Seit vielen Jahren wird über den S-Bahn-Lückenschluss
zwischen Berlin-Spandau und
Falkensee diskutiert und verhandelt. Die Bundesregierung
macht nun offensichtlich die
Finanzierung der notwendigen Infrastruktur
von den Ergebnissen eines Wirtschaftlichkeitsgutachtens
abhängig. Dieses Gutachten
sollte bereits im Jahre 2005 fertig gestellt
werden, liegt aber bisher nicht vor. Ich frage
die Landesregierung:
Welche Gründe haben dazu geführt, dass
das Wirtschaftlichkeitsgutachten zum
S-Bahn-Lückenschluss nach Falkensee
immer noch nicht vorliegt?
Die in Auftrag gegebene standardisierte Bewertung
zur Verlängerung der S-Bahn von
Spandau nach Falkensee liegt vor. Negative
Auswirkungen in bestimmten Teilbereichen
führten jedoch dazu, dass der Bund Vorbehalte
geltend gemacht hat und die Finanzierung
der Maßnahme in Frage gestellt hat. Um die
ermittelten Nachteile durch eine geänderte
Linienführung zu verbessern, sollen weitere
Varianten begutachtet werden.
Wann ist mit der Fertigstellung des
Gutachtens
und damit mit der Entscheidung
zum S-Bahn-Lückenschluss zu
rechnen?
Ein verbindlicher Termin der Fertigstellung
der Begutachtung der Varianten kann zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genannt
werden, da vorab eine Abstimmung mit Berlin
erforderlich ist und die Begutachtungszeit
von der Komplexität der zu rechnenden Varianten
abhängt. Ob nach Fertigstellung des
Gutachtens eine abschließende Entscheidung
getroffen werden kann, hängt vom anschließenden
Diskussionsprozess zwischen
Bund und Ländern ab.
Welche Abschnitte der Regionalbahnlinien
RB 10 und RB 14 werden derzeit
vom Land Brandenburg finanziert, welche
Abschnitte vom Land Berlin?
Das Land Brandenburg finanziert den Abschnitt
Berlin-Spandau—Berlin-Charlottenburg
der Linien RB 10 und RB 14 sowie die territorial
in Brandenburg gelegenen Abschnitte.
Das Land Berlin finanziert bei der Linie RB 10
nur den Abschnitt zwischen der Landesgrenze
(bei Albrechtshof) und Berlin-Spandau.
Bei der RB 14 werden die Abschnitte Landesgrenze—
Berlin-Spandau, Berlin-Charlottenburg—
Landesgrenze (bei Flughafen
Schönefeld) sowie das zwischen Flughafen
Schönefeld und Königs Wusterhausen ohne
Halt durchfahrene Stück auf Berliner Territorium
vom Land Berlin finanziert.
Welche Abschnitte der S-Bahn nach Falkensee
würden von Brandenburg zu finanzieren
sein, welche Abschnitte vom
Land Berlin?
Wenn beide Länder nichts anderes vereinbaren,
ist von einer territorialen Finanzierung
auszugehen.
Frank Szymanski,
Minister für Infrastruktur und Raumordnung
in Brandenburg
Kommentar der IGEB
Seit über 15 Jahren warten die Spandauer und
Falkenseer auf eine Entscheidung zur S-Bahn
nach Falkensee. Der Bund hat zwar im Einigungsvertrag
1990 zugesagt, dass er den Wiederaufbau
des durch den Mauerbau unterbrochenen
S-Bahnnetzes finanziert, aber für Spandau—
Falkensee machte er einen Wirtschaftlichkeitsnachweis
zur Voraussetzung. Jahrelang
wurde diskutiert, verhandelt und untersucht.
Als nun Anfang 2006 endlich die seit langem
versprochenen Ergebnisse der „Standardisierten
Bewertung“ vorlagen und von
den Gutachtern die geforderte Wirtschaftlichkeit
der S-Bahn durch einen Nutzen-Kosten-
Faktor von 1,6 eindeutig nachgewiesen
wurde, schien endlich der Durchbruch für
den S-Bahn-Wiederaufbau geschafft zu sein.
Doch die Ergebnisse wurden geheim gehalten,
zu Zwischenergebnissen herabgestuft
und neue Verhandlungen endeten mit einem
Moratorium. Auf Deutsch: Abwarten und beobachten,
wie sich der Verkehr im Havelland
entwickelt.
Das mag eine weise Entscheidung sein, da
sich Bund, Brandenburg und Berlin offensichtlich
weder einigen können noch einigen wollen.
Für die meisten Fahrgäste ist es jedoch die
schlechteste aller Lösungen. Die Berliner Fahrgäste
sollen nun weiterhin auf attraktiven
Schienenverkehr im Westen von Spandau
warten und sich für noch lange Zeit mit Bussen
begnügen. Die brandenburger Fahrgäste
können zwar ihre Regionalzüge direkt in die
Berliner Innenstadt behalten, müssen aber im
Berufsverkehr froh sein, wenn sie überhaupt
noch einen Stehplatz bekommen – Tendenz:
Überfüllung zunehmend.
Dieses „Ergebnis“ ist nicht nur für die Fahrgäste
im Havelland ein Desaster. Es wird
auch Auswirkungen auf den Wiederaufbau
der S-Bahn-Strecken nach Rangsdorf und
Velten haben, denn auch dort könnte es nun
einen „Lagerkampf“ zwischen R-Bahn- und
S-Bahn-Befürwortern geben. Aber weil die
brandenburgische Landesregierung bei den
anderen Lückenschlüssen nicht einmal Untersuchungen
plant, müssen sich die Fahrgäste
auch nicht gegen möglicherweise ungeliebte
Untersuchungsergebnisse wehren.
Einen Gewinner gibt es natürlich doch: das
Auto. Schlechter konnte der Streit im Havelland
eigentlich nicht enden. Deshalb hält der Berliner
Fahrgastverband IGEB eine Fortsetzung
der Diskussionen für dringend geboten. Wer
dem S-Bahn-Wiederaufbau im Verbund mit
einem Mindestangebot an RE- und RB-Zügen
keine neue Chance gibt, verbaut die Zukunft
des Havellandes. Heiko Müller (SPD), Mitglied des Landtags Brandenburg
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