Sachsen-Anhalt

Abwärtsspirale im Fernverkehr und ehrgeiziger ÖPNV-Plan

Ein Gespräch mit Karl-Heinz Daehre, Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt

Karl-Heinz Daehre
Dr. Karl-Heinz Daehre, Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt. Foto: Pressestelle Ministerium

DBV: Herr Minister, Sachsen-Anhalt ist vom Fernverkehr abgehängt, gerade mal in Naumburg halten noch ICEs, in Wittenberg nur noch im 2-Stunden-Takt. Sehen Sie Möglichkeiten, das zu ändern?

Minister Karl-Heinz Daehre: Mit dem jetzigen Angebot der DB AG im Fernverkehr können und wollen wir nicht zufrieden sein. Festzuhalten ist: Neben den angesprochenen zweistündlichen ICE-Halten in Naumburg und Lutherstadt Wittenberg gibt es auch mehrere Intercity-Linien mit weiteren Halten in Stendal, Halle, Magdeburg, Köthen, Bitterfeld und Weißenfels sowie auch einzelne ICE-Züge in diese Städte.

Ab Dezember 2009 halten die Züge der Verbindung Leipzig—Halle—Magdeburg— Hannover und weiter abwechselnd nach Köln und Oldenburg stündlich in Köthen, wo bisher nur jeder zweite Zug Station machte. Davon profitieren auch Städte wie Bernburg und Dessau-Roßlau. Damit wird auf eine langjährige Forderung der Region und des Landes reagiert.

Neben diesen kleinen Erfolgen muss man aber auch den Finger in die von Ihnen angesprochene Wunde legen, dass es bei der Fernverkehrsanbindung Sachsen-Anhalts in den vergangenen Jahren eine kontinuierliche Abwärtsspirale gegeben hat. Ein täglicher „Alibi“-Fernzug“ je Richtung zwischen Magdeburg und Berlin, keine Bedienung der Stadt Dessau-Roßlau im Fernverkehr, das sind Entwicklungen, die wir so nicht akzeptieren können und die ich in Gesprächen mit der DB AG auch immer wieder thematisiere. Solange jedoch vom Bund, der nach der Bahnreform die Verantwortung für die Gewährleistung des Fernverkehrsangebots übernommen hat, keine Mindeststandards gesetzt werden, beschränken sich die Einflussmöglichkeiten der Länder im Wesentlichen auf politischen Druck.

Wir haben 2008 deshalb gemeinsam mit den anderen Bundesländern im Bundesrat ein Fernverkehrssicherungsgesetz ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht, das aber in dieser Bundestagslegislaturperiode nicht mehr behandelt wurde.

Sie haben in Ihrer bisherigen Amtszeit der Eisenbahn einen hohen Stellenwert eingeräumt, auch neue Wege bestritten. Welche Ziele haben Sie bezüglich des Gesamtnetzes in Sachsen-Anhalt?

Verkehrsinfrastrukturen sind ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb muss es das Ziel sein, das Infrastrukturnetz kontinuierlich weiter zu entwickeln und an die zukünftigen Anforderungen anzupassen. Drei Punkte sind mir dabei besonders wichtig:

1. Im Eisenbahnnetz sind zeitgemäße Streckengeschwindigkeiten erforderlich, die eine attraktive Angebotsplanung ermöglichen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den in der Fortschreibung befindlichen ÖPNV-Plan des Landes verweisen, der diesbezüglich ehrgeizige Ziele setzen wird. Zwar wurde in den vergangenen Jahren schon Einiges erreicht, es gibt aber auch weiterhin erheblichen Handlungsbedarf.

2. Während bei der Sanierung der Strecken – wie gesagt – in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gemacht wurden, gibt es gerade in den großen Bahnknoten noch Nachholbedarf. Niedrige Einfahrtgeschwindigkeiten heben hier den auf den schnellen Strecken gewonnenen Zeitvorteil wieder auf. In Dessau-Roßlau wird derzeit schon gebaut. Es ist jedoch dringend erforderlich, den mehrfach verschobenen Umbau des Bahnknotens Halle zu starten und den Umbau des Bahnhofs Magdeburg fortzusetzen.

3. Dem Schienengüterverkehr kommt eine große Bedeutung zu, wenn es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und die Umsetzung umweltpolitischer Ziele geht. Wenn die Auswirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise abklingen, werden auch die Gütertransporte wieder steigen. Wir sind gut beraten, hierfür Vorsorge zu treffen und die Schiene entsprechend zu stärken. Das Land unterstützt vor diesem Hintergrund beispielsweise den Güterverkehr vor allem durch Investitionsförderungen in Anschlussbahnen. Nehmen Sie die Mansfelder Kupfer-Messing GmbH in Hettstedt, den größten Arbeitgeber im strukturschwachen Landkreis Mansfeld- Südharz, der auf die Bahnanbindung angewiesen ist.

Müssen die Kunden bei sinkenden Staatseinnahmen und wohl auch Regionalisierungsmitteln für den SPNV zukünftig mit einem schlechteren Angebot rechnen?

Das Land Sachsen-Anhalt hat mit dem Beschluss des ÖPNV-Plans im Jahr 2005, der in diesem Jahr fortgeschrieben wird, einen Rahmen für eine effiziente Organisation des ÖPNV im Land geschaffen. Natürlich kann Geld nur einmal ausgegeben werden, und so ist für einige Bahnstrecken, die auch im ÖPNV-Plan benannt sind, in Abstimmung mit den Regionen zu entscheiden, ob ein Bahn- oder ein Busangebot auch langfristig günstiger bzw. geeigneter ist. Der ÖPNVPlan sieht auch eine stärkere Schwerpunktsetzung des Bahnverkehrs auf schnelle Verbindungen zwischen den Zentren und Stadt-Umland-Verkehre vor, die schrittweise umgesetzt wird. Durch diese effizienteren Konzepte haben wir die Möglichkeit, im Rahmen anstehender Ausschreibungen von Verkehrsleistungen Kosten einzusparen und wollen auf diese Weise auch künftig ein attraktives SPNV-Angebot in Sachsen-Anhalt sichern.

DBV Sachsen-Anhalt

aus SIGNAL 5/2009 (Dezember 2009), Seite 20-21

 

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