneweide“ erreichen. Der Bahnhofsvorplatz
ist eine heruntergekommene Stadtbrache
mit einer entsprechenden Nutzung. Das
ist auch kein Wunder angesichts des belastenden
Autoverkehrs, der trotz der benachbarten
neu gebauten Autobahn A 113, auch
auf dem Adlergestell weiterhin sehr stark ist.
Diese „Verslumung durch Autoverkehr“ ist
die Folge einer seit Jahrzehnten vom Auto
beherrschten Verkehrspolitik, in Ost- wie in
West-Berlin.
Nach dem Fahrgastwechsel am Bahnhof
fahren die Straßenbahnen bisher in einer
Rechtskurve unter den den Sterndamm überquerenden
Eisenbahnbrücken hindurch und
erreichen in Seitenlage entweder die Gleisschleife
„Südostallee“ am S-Bahnhof oder
sie gelangen auf die weiterführenden Gleise
nach Johannisthal.
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Umsteigeknoten am Bf Schöneweide. Foto: Marc Heller |
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An dieser Situation soll sich nach dem Willen
von Senat, Bezirksamt und BVG einiges
ändern. Deshalb lagen im Herbst 2008 Planfeststellungsunterlagen
zur Umgestaltung
der Straßenbahnanlagen am Bahnhof Schöneweide
öffentlich aus. Danach sollen die
Straßenbahnen künftig fast geradlinig aus
der Brückenstraße kommend die Michael-
Brückner-Straße überqueren. Unmittelbar
dahinter beginnt ein 62 m langer Haltestellenbereich,
der sich bis an den Fuß des Bahndammes
hinzieht.
Große Pläne, aber nur kleine
Verbesserungen für Umsteiger
Hieraus ergibt sich der Hauptkritikpunkt an
den Planungen: Die Straßenbahnhaltestellen
werden nicht – wie einst versprochen – unter
den S-Bahnsteigen mit direkten Zugängen
zu diesen errichtet, sondern vor dem
Bahndamm zwischen Einkaufszentrum (EKZ)
und Empfangsgebäude (auf der Zeichnung
Bereich A). Und es kommt noch schlimmer:
Da zwischen dem Einkaufszentrum und dem
Nordgiebel des denkmalgeschützten Empfangsgebäudes
des Bahnhofs auch noch
Platz für zwei MIV-Spuren und eine Spur mit
Längsparkplätzen bleiben soll – die scheinheilig
als ›Behindertenparkplätze‹ verkauft
werden, sind für die Haltestellen nur Breiten
von 3 m (in Richtung Johannisthal) bzw. absolut
unzureichende 2,65 m (in Richtung Köpenick/
Karlshorst) vorgesehen. Auf diesen viel
zu schmalen Haltestellen muss dann der gesamte
Umsteigeverkehr zwischen den aus Karlshorst/Köpenick
kommenden bzw. dorthin fahrenden Straßenbahnlinien
und der S-Bahn abgewickelt werden.
Aus der gewählten
Lage der Haltestellen ergibt sich auch kein
direkter Zugang zu den S-Bahnsteigen. Vielmehr
müssen die tausenden Umsteiger pro
Tag an dieser Stelle nach dem Überqueren der
Straßenbahngleise etwa 6 m auf der Haltestelle
Richtung Karlshorst/Köpenick zurücklaufen
(!), um dann in einen lediglich ca. 4 m
schmalen Gang einzubiegen, der nach etwa
20 m in das neu zu bauende Durchgangsgebäude
zu den S-Bahnsteigen einmündet.
Nach einer erneuten Rechtskurve haben die
Fahrgäste endlich den Zugangstunnel zu
den Bahnsteigtreppen erreicht. Das liest sich
nicht nur äußerst umständlich, das ist auch
unkomfortabel und aufgrund der geringen
vorgesehenen Breiten sowie des erheblichen
Umsteigeverkehres an dieser Stelle unzumutbar.
Es erinnert an die Situation am S- und
U-Bahnhof Frankfurter Allee, wo der Verbindungsweg
zwischen S-Bahnhof und U-Bahnhof
ein völlig überlasteter schmaler Hohlweg
ist, in dem sich die Passanten gegenseitig
behindern und bedrängen. Bei einem Neubau
sind derart schmale, verwinkelte und
schlecht einsehbare Umsteigewege gerade
auch hinsichtlich des Sicherheitsaspektes inakzeptabel.
Hinzu kommt, dass die Haltestelle zum Erreichen
des Tunnels unter den Bahngleisen
in einem Gefälle liegen wird (am Südwestkopf
ca. 1 m unter Geländeniveau). In der
Planung sind am südwestlichen Bahnsteigende
keine niveaugleichen Abgänge zum
EKZ vorhanden, sondern eine siebenstufige
Treppe. Mobilitätseingeschränkte Fahrgäste
müssen folglich die gesamte Haltestellenlänge
zurücklaufen oder -fahren, um über
den nordöstlichen Abgang zu diesem zu
gelangen. Das wird angesichts der von den
Straßenbahnen zum S-Bahnhof strömenden
Menschenmassen nicht einfach werden.
Da das Planum des Fußgängertunnels des
S-Bahnhofes etwa einen halben Meter über
dem Straßenniveau liegt, ergibt sich insgesamt
ein Höhenunterschied von 1,40 m, den
die Fahrgäste über eine Rampe überwinden
müssen. Das „Abtauchen“ der Gleise in den
Tunnel unter der Görlitzer Bahn lässt sich
nicht verhindern; es wird zum Problem allein
dadurch, dass die Haltestelle vor dem Tunnel
liegen wird. Und: zumindest die Gestaltung
der Abgänge am Südwest-Ende der Bahnsteige
ist nicht zwingend.
Eine Möglichkeit, die Situation zumindest
etwas zu entschärfen, besteht darin, auf die
Ausfahrspur für den MIV (und die Parkplätze)
vor dem EKZ zu verzichten und die Gleisachsen
um mindestens zwei Meter nach Nordwesten zu
verschieben. Somit ist die Anlage ausreichend
breiter Haltestellen (jeweils ca. 4m)möglich.
Der Verzicht auf eine Ausfahrsspur
für Kfz an dieser Stelle ist problemlos
möglich, da der Baukörper des Einkaufszentrums
vom MIV und Lieferverkehr bereits
jetzt komplett umrundet werden kann.
Aus dem Verzicht auf diese Fahrspur ergäbe
sich auch eine erhebliche Vereinfachung
am Knotenpunkt Brückenstraße/Michael-
Brückner-Straße, da hier keine zusätzliche
Ampelsignalisierung für aus dieser Straße
kommende Autos mehr vorzusehen wäre,
womit eine erhebliche Behinderung des Straßenbahnverkehrs
wegfiele.
Neuorganisation der Endstellen
Unmittelbar hinter dem Südwestkopf des
Haltestellenpaares beginnt der Tunnel der
neuen Eisenbahnunterführung. Dieser weist
einen Zwangspunkt in Gestalt des denkmalgeschützten
S-Bahn-Stellwerks Swn auf, was
eine befriedigende Lösung der Haltestellensituation
ebenfalls erschwert. Die Trasse des
Tunnels und die Haltestelle am Einkaufszentrum
sind zur gemeinsamen Benutzung durch
Straßenbahnen und Busse (OL 160) vorgesehen.
Der 167er verbleibt dagegen in seiner
bisherigen Lage in der Michael-Brückner-
Straße und wird somit den Umsteigeknoten
weiterhin nur tangieren. Hier muss zumindest
dafür gesorgt werden, dass die Haltestellen in
der Michael-Brückner-Straße unmittelbar an
die Kreuzung Brückenstraße verlegt werden,
um zumindest die Erreichbarkeit der Straßenbahnhaltestellen
am EKZ zu erleichtern.
Und schließlich sollte es eine Selbstverständlichkeit
sein, dass eine ebenerdige Fußgängerquerung
der Michael-Brückner-Straße
auf der Südseite der Kreuzung mit der Brückenstraße
ermöglicht wird, da eine zwangsweise
Nutzung des Fußgängertunnels für viele
Umsteiger und sonstige Fußgänger nicht
zumutbar ist.
Auf der Johannisthaler Seite teilen sich
die Gleise: Ein Gleis führt in die
dreigleisige
Endstellenanlage der Straßenbahn (mit 42, 62
und 82 m langen Bahnsteigen (7-9) für die
am S-Bahnhof endenden Linien 21, 37/67 und
M 17), das andere ist das diagonal die gesamte
Anlage durchquerende Durchfahrgleis Richtung
Johannisthal. Dieses erhält einen 82 m
langen Zentral-Bahnsteig (6), an dem neben
den durchfahrenden Linien 63 und 160 auch
die in der Endstelle einsetzenden Buslinien
X 11, M 11, 163, 166 und 265 halten
werden. Nach der Kreuzung mit
dem Gleisbogen der Wendeschleife
verlässt diese ÖPNV-Trasse den
Schleifenbereich und biegt nach
rechts in den Sterndamm ein.
Die Busse fahren in der alten
Lage (allerdings ohne an dem bisherigen
Haltestellenstandort vor
dem Wohnhaus Sterndamm 8 erneut
zu halten), die Straßenbahn
verläuft ab hier in Mittellage bis zur
Kreuzung Sterndamm/Groß-Berliner
Damm/Südostallee. Dort wird
die existierende Trasse der Straßenbahn
im Sterndamm erreicht.
Von Johannisthal kommend teilen
sich Straßenbahnen und Busse
die Trasse in Mittellage, damit die
existierende Busspur entfallen
kann und dem MIV zwei komplette
Fahrspuren Richtung Nordosten
zur Verfügung stehen. Aus- und
Einfahrt aus der bzw. in die Schleifenanlage
dürfte sich wegen der
fahrplantechnisch im Interesse
von kurzen Umsteigezeiten ja gewünschten
Pulkbildung von Straßenbahn- und Buslinien
problematisch gestalten, da sämtliche Straßenbahnen
und Busse künftig den Richtung
A 113 flutenden MIV im Sterndamm queren
müssen. Aus den Berliner Erfahrungen lässt
sich ableiten, dass dies mit ausgedehnten
Wartezeiten an der Ampel einhergehen
wird, so dass sich die Reisezeiten verlängern
werden. Die vorgesehenen Planungen können
nur dann ohne Behinderungen für den
ÖPNV funktionieren, wenn die Aus- und
Einfahrt auch mehrerer Straßenbahnen und
Busse hintereinander in einer Ampelphase
in die und aus der Abstellanlage durch eine
bedarfsgerechte Ampelschaltung unter Berücksichtigung
eines Vorrangs für den ÖV
sichergestellt wird.
Nach dem Einbiegen in die Wendeschleifenanlage
teilen sich die Wege: Die Busse der
Linie M 11 erreichen direkt am Bahndamm
ihre Endstelle (1). Die durchfahrenden und die
einsetzenden Straßenbahnen werden dagegen
nach Südwesten versetzt geführt, um im
Anschluss an ihre Haltestelle (2) die Einfahrt
in den Straßenbahntunnel zu erreichen. Die
anderen Buslinien, die am S-Bahnhof Schöneweide
enden (X 11, 163, 166, 265), erhalten
ihre Ausstiegshaltestellen (3-5) weiter innen
und kehren auch innerhalb der Gleisschleife.
Sämtliche neun Bahnsteige in der Schleifenanlage
werden 3 m breit ausgeführt, was
das Missverhältnis zu der Breite der beiden
zwischen EKZ und Bahnhof geplanten Schmal-
Bahnsteige, die zukünftig die Hauptlast
des Verkehrs tragen werden, unterstreicht.
Allerdings ist selbst eine Breite von 3 m angesichts
des zu erwartenden Verkehrs auf der
zentralen Abfahrhaltestelle Richtung Süden
(6) unzureichend. Diese muss mit einer Breite
von mindestens 4 m realisiert werden.
Von der Geometrie ist die Anlage so ausgelegt,
dass die Endstelle der Buslinie M 11 künftig
zur Endstelle für aus Richtung Adlershof
bzw. Johannisthal kommende Straßenbahnen
werden kann. Dies ist dann zu erwarten,
wenn die Strecken über den Groß-Berliner
Damm oder zum U-Bf Zwickauer Damm gebaut
werden, wobei Züge von letztgenannter
Strecke nicht am Bahnhof Schöneweide
enden sollten, sondern weiter in Richtung
Karlshorst geführt werden müssen. Allerdings
wird der für dieses Szenario vorgesehene
Gleisbogen bei einem Mindestradius von
25 m die zentrale Abfahrhaltestelle Richtung
Süden (6) nicht erreichen, was ein Unding ist.
Das Weichenvorfeld der Abstellanlage bzw.
der Abfahrhaltestelle Richtung Süden muss
von vornherein so geplant und gebaut werden,
dass bei Realisierung der Straßenbahnstrecke
von Adlershof kein erneuter Umbau
der Schleifenanlage erforderlich wird!
Eine Verbesserung durch die Baumaßnahme
ergibt sich aus dem vorgesehenen
Durchbruch des vorhandenen Fußgängertunnels
im S-Bahnhof, der bisher nur von der
Schöneweider Seite aus zugänglich ist, zur
Wendeschleifenanlage auf Johannisthaler
Seite. Damit wird der Umsteigeweg für von
Johannisthal kommende Fahrgäste substantiell
verkürzt.
Wem nützt es?
Neben zahlreichen Kritikpunkten im Detail
ist insbesondere die Anlage der Straßenbahnhaltestelle
zwischen Einkaufszentrum
und Bahnhof der Kardinalfehler und führt zu
weiteren Problemen und Erschwernissen für
die Fahrgäste.
Das in den Planungsunterlagen formulierte
Ziel „Verbesserung der Umsteigebeziehungen“
wird weitgehend verfehlt, weil man wegen
angeblicher Geldknappheit die große Lösung
mit Anlage der Straßenbahnsteige unter
den S-Bahnsteigen scheut. Das Ziel „Abbau
der Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern“
wird auf Kosten der ÖPNVFahrgäste
erreicht, da sich zukünftig
aufgrund der Topologie der Gleisschleife
durchfahrende Busse und
Bahnen mit einsetzenden an jeweils
mindestens zwei Knoten gegenseitig
behindern werden – egal in welcher
Richtung diese unterwegs sind. Das
ist aufgrund der zu beobachtenden
Pulkbildung bei den Abfahrten und
Ankünften keineswegs eine lediglich
theoretische Möglichkeit.
Die Ausfahrt aus der Schleifenanlage
in den Sterndamm dürfte sich
ebenfalls äußerst problematisch
gestalten, da sämtliche Busse und
künftig auch die Straßenbahnen
den Richtung A 113 flutenden MIV im
Sterndamm queren müssen. Aus den
Berliner Erfahrungen lässt sich ableiten,
dass das mit ausgedehnten Wartezeiten
an der Ampel einhergehen
wird, so dass sich die Reisezeiten verlängern
werden. Und bezeichnend ist
auch, dass selbst nach Fertigstellung
der A 113 die Straßenverkehrsplaner
eine aus ÖV-Sicht dringend gebotene zusätzliche
Fußgängerquerungsmöglichkeit an der
Kreuzung Michel-Brückner-Straße / Brückenstraße
aus Gründen der Leistungsfähigkeit für
den MIV ablehnen.
Damit behalten all jene Kritiker des Bauvorhabens
Recht, die in der Angelegenheit von
Beginn an eine pure Straßenausbaumaßnahme
sahen, indem die Straßenbahntrasse
unter den Eisenbahnbrücken am Sterndamm
zugunsten von Kfz-Spuren beseitigt wird.
Wieder einmal hat sich bewahrheitet: Wer
Straßen wie die A 113 baut, der wird auf allen
zulaufenden Stadtstraßen im Verkehr ersticken.
Die Folgen werden dann dem ÖV und
seinen Fahrgästen aufgebürdet.
Bezeichnenderweise sieht der Bezirk Treptow-
Köpenick die „Aufwertung des Bahnhofsvorplatzes“
stets im Zusammenhang mit
einer „Herausnahme der Straßenbahn“ und
stellt sich dafür die Anlage eines ausgedehnten
Autoparkplatzes plus einem guten dutzend
Taxistellplätzen vor. Damit würde der
bis 2003 existierende Parkplatz am Bahnhof
Schöneweide, der dem Einkaufszentrum weichen
musste, an anderer Stelle wieder aufleben.
Und dies ungeachtet der Tatsache, dass
das völlig überdimensionierte Parkhaus des
EKZ stets zu 50% leer steht. Seit wann allerdings
die Anlage einer Parkplatzfläche eine
Aufwertung darstellt, wird das Geheimnis des
Treptower Bezirksamtes bleiben. (mg) IGEB Stadtverkehr
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