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Moderne Straßenbahn in Nice (Nizza), hier wegen des historisch wertvollen Stadtbildes ohne Oberleitung. In vielen europäischen Ländern gibt es eine Tram-Renaissance. Führend ist hierbei Frankreich. Foto: Carolin Behrens |
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Die Tram kehrt zurück. Vor allem in Frankreich
hat das Verkehrsmittel eine Renaissance
erlebt: Paris hat
in den 1990er Jahren
begonnen, die Vorstädte
dank Tram besser
mit der Stadt zu
verbinden. Marseille,
Straßburg, Nantes
oder Grenoble haben
ihre unter Staus und
Abgasen leidenden
Innenstädte mithilfe
der umweltfreundlichen
„Elektrischen“
zurückerobert –
Stadterneuerung
und Aufwertung der
Innenstadt-Quartiere
inklusive. Jenseits des
Rheins soll das Tram-Netz bis zum Jahr 2015
um weitere 576 Kilometer wachsen. Auch in
Spanien, Großbritannien und Italien setzen
immer mehr Städte auf die Straßenbahn.
In Florenz etwa werden derzeit drei Linien
gebaut – eine davon wird mit moderner
Technik ohne Oberleitung am Dom vorbeirauschen.
Überall, wo Städte und Regionen
den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs im
größeren Stil neu denken, setzen sie heute
auf die Straßenbahn – zumindest jenseits der
deutschen Grenzen. Bei uns steht die große
Tram-Renaissance noch immer aus.
Vorreiter war die Bundesrepublik allerdings
beim Abbau der Straßenbahn gewesen.
Ab den 1950er Jahren haben zahlreiche
Kommunen ihr Netz komplett beseitigt – so
zum Beispiel Wiesbaden, Lübeck, Hagen
und Hamburg. In West-Berlin fuhr die letzte
Straßenbahn 1967. Zuvor waren dort seit
Kriegsende 250 Kilometer Gleise stillgelegt
und aus den Straßen herausgerissen worden.
Das Ziel war dabei
klar: Platz schaffen
für die autogerechte
Stadt. Die Straßenbahnfahrgäste
wurden
auf die U-Bahn
und vor allem Busse
verwiesen, die sich
den Straßenraum mit
den Pkw teilen sollten.
Auch Städte, die auf
ihre Straßenbahnen
nicht ganz verzichten
wollten, folgten dieser
Philosophie, indem
sie die Strecken in der
Innenstadt unter die
Erde legten, damit die
Autos oben mehr Platz haben. So haben Hannover
und viele Städte im Rhein-Ruhr-Gebiet
in den Nachkriegsjahrzehnten Milliarden aus
Mitteln für den Öffentlichen Nahverkehr dafür
ausgegeben, die Tram im Tunnel zu „versenken“.
Profitiert hat davon vor allem das Auto –
mit all den verheerenden Folgen für unsere
Städte. Die autogerechte Stadt hat ein Problem
nach dem anderen mit sich gebracht:
Staus, Smog, Unfälle, Entwertung der Innenstädte
als Wohnraum – von der grauen
Ästhetik mehrspuriger Schneisen durch die
urbanen Zentren ganz zu schweigen. Inzwischen
hat die Erkenntnis „das Auto mordet
unsere Städte“ – so der damalige Oberbürgermeister
von München Hans Jochen Vogel
schon 1972 (!) – vielerorts zu einem Paradigmenwechsel
geführt. Selbst die EU hat sich
den vermeintlich kommunalen Problemen
des Verkehrsmanagements angenommen
und zielt auf mehr öffentlichen Verkehr. Seit
20 Jahren setzen deshalb weltweit Städte auf
die Rückkehr der Tram.
Sie ist erstens sehr viel billiger als der
U-Bahn-Bau – für den Preis von 10 Kilometern
Tunnelbau kann man rund 100 Kilometer
Tramschienen verlegen. Sie ist zweitens näher
an den Fahrgästen, weil die oberirdischen
Haltestellen viel besser erreichbar sind als die
unterirdischen U-Bahnhöfe. Sie ist drittens
dank moderner Verkehrsleittechnik lange
nicht mehr das „Schneckenverkehrsmittel“,
das ständig im Stau und an roten Ampeln
stecken bleibt. Zürich hat vorgemacht, wie
mit Hilfe von Vorrangschaltungen und eigenen
Trassen die Fahrzeiten verkürzt werden
können. Sie ist viertens konsequent, wenn
man die Zurückdrängung des Autos und die
Revitalisierung der Innenstädte ernst meint.
In Berlin kann man exemplarisch sehen,
dass in Deutschland vielerorts noch immer
der Tunnelblick vorherrscht. In den letzten
10 Jahren hat die Stadt gerade einmal eine
Stummel-U-Bahn-Strecke von 1,5 km Länge
vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor
realisieren können. Mit den 320 Millionen
Euro Baukosten hätten 20 Kilometer Straßenbahn
realisiert werden können, von denen
sehr viel mehr Fahrgäste profitiert hätten.
Denn die teuren und langwierigen U-Bahn-
Ausbauten haben letztlich nur eine Konsequenz:
Aus Mangel an Alternativen ist erneut
das Auto der Gewinner.
Wie viel schneller Straßenbahnen zu realisieren
sind, kann man in Straßburg beobachten.
Dort gewann die sozialistische Bürgermeisterkandidatin
1989 die Wahl mit dem
Versprechen, die 1960 abgeschaffte Tram
wiedereinzuführen. Fünf Jahre später konnten
die Bürger in die ersten beiden Linien
einsteigen. Heute verfügt Straßburg über ein
dichtes Straßenbahnnetz und der öffentliche
Verkehr gewinnt kontinuierlich Fahrgäste hinzu.
In Berlin hingegen ist mit der Festlegung
auf den Weiterbau der Kanzlerlinie vom Brandenburger
Tor zum Alex klar, dass es auch in
den nächsten 10 Jahren keine signifikanten
Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr
geben wird, weil fast alle Investitionsmittel
durch das eine U-Bahn-Projekt gebunden
sind. Die Verlierer werden die Fahrgäste und
die Innenstädte sein, wenn es keine Umkehr
vom nicht mehr finanzierbaren „Tunneldenken“
gibt.
Michael Cramer, MdEP, Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament
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