Die Erfahrungen beim Bemühen um den Erhalt
und die Reaktivierung der Warndt- und
Rosseltalbahn (letztere – inzwischen längst
ohne SPNV – feiert in diesem Jahr ihr 100-
jähriges Bestehen) haben mir vor Augen
geführt, wie wenig Zeit Bürgerinitiativen
und Interessengemeinschaften bleibt, welches
Know-how und welcher persönliche
Aufwand notwendig ist (ganz zu schweigen
von dem Aufbau von Vernetzungen und
Kooperation mit Verbänden und Vereinen),
um brauchbare alternative Lösungen zu
entwickeln, die den Automatismus der Stilllegungen,
d. h. die Umwidmung oder Entwidmung
von Trassen, aufhalten oder ihm
begegnen.
Daher schlage ich vor, eine „Stiftung
Bahnkultur“ ins Leben zu rufen. Sie soll einerseits
die bestehenden vielfältigen privaten
Initiativen
systematisch fördern und
beraten, andererseits aber die spezifische
Aufgabe bekommen, den Erhalt von zur
Stilllegung und Entwidmung vorgesehenen
Trassen und von denkmalgeschützten
Bahngebäuden für eine bestimmte Zeit (5
bis 10 Jahre) zu sichern, um genügend Zeit
zur Planung und Umsetzung alternativer,
vorwiegend kulturerhaltender Lösungen zu
schaffen.
Ein Beweggrund ist auch die Befürchtung,
dass mit der Privatisierung der Bahn – auch
aufgrund des schon bestehenden Procedere
bei Streckenstilllegungen – insbesondere
im ländlichen Raum in erheblichem Maße
Trassen zurückgebaut werden, weil sie sich
betriebswirtschaftlich gesehen nicht hinreichend
tragen. Es steht zu erwarten, dass
dieser Prozess bei einer Privatisierung der
Bahn nicht nur nicht mehr aufzuhalten sein,
sondern sich beschleunigen wird, wenn
nicht Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Der demografische Faktor wird zudem dazu
beitragen, dass selbst das bestehende, weitgehend
auf privater Initiative aufbauende
„Kulturgut Bahn“ schrittweise zurückgeht
bzw. vernichtet wird.
Beim Verband Deutscher Museums- und
Touristikbahnen sind derzeit etwa 100 Organisationen
Mitglied, die eine Museumsbahn
betreiben. In der Regel handelt es sich um
gemeinnützige Vereine, die aus Interesse an
der Bewahrung der Industriekultur ihrer Region
viel Zeit und erhebliche private finanzielle
Mittel einbringen, um die Erinnerung
an dieses Industriekulturgut wach zu halten,
und dabei durchaus auch touristisch interessante
Angebote schaffen. In vielen Fällen
sichern sie den Erhalt stillgelegter und ansonsten
entwidmeter Strecken und Trassen.
Die Finanzdecke dieser Vereine ist sehr
schwach, so dass man trotz des erheblichen,
idealistisch motivierten zeitlichen und finanziellen
Aufwands häufig nicht hinreichend
sicherstellen kann, dass die notwendigen
Arbeiten wie größere Reparaturen zur Erhaltung
der Betriebsfähigkeit des Wagenparks
und besonders der Lokomotiven, TÜV-Überprüfungen,
Pflege der Gleisanlagen usw.
durchgeführt werden können.
Zur Errichtung der Stiftung werden erhebliche
Mittel benötigt. Würde das Stammkapital
der Stiftung etwa bei einer Milliarde
Euro liegen, ergäben sich bei vorsichtiger
Rechnung daraus jährlich 50 Millionen Euro
an Zinsen. Die Zinsen sollten zu Förderzwecken
(nach einem noch zu entwickelnden
Konzept) und z. B. zur Bereithaltung ansonsten
rückzubauender Trassen für einen bestimmten
Zeitraum verwendet werden.
Der Zeitpunkt der Privatisierung der Deutschen
Bahn bietet eine gute Gelegenheit, im
Rahmen des Börsengangs (ähnlich dem Modell
der Kohlestiftung) das Stiftungskapital
einzuwerben, ggf. auch im Rahmen einer
Public-Private-Partnership.
In einem ersten Schritt sollten durch Experten
und entsprechende Gremien die
Grundsätze zur Vergabe von Mitteln an Vereine
und Kommunen festgelegt werden, die
als Infrastrukturunternehmen und Verkehrsunternehmen
in Frage kommen. Der Stiftung
könnte zudem eine qualitätssichernde
Aufgabe zugewiesen werden, indem sie
die Mittelvergabe an bestimmte Maßstäbe
knüpft und die zielgerichtete Mittelverwendung
kontrolliert.
Durch die Einbeziehung der Stiftung
Bahnkultur in den Prozess der Streckenstilllegung
wird eine rein an kommerziellen Zielen
orientierte Bahnpolitik verhindert. Die
Stiftung sollte andererseits nicht als Alibi
für die Herausnahme von Trassen aus dem
Schienennetz der DB Netz AG missbraucht
werden. Aber bei objektiver Feststellung
der Tatsache, dass die Weiternutzung weder
betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich
vertretbar ist, sollte die Stiftung
einen überhasteten Rückbau von Strecken
verhindern. IG Warndt- und Rosseltalbahn im DBV
Prof. Harald H. Zimmermann, Saarbrücken
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