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Vorhanden: Stuttgart—Ulm über Geislingen (schwarz). Geplant: Stuttgart—Ulm über Wendlingen (rot). In Wendlingen trifft die Neubaustrecke auf die vorhandene Strecke Stuttgart—Wendlingen—Tübingen. Deshalb könnte Wendlingen—Ulm auch gebaut werden, wenn das Projekt „Stuttgart 21“, also die Neubaustrecke Stuttgart—Wendlingen mit dem Hauptbahnhof als Tunnelbahnhof, nicht kommt. Aber auch Wendlingen—Ulm würde mehrere Milliarden Euro kosten. Karte: Stoeffler |
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Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die Neubaustrecke
Wendlingen—Ulm ist unwirtschaftlich.
Sie kommt nur auf ein Nutzen-
Kosten-Verhältnis von 0,92 ohne Güterzüge,
die dort nie fahren werden. Laut Bundeshaushaltsordnung
darf ein Projekt aber nur
gebaut werden, wenn der Nutzen mindestens
so hoch ist wie die Kosten – ausgedrückt
durch ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von mindestens
1,0.
Projekte mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis
unter 1, bei denen die Kosten den
Nutzen übersteigen, verletzten das Gebot
der Wirtschaftlichkeit, das in § 7 Abs. 2 der
Bundeshaushaltsordnung festgelegt ist. Darin
heißt es: „Für alle finanzwirksamen Maßnahmen
sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
durchzuführen. Dabei
ist auch die mit den Maßnahmen verbundene
Risikoverteilung zu berücksichtigen.“
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SIGNAL-Redaktion
Mit dem Projekt „Stuttgart 21“ ist die Verlegung des Hauptbahnhofs mit seinen Zulaufstrecken unter die Erde gemeint. Fahrzeitgewinne werden zwischen Stuttgart und Ulm aber ausschließlich durch die Neubaustrecke Wendlingen—Ulm erzielt. Diese kann auch dann gebaut werden, wenn der Kopfbahnhof erhalten bleibt. Dennoch ist auch die Neubaustrecke umstritten. |
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Offiziell gibt das Bundesverkehrsministerium
ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,2 an.
Dieser Wert wird dadurch erzielt, dass angeblich
17 „leichte Güterzüge“ über die Strecke
fahren sollen. Für diese Züge gibt es aber
keinen Markt. Und selbst wenn diese 17 Güterzüge
tatsächlich fahren sollten, könnten
sie ohne Probleme auf der Altstrecke durch
das Filstal mit der Geislinger Steige geführt
werden. Dort gibt es genügend freie Trassen,
da der Güterverkehr dort seit Jahren rückläufig
ist. Die Züge könnten sogar schwerer sein
als auf der Neubaustrecke, da die Steigungen
geringer sind.
Eine Mischverkehrsstrecke für ICE-Verkehre
und Güterzüge mit 17
leichten Güterzügen
zu begründen, ist ohnehin ein schlechter
Scherz. Denn ohne Güterzüge könnte die
Neubaustrecke mit wesentlich weniger Tunneln
und höheren Steigungsparametern geplant
werden, was Milliarden einsparen würde.
So hat man es z. B. bei der Neubaustrecke
Frankfurt am Main—Köln gemacht, die nur
durch den ICE 3 befahren werden kann, dafür
aber durch die Mittelgebirge Westerwald
und Taunus mit vergleichsweise geringem
Tunnelanteil führt.
Mit demselben Trick wurde die Wirtschaftlichkeit
für die Neubaustrecke Nürnberg—Ingolstadt—
München passend gerechnet. Sie
betrug bei der politischen Beschlussfassung
zum Bundesverkehrswegeplan 1985 ebenfalls
nur 1,2 (siehe Antwort 24 in Drucksache
16/4783) und unterstellte 1999 ein Betriebsprogramm
von 80 Güterzügen. Es fährt dort
heute aber kein einziger Güterzug, weder
tagsüber, wo es wegen eines Begegnungsverbots
mit schnellen Reisezügen durch DB
Netz untersagt ist, noch nachts, wo die Strecke
für leichte Güterzüge befahrbar wäre, für
die es aber offensichtlich keinen Bedarf gibt
(siehe Antwort 7 und 8 in Drucksache 17/3311).
Damit handelt es sich bei der Neubaustrecke
Nürnberg—Ingolstadt—München um einen
„Schwarzbau“, da er mit falschen Zahlen die
Wirtschaftlichkeitsschwelle überschritten
hat. Dieser Verstoß gegen Haushaltsrecht
nach der gleichen Methode sollte kein weiteres
Mal zugelassen werden.
Wir fordern Verkehrsminister Peter Ramsauer
daher auf, reinen Tisch zu machen und
das Projekt Neubaustrecke Wendlingen—
Ulm aus dem Bedarfsplan zu streichen.
Die Neubaustrecke Wendlingen—Ulm
ist zudem verfassungswidrig. Das Rechtsgutachten
“Finanzverfassungsrechtliche
Fragen des Stuttgarter Bahnhofskonfliktes”
von Professor Hans Meyer bestätigte, dass
die Mitfinanzierung des Landes Baden-
Württemberg bei Bahnprojekten des Bundes
verfassungswidrig und der
Finanzierungsvertrag für das
Doppelprojekt Stuttgart 21 und
Neubaustrecke Wendlingen—
Ulm deshalb nichtig ist. Zitat
aus dem Gutachten: “Die Konsequenzen
sind die Nichtigkeit des
Finanzierungsvertrages, das Verbot
weiterer Zahlungen und die
Geltendmachung der geleisteten
Zahlungen.”
Der Fall der Neubaustrecke
Wendlingen—Ulm belegt beispielhaft,
wie eine Entscheidung
des Bundes massiv zu Gunsten eines
einzelnen Bundeslandes beeinflusst
werden kann. Dies geht
zu Lasten von Projekten, die aus
gesamtstaatlicher Sicht weitaus
dringlicher sind. Faktisch wird mit
Landesmitteln das Vorziehen einer
nachrangigen Strecke erkauft
und eine Entscheidung des Bundes,
beide Projekte zu finanzieren,
mit Milliarden Euro beeinflusst.
Es ist daher nicht die Frage, ob
das Land aus der jetzigen Finanzierungsvereinbarung
aussteigen
kann, sondern ob es aus verfassungsrechtlichen
Gründen aussteigen
muss. Wir meinen mit
Professor Hans Meyer: Ja, es muss!
Winfried Hermann, MdB, Vorsitzender im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Dr. Anton Hofreiter, MdB, Sprecher für Verkehrspolitik, Bündnis 90 / Die Grünen
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