Zum 1. Januar 2007 will die Deutsche Bahn AG
die Preise für Einzelfahrscheine und Zeitkarten
erneut anheben, im Fernverkehr um durchschnittlich
5,6 Prozent und im Nahverkehr
außerhalb der Verbundtarife um durchschnittlich
3,9 Prozent. Nach eigenen Angaben reagiert
die DB damit auf die 2006 realisierten
bundesweiten Angebotsverbesserungen und
erhebliche Kostensteigerungen bei Strom, Öl
und Diesel.
Der Deutsche Bahnkunden-Verband e. V.
(DBV) hat sich im November 2006 auf seinem
Bundesverbandstag in Saarbrücken kritisch
mit den Fragen der Tarifanhebung der DB im
Nahverkehr auseinandergesetzt.
Angemessenheit wird bezweifelt
Die DB hat nach Erkenntnissen des DBV bisher
nicht nachgewiesen, dass die Tarifanhebung
zur Herstellung eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses
unter Einschluss eines angemessenen
Unternehmergewinns erforderlich
ist. Ein solcher Nachweis ist aber auch im Bereich
des Schienenpersonennahverkehrs (§ 12
des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – AEG)
erforderlich. Denn ebenso wie im öffentlichen
Straßenpersonennahverkehr (ÖSPV) (§ 39 des
Personenbeförderungsgesetzes – PBefG)
dient § 12 AEG dazu, dass die Tarifgenehmigungsbehörde
einen Ausgleich zwischen dem
Interesse des Unternehmens und dem Kunden
herstellen kann. Dass der Gesetzgeber
mit dieser Vorschrift diesen Zweck verfolgte,
ergibt sich aus den Materialien zur Eisenbahnneuordnung.
Die aktuelle Entwicklung im Strom- und
Gasmarkt zeigt, dass auch andere große Unternehmen
in der Lage sind, ihr Betriebsergebnis
in entsprechender Weise darzustellen. Dies
musste zwar gerichtlich erzwungen werden,
hat aber dazu geführt, dass von den für die
Preisaufsicht zuständigen Behörden sogar
Preissenkungen durchgesetzt werden konnten.
Die Fahrgäste im ÖPNV haben gerade in
der gegenwärtigen durch Einkommensverluste
geprägten Situation ein mindestens ebenso
hohes Interesse wie die Strom- und Gaskunden,
nicht mit Preisanhebungen überzogen zu
werden, die nicht angemessen sind.
Kostentransparenz schaffen
Da die Kunden zum einen über ihren Fahrpreis
und zum anderen aber auch als Steuerbürger
den DB Nahverkehr finanzieren, muss die DB
gerade auch gegenüber den Fahrgästen für
mehr Transparenz sorgen. Darauf hat auch
vollkommen zu Recht Bundesverkehrsminister
Wolfgang Tiefensee in seiner Presseerklärung
vom 11. Oktober 2006 hingewiesen: „Die
Kunden haben Anspruch darauf, die genauen
Gründe für die Preiserhöhung zu erfahren. Erst
dann kann sich die Öffentlichkeit eine Meinung
zu der Notwendigkeit und Angemessenheit
der Preissteigerung bilden.“
DB soll Aufwand und Erlöse nachweisen
Die DB soll daher ihren bisherigen und zu
erwartenden Aufwand und ihre Erlöse im
Einzelnen darstellen, wie es im Tarifgenehmigungsverfahren
im Bereich des Linienomnibusverkehrs
gängige Praxis ist. Hierbei ist zu
berücksichtigen, dass die für das PBefG maßgebliche
Preisverordnung 30/53 den Gewinn
auf ein angemessenes Maß begrenzt. Darunter
sind nach der einschlägigen Kommentierung
im Bus- und Straßenbahnbereich maximal
5 Prozent zu verstehen. Diese Begrenzung
auf 5 Prozent hat ihre Ursache darin, dass die
Busunternehmen im Linienverkehr nach Konzessionserteilung
langjährig vor Wettbewerb
geschützt sind. Da die DB ebenso auf langjährige
Verkehrsverträge unter Ausschluss von
Konkurrenz bauen kann, ist eine vergleichbare
Begrenzung des Gewinns zu fordern.
Angesichts der jüngsten Erfolgsbotschaften
der DB bestehen jedoch erhebliche Zweifel,
ob die DB nicht ohnehin ein schon mehr als
auskömmliches Betriebsergebnis erzielt. So
verkündete Bahnchef Hartmut Mehdorn am
26. Oktober zur Geschäftsentwicklung der DB:
„Mit dieser anhaltend erfreulichen Entwicklung
werden wir auch im Geschäftsjahr 2006 unsere
Erfolgsgeschichte fortsetzen. Es wird damit
das beste Jahr in der Geschichte der Deutschen
Bahn sein“. Das größte deutsche Bahnunternehmen
erziele ein operatives Ergebnis,
welches „deutlich ansteige“ und nach neun
Monaten mit rund 1,5 Milliarden Euro bereits
oberhalb des Wertes für das Gesamtjahr 2005
gesamt läge.
Sparen statt Kosten weiterreichen
Statt wieder einmal den Kunden ans Portemonnaie
zu gehen, sollte die DB lieber ihre
selbst gesteckten Ziele umsetzen. Beispielsweise
formulierte die DB Regio NRW GmbH
unter dem Motto „Kosten reduzieren und
Qualität steigern“ noch am 23. September des
Jahres: „Wir streben eine deutliche Verbesserung
unserer Kostenstrukturen an und setzen
dabei weiterhin auf eine Optimierung unserer
Qualität. Langfristig kostet Qualität nicht mehr
Geld, sondern hilft die Effizienz zu steigern und
damit Kosten zu sparen. Dies gilt für die interne
Organisation unseres Unternehmens und erst
recht für die Produktion unserer SPNV Leistungen“.
Dieses ist auch nach Auffassung des DBV
allein der richtige Weg und belegt, das Angebotsverbesserungen
zu einer Verbesserung
des wirtschaftlichen Ergebnisses führen.
Energiekosten kein Argument
Darüber hinaus ist das Argument von in der
Vergangenheit gestiegenen Energiepreisen
für einen Tarifantrag, der die Entwicklung für
das nächste Jahr berücksichtigen muss, nicht
stichhaltig, zumal die Dieselpreise in der letzten
Zeit gefallen sind. Letztlich müsste die DB
auf eine belastbare Steigerungsprognose für
das kommende Jahr heranziehen. Doch die
Wirtschaftsanalysten statuieren derzeit eher
ein Nachlassen der Belastung durch Energiekosten.
Außerdem werden Energiepreissteigerungen
im Verkehrsvertrag üblicherweise durch
Preisgleitklauseln abgedeckt. Der Einsatz moderner
Traktionsmittel sollte ohnehin auch
unter dem Gesichtspunkt der Verringerung
des Energieeinsatzes erfolgen. Hier sei nur am
Rande auch das Kyoto-Protokoll (Vermeidung
von CO2-Emissionen) als Stichwort erwähnt.
Fahrpreiserhöhung vs. Daseinsvorsorge
Mit der Eisenbahnneuordnung ist den Ländern
die Verantwortung für den SPNV zugeordnet
worden. Dieser Bereich gehört
unstreitig wie der Bereich des ÖPNV zur Daseinsvorsorge.
Ziel des Einsatzes öffentlicher
Mittel in beiden Bereichen ist es, ein attraktives
Nahverkehrsangebot herzustellen, das in
möglichst großem Umfang genutzt wird. Dies
hängt entscheidend davon ab, dass die Tarife
von den Kunden als angemessen angesehen
bzw. letztlich auch getragen werden können.
Die Gewährleistung eines angemessenen
Tarifgefüges ist den Ländern durch die Bahnreform
als Kernaufgabe ihres Daseinsvorsorgeauftrags
für den SPNV zugewachsen. Da
vor allem Bürger mit kleinen und mittleren
Einkommen sowie insbesondere auch ältere
Bürger auf den ÖPNV angewiesen sind, kommt
diesem Auftrag in der heutigen Zeit gesteigerte
Bedeutung zu.
Tarifgenehmigung ist anzuzweifeln
Das zuständige Regierungspräsidium
Darmstadt hat Ende November die von der
DB Regio AG beantragte Preiserhöhung im
Schienenpersonennahverkehr genehmigt.
Das nach § 5 Absatz 4 Allgemeines Eisenbahngesetz
hierzu erforderliche Einvernehmen
mit allen hiervon betroffenen Bundesländern
konnte allerdings nicht hergestellt
werden, da einige Länder ihr Veto einlegten.
Daraufhin hatte das Bundesland Hessen eine
Entscheidung beim Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)
beantragt. Das Bundesministerium stimmte
daraufhin der Tarifanhebung zu, so dass das
Regierungspräsidium Darmstadt den Tarif genehmigen
konnte.
Unter Verweis auf § 5 Absatz 4 des Allgemeinen
Eisenbahngesetzes muss hier festgestellt
werden, dass diese Tarifgenehmigung nicht ordentlich
zustande gekommen ist. Im Falle einer
fehlenden Einigung zwischen den beteiligten
Ländern kann zwar eine Entscheidung des
Bundes eingeholt werden. Hierzu ist es jedoch
erforderlich, dass sich alle beteiligten Länder
auf einen solchen Schritt einigen müssen,
um dann einen gemeinsamen Antrag an das
BMVBS zu stellen. Der hier vorliegende Alleingang
des Bundeslandes Hessen ist vollkommen
unakzeptabel und greift in die Autonomie der
anderen Länder ein. Der DBV empfiehlt den
mit der Tarifgenehmigung „überrumpelten“
Ländern, umgehend rechtliche Schritte gegen
diese Tarifanhebung einzuleiten. Deutscher Bahnkunden-Verband
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