Oft genügt schon ein wenig mehr Information,
und der Fahrgast findet eine gute
Umfahrung der Baustelle – ohne Nutzung
des Schienenersatzverkehrs. Ein Artikel zum
Thema Bauarbeiten darf sich aber nicht nur
mit den Verkehrsunternehmen befassen,
sondern muss auch die Berliner Verwaltung
einbeziehen, allen voran die Verkehrslenkung
Berlin (VLB), die einem kundenfreundlichen
Angebot oft im Wege steht. Die IGEB
stellt zwei Beispiele aus jüngerer Zeit vor,
um die Probleme zu verdeutlichen.
Bauverkehr bei der Straßenbahn
Der jüngste Fall ist die Metrotram M 6. Am
S-Bahnhof Marzahn wurde ein Doppelgleisbogen
ausgewechselt, in vier Wochen für
weniger als hundert Meter. Dafür wurde auf
der gesamten äußeren Landsberger Allee
Schienenersatzverkehr eingerichtet – über
mehrere Kilometer! Ein IGEB-Mitglied fragte
bei der BVG an und erhielt folgende Antwort:
„Die beschriebenen Sperrzeiten der Straßenbahn
im Bereich der Überfahrt Märkische
Allee leiten sich aus Vorgaben zu Planungen
sowie von behördlichen Genehmigungen ab.
Diverse Auflagen, die im Interesse der Aufrechterhaltung
des Kraftverkehrs im Zuge der
Märkischen Allee erfolgten, vervielfachen die
eigentlich notwendige Bauzeit. Mit einer Vollsperrung
der Märkischen Allee für den Kraftverkehr
könnte die Sperrzeit der Straßenbahn
sicher auf ein Drittel reduziert werden, Entscheidungen
hierzu sind jedoch trotz Bemühung
nicht zugunsten unseres Unternehmens
getroffen worden. Die von Ihnen angedachte
Bauweiche in der Landsberger Allee westlich
der Rhinstraße erfordert für die nachfolgende
vorübergehende Betriebsführung Zweirichtungsfahrzeuge,
die hierzu jedoch nicht ausreichend
vorhanden sind.“
An diesen Zeilen fallen mehrere Unzulänglichkeiten
auf. Erstens hat die BVG hier
und an anderen Stellen zu wenig Gewicht
bei den zuständigen Behörden. Eine Verkürzung
der Bauzeit auf ein Drittel ist für eine so
wichtige Linie wie die M6 ein unschlagbares
Argument, aber leider nicht in Berlin.
Zweitens muss gefragt werden, warum
die Mindestsperrzeit für diese kurze Baustelle
immer noch eine Woche oder mehr betragen
würde? Der Aufsichtsratschef der BVG,
Finanzsenator Ulrich Nußbaum, kommt aus
der Straßenbahnstadt Bremen. Dort ging
das beim Bau der Linie 4 schneller: Eine
komplette Straßenkreuzung mit Abzweigweichen
und der gesamten Betontragplatte
für die anspruchsvolle Gleiskonstruktion sowie
dem Fahrleitungsbau wurde mithilfe einer
sogenannten „Powerbaustelle“ mit einer
Sperrung von 60 Stunden an nur einem Wochenende
gebaut. Für wenige Meter Gleis
ohne Weichen sollte so etwas doch auch in
Berlin möglich sein!
Drittens ist die Passage zu den Zweirichtungswagen
interessant. Speziell in diesen
Baustellenverkehren könnte die BVG hier
vielen Fahrgästen den Umstieg in den Bus
ersparen, wenn sie genug davon frei disponieren
könnte. Stattdessen werden an
immer mehr Stellen im Netz Zwangspunkte
geschaffen, an denen diese teureren Fahrzeuge
gebunden sind. Zum Beispiel die
linksseitigen Haltestellen im Zuge der M 10,
die Minimalendstelle der M 2 am Alex (die
betrieblich günstigeren IGEB-Vorschläge
wurden damals zugunsten des Autoverkehrs
vom Senat abgelehnt) und demnächst
wieder nur eine Minimalvariante zur Verlängerung
der M 13 zum U-Bahnhof Warschauer
Straße, obwohl hier ebenfalls
ein ganzer Strauß von Vorschlägen von IGEB-Seite gemacht wurde (siehe SIGNAL 4/2008).
Hier schließt sich der Kreis zum ersten Kritikpunkt,
denn wenn der Senat
in allen seinen
Dienststellen verantwortlich handelnde
Mitarbeiter hätte, dann wäre die Durchsetzung
von geeigneten Wendeanlagen an
neuen Strecken leichter und die BVG könnte
sich ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren,
also auf die alltäglichen Baustellen und die
Vermeidung von SEV.
Schließlich sei zu jedem Ersatzverkehr
in der Landsberger Allee angemerkt: Er ist
stets nur ein Notbehelf, weil hier die Mindeststandards
nicht eingehalten werden
können. Die Haltestellen sind stadtauswärts
nur schlecht erreichbar, sie können nicht
immer an der Stelle der zu ersetzenden
Tramhaltestellen liegen und die Busse stehen
hier regelmäßig im Stau, denn eine Busspur
wurde hier ebenfalls noch nie angelegt.
Außerdem kann selbst ein 18-m-Gelenkbus
keine Straßenbahn ersetzen, die hier 27 bis
40 m lang ist.
Bauverkehr bei der S-Bahn
Ein anderer wichtiger Bereich der IGEB-Arbeit
ist das Thema Information über Bauzustände
im Netz. Hier soll ebenfalls ein aktuelles
Beispiel, dieses Mal bei der S-Bahn-Berlin,
die Mängel verdeutlichen.
Auf dem Ring wurde am Wochenende
15./16. Mai gebaut. Positiv war, dass es
hier keinen SEV gab. Stattdessen fuhren
die Ringzüge von beiden Seiten bis zum
S-Bahnhof Hermannstraße und endeten
dort, die Fahrgäste mussten lediglich auf die
andere Bahnsteigseite gehen.
Aber damit begannen die Mängel: In Hermannstraße
stand nur in einer Richtung und
dann auch nur bei jedem zweiten Zug auf
der anderen Bahnsteigseite ein Sofortanschluss
bereit. Trotzdem wurde bei fast allen
Zügen bis zur letzten Station davor „Ring“
ohne Zusatz geschildert, so dass die Kunden
in die Falle gelockt wurden und sich für bestimmte
Relationen keine Alternativen suchen
konnten.
Besonders ärgerlich war das bei jedem
zweiten von Tempelhof kommenden Ringzug.
Hier stand für die Fahrgäste in Hermannstraße
gegenüber zwar ein Anschlusszug
bereit, aber keine Ringbahn, sondern
eine S 46 nach Grünau (die Strecke bis Königs
Wusterhausen war wegen gleichzeitiger
Bauarbeiten ebenfalls gesperrt). Weder
wurden auf den Bahnhöfen davor die Ringfahrgäste
vor falschem Umsteigen gewarnt,
noch wurden die Fahrgäste, die Richtung
Königs Wusterhausen wollten, auf diesen
Anschluss besonders hingewiesen. Sogar
auf dem Bahnsteig Hermannstraße selbst
kam die Ansage aus der Konserve, dass die
Weiterfahrt auf dem Ring von Gleis 1 erfolge
– selbst wenn dort die S 46 stand!
Ein anderes Problem war die Linie S 47,
die sonst ebenfalls über Hermannstraße
fährt, nun aber auf den Abschnitt Spindlersfeld—
Schöneweide reduziert war. Statt die
dadurch schon entstehenden Unannehmlichkeiten
(zweimal mehr Umsteigen, nur
20-Minuten-Takt Baumschulenweg—Neukölln)
wenigstens durch bahnsteiggleiches
Umsteigen in Schöneweide zu mildern, wurde
hier nochmals gespart und ein Fahrplan
mit nur einem Zug auf der Mini-S47 gefahren.
Dadurch konnte nur an einem der beiden
Richtungsbahnsteige in Schöneweide
barrierefrei umgestiegen werden.
Dieses Umsteigen in Schöneweise wurde
durch die schlechte Information noch erschwert,
denn eine Hauptrelation für Umsteiger
kommt mit der S 8 vom Ostring und hat
sonst sowohl in Baumschulenweg als auch
in Schöneweide den bequemen Anschluss.
Da die S 8 aber von diesen Bauarbeiten nicht
betroffen war, gab es auf und in dieser Linie
keine Hinweise, dass man in Baumschulenweg
NICHT die S 47 erreicht und dass man,
um nach Spindlersfeld zu kommen, in Schöneweide
den Bahnsteig wechseln muss.
Es kann angesichts dieser vielen Mängel
nicht überraschen, dass auch die sonst üblichen
großen Tafeln mit den Hinweisen zur
veränderten Gleisbelegung weder in Hermannstraße
noch in Schöneweide zu sehen
waren. So kamen in Hermannstraße etliche
Kunden vom Bus auf den S-Bahnsteig und
stiegen in die falsche Richtung, denn die
Züge fuhren vom Bahnsteig weg in beiden
Richtungen links.
Alle diese Mängel sind nicht spektakulär,
aber in ihrer Summe doch ärgerlich. Und gerade
weil sie zu vermeiden gewesen wären,
zeigen sie, dass alle Beteiligten noch deutlich
mehr darauf achten müssen, Baustellenverkehre
so fahrgastfreundlich wie möglich
zu gestalten. IGEB Stadtverkehr
|