Lösungen und Wege zur Wiederherstellung
des Normalbetriebes bei der S-Bahn stehen
derzeit im Fokus des öffentlichen Interesses.
Die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg
Junge-Reyer, hat deshalb am 7. Januar
2010 im Rahmen einer Pressekonferenz über
die Pläne des Berliner Senats zur Zukunft des
S-Bahn-Systems informiert.
Da für alle grundsätzlichen Entscheidungen
hinsichtlich des S-Bahn-Betriebes in
Berlin mehrjährige Vorlaufphasen notwendig
sind, ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
bereits seit ca. einem Jahr mit
dem Thema der Zukunft der S-Bahn betraut.
Senatorin Junge-Reyer: „Im Dezember
2017 läuft der bestehende Verkehrsvertrag
zwischen der S-Bahn Berlin GmbH und den
Ländern Berlin und Brandenburg aus. Bei
einem neuen Vertragsabschluss will der
Berliner Senat seine Vorstellungen zu Leistungsumfang,
Qualität und Finanzierung
so weit als möglich umgesetzt wissen. Die
S-Bahn als Rückgrat des Berliner ÖPNV-Systems
soll ihre Attraktivität wieder erhalten
und diese soll langfristig gesichert werden.
Das Angebot für die Fahrgäste in Berlin und
Brandenburg muss verbessert werden und
eine stabile Qualität aufweisen. Gleichzeitig
müssen die Kosten für die Länder sinken. Wir
wollen uns deshalb von den Zwängen der
ausschließlichen Verhandlung mit dem Monopolanbieter
Deutsche Bahn AG lösen. Aus
zeitlichen Gründen, aber auch als Ergebnis
der Erfahrungen, die mit dem Fahrzeugdesaster
der S-Bahn Berlin gesammelten
wurden, intensivieren und konkretisieren
wir jetzt unsere Planungen für die Zeit nach
2017.“
Eine zentrale Frage dabei ist, wie ermöglicht
werden kann, dass zukünftig andere
Unternehmen als die S-Bahn Berlin GmbH
Verkehrsleistungen im Berliner S-Bahn-
Netz erbringen. Eine mögliche Antwort
lautet: Wettbewerb.
Drei grundsätzliche Alternativen für die
Vergabe der S-Bahn Leistungen nach 2017
werden geprüft und vorbereitet:
Wettbewerbliche Vergabe
eines Teilnetzes
Als erste Option wird für einen Teil des Netzes
die wettbewerbliche Vergabe ab 2017
vorbereitet. Der lange zeitliche Vorlauf ergibt
sich aus drei Vorbedingungen. Erstens
muss eine Vergabeabsicht bis Anfang Februar
im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden,
damit sie später nicht am EU-Rechtsrahmen
scheitert. Eine Verpflichtung zur Vergabe
wird dadurch jedoch nicht ausgelöst. Zweitens
ist zu beachten: Das Netz der Berliner
S-Bahn ist mehr als doppelt so groß wie das
der S-Bahn im Großraum Rhein-Ruhr und
fast dreimal so groß wie das der Hamburger
S-Bahn. Die Dimension des Auftrags allein
verlangt nach einem ausreichenden zeitlichen
Vorlauf für die Auseinandersetzung
mit den Bedingungen der Anschlussvergabe.
Eine Schlüsselrolle als dritter Aspekt
spielt die Fahrzeugverfügbarkeit: In Berlin
eingesetzte Fahrzeuge (sogenannte
Viertelzüge) können nicht „von der Stange
gekauft“ werden. Technischen Besonderheiten,
wie Tunnelhöhen, Achslasten und
der Betrieb mit Gleichstrom, erfordern den
Einsatz von „Spezialfahrzeugen“. Diese besitzt
zurzeit nur die DB AG. Neue Betreiber
können bis 2017 aller Voraussicht nach bis
zu 190 Viertelzüge zu vertretbaren Konditionen
neu beschaffen. Diese werden ab
2017 auch die Fahrzeuge der Baureihen 480
und 485, die dann das Ende ihrer betrieblich-
technischen Nutzungsdauer erreicht
haben, ersetzen.
Mit 190 Fahrzeugen kann ein gutes
Viertel des Leistungsumfangs der Berliner
S-Bahn bestritten werden. Eine wettbewerbliche
Vergabe kommt also nur in diesem
Umfang und damit zunächst nur für
einen Teil des Netzes in Frage. Welches Teilnetz
dies sein kann, prüft die Senatsverwaltung
zurzeit zusammen mit dem VBB. Bis
Anfang Februar 2010 soll über die für eine
Ausschreibung in Frage kommenden Linien
entschieden werden.
Eine Zerstückelung der Angebote ist
durch die Teilnetzvergabe nach Ansicht des
Landes Berlin nicht zu befürchten. Senatorin
Junge-Reyer ist sicher, dass das Netz der
S-Bahn auch mehrere Betreiber verträgt:
„Über vertragliche Vorgaben und wirksame
Sanktionen sorgen wir dafür, dass unterschiedliche
Unternehmen im Netz reibungsfrei
zusammenarbeiten. Zudem ist
die Senatsverwaltung als Aufgabenträger
bereits heute mit der Festlegung der Vorgaben
für die Rahmenfahrpläne betraut. Mit
Hilfe dieser Rahmenfahrpläne wird auch in
Zukunft dafür gesorgt, dass den Fahrgästen
ein integriertes, einheitliches Angebot auf
der Schiene zur Verfügung steht.“
BVG als Betreiber eines Teilnetzes
Gleichzeitig mit der Vorbereitung für die
wettbewerbliche Vergabe prüft das Land
als zweite Alternative, ob und mit welchen
Konsequenzen das landeseigene Unternehmen
BVG in der Lage sein könnte, ein
Viertel des S-Bahn Netzes zu betreiben
und die dafür erforderlichen Fahrzeuge zu
beschaffen. Falls sich dies als günstigste Alternative
darstellt, würde der erforderliche
Verkehrsvertrag mit der BVG AöR im Wege
einer Direktvergabe verhandelt werden
können.
Erwerb der S-Bahn GmbH durch das Land Berlin
Eine dritte, in Prüfung befindliche Option
ist die Erwerb der S-Bahn Berlin GmbH
durch das Land Berlin. Sollte dies aussichtsreich
erscheinen, wird das Land gegenüber
der DB AG Interesse am Erwerb der S-Bahn
Berlin GmbH bekunden. Ob auf dieser Basis
dann Verkaufsgespräche geführt werden
können, hängt allerdings von der Veräußerungsbereitschaft
des DB Konzerns ab.
Bislang sind diesbezüglich keine positiven
Signale zu vernehmen.
Prüfungsergebnisse Ende 2010
Das Jahr 2010 dient der umfassenden
Entscheidungsvorbereitung, Prüfung und Abwägung
der benannten drei Alternativen.
Alle diesbezüglichen Vorarbeiten sollen
im Dezember 2010 abgeschlossen werden.
Senatorin Junge-Reyer: „Die Vergabe der
Leistungen wird etwa 1 ½ Jahre dauern,
da den Unternehmen ausreichend Zeit
gegeben werden muss, ein Angebot für
derartig komplexe Leistungen zu kalkulieren.
Zudem rechnen wir damit, dass die
Fahrzeugindustrie etwa 5 ½ Jahre benötigt,
um 190 Neufahrzeuge für die S-Bahn
zu entwickeln, zu erproben und zu bauen.
Wir müssen daher bis spätestens Januar
2011 entscheiden, ob und wie wir das mit
Neufahrzeugen zu bedienende Teilnetz
vergeben wollen.“
Das Land Berlin erwägt zudem eine Initiative
im Bundesrat, die es dem Eigentümer
Bund ermöglichen soll, Belange des Allgemeinwohls
gegenüber der DB AG besser
durchsetzen zu können. Die Erfolgsaussichten
einer solchen Initiative hängen wesentlich
von den Positionen der anderen Bundesländer
sowie des Bundes selbst ab. Auch aus
diesem Grund ist die Auseinandersetzung
mit alternativen Betreibermodellen für die
Berliner S-Bahn von grundlegender Bedeutung.
Senatorin Junge-Reyer: „Berlin hat stets
eine kritische Haltung gegenüber dem Börsengang
der DB AG vertreten. Dass wir uns
derzeit so intensiv mit den Möglichkeiten
des Wettbewerbs auseinandersetzen, liegt
auch daran, dass die Bundesländer nur so
die Monopolsituation aufbrechen können,
um den Bürgerinnen und Bürgern einen
guten Nahverkehr zu fairen Konditionen
anbieten zu können. Berlin will deshalb,
dass der Bund als Eigentümer der DB AG
seine eigenen Eingriffsrechte und -pflichten
konkreter definiert und wahrnimmt. Es
muss endlich wieder allen Beteiligten klar
werden, dass die Arbeit der DB AG dem Allgemeinwohl
zu dienen hat. Ähnlich dem
Schweizer Vorbild streben wir zudem eine
Verbesserung der Möglichkeiten zur Übertragung
regionaler Schienenverkehrsnetze
auf die Länder an. Dazu wollen wir auch
erreichen, dass die Fahrzeuge insbesondere
auf Netzen mit speziellen technischen
Anforderungen (wie im Fall der Berliner
S-Bahn) den Ländern zur Verfügung stehen
können.“
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
|