Berlin

Boulevard der Stars: Eine Schmierenkomödie

Auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (Bündnis 90/Die Grünen) antwortete Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger am 29. Oktober 2010 (Drucksache 16/14772): „Die Investitionskosten zur Herstellung des Boulevard der Stars betrugen 1 637 900 Euro. Davon wurden 1 474 110 Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ finanziert.“ Fast 1,5 Millionen Euro, die für Wirtschaftsförderung vorgesehen waren, wurden also für die Zwischennutzung eines Mittelstreifens eingesetzt. Welche Geldverschwendung!

Auf die Frage, warum der Senat keinen anderen Standort gewählt habe, antwortete die Staatssekretärin: „(…) beschloss der Berliner Senat im Jahr 2008 die Anlage des Boulevard der Stars in der Potsdamer Straße unter Nutzung des Mittelstreifens. Da die Umsetzung der Straßenbahnstrecke vom Alexanderplatz zum Kulturforum zeitlich zurückgestellt worden und nicht in der Finanzplanung enthalten war, bot sich die Nutzung des Mittelstreifens für den Boulevard der Stars an (…).“ Zur Rechtfertigung stützte sie sich in ihrer Antwort auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2003: „In Anbetracht der Knappheit der Finanzmittel hat der Senat 2003 die Zurückstellung mehrerer Straßenbahnneubaustrecken auf einen späteren Zeitpunkt beschlossen (Drucksache 15/1598).“

In dieser Drucksache von 2003 steht allerdings: „Das Vorhaben Rathausstraße—Spittelmarkt— Kulturforum wird ebenfalls auf einen Zeitpunkt nach 2006 verschoben. Im Falle eines vorlaufenden Straßenumbaus im Zuge der städtebaulichen Entwicklung um den Spittelmarkt wird der spätere Einbau der Straßenbahn berücksichtigt. (…) Ein Realisierungszeitpunkt könnte aus heutiger Sicht etwa im Jahre 2008 liegen, wenn die ÖPNV-Nachfrageentwicklung als Folge realisierter Entwicklungsprojekte und der begonnenen Umsetzung der verkehrspolitischen Innenstadtstrategie (StEP Verkehr) gewachsen ist.“

Im Jahr 2003 hielt der Senat also eine Realisierung der Straßenbahn zum Kulturforum ab 2008 für realistisch. Deshalb ist die Drucksache von 2003 denkbar ungeeignet, um jetzt den 2008 gefassten Beschluss für den Boulevard auf der Straßenbahntrasse nachträglich zu rechtfertigen. Aber man kann es ja mal versuchen, vielleicht merkt es ja keiner. Glaubwürdige Politik sieht anders aus.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 6/2010 (Dezember 2010/Januar 2011), Seite 14-15

 

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