Berlin

Historische Funde am U-Bf Berliner Rathaus

Denkmalschutz macht Umplanung der Station erforderlich

Rotes Rathaus U55
Bei den archäologischen Grabungen vor dem Roten Rathaus wurden für die Berliner Geschichte wichtige Fundstücke freigelegt. Deshalb ist es richtig, dass der U-Bahnhof Berliner Rathaus umgeplant und auf eine vorgezogene Teilinbetriebnahme verzichtet wird. Foto: Marc Heller

Archäologische Grabungen am Beginn von Bauarbeiten sind durch die Gesetzgebung des Landes Berlin verbindlich geregelt. Daher war klar, dass auch beim Weiterbau der U 5 vom Alexanderplatz Richtung Hauptbahnhof zunächst Grabungen notwendig sind. Der Bauabschnitt reicht von der Jüdenstraße (Nordostecke des Berliner Rathauses) bis zur Straße Unter den Linden Ecke Schadowstraße. Von besonderem Interesse für die Stadtgeschichte ist dabei der Abschnitt zwischen Jüdenstraße und Schlossbrücke. In diesem Bereich befinden sich unter anderem der mittelalterliche Stadtkern von Berlin sowie die noch vorhandenen Fundamente des Berliner Stadtschlosses.

Ursprünglich ging man eher von archäologischen Rettungsgrabungen aus. Bereits dabei kam es zu sensationellen Funden, als in den mit Trümmerschutt verfüllten Kellern des zerstörten Hauses Königstraße 50 (heute Rathausstraße gegenüber dem Roten Rathaus) elf Skulpturen der Moderne gefunden wurden, die 1938 im Rahmen der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt worden waren.

Allein dieser Fund ist ein Krimi für sich. Aus Berliner Sicht sind jedoch die Funde unter dem Fußweg vor dem Roten Rathaus nicht weniger bedeutsam. Hier wurden Teile der etwas tiefer gelegenen Erdgeschossräume des mittelalterlichen Vorgängerbaus vom Roten Rathaus freigelegt. Da sich das Straßenniveau inzwischen um rund 2 m erhöht hat (gut sichtbar an der tiefer stehenden Marienkirche), sind die Erdgeschossräume des alten Rathauses heute unterhalb der Straße zu finden. Der Vorgängerbau war 1865 beim Bau des heutigen Rathauses abgerissen worden.

Allgemein besteht Konsens, dass diese wertvollen Funde des alten Rathauses am Ort erhalten und sichtbar gemacht werden müssen. Auch der Berliner Fahrgastverband IGEB unterstützt dieses Vorhaben. Allerdings muss dazu die Planung für den neuen U-Bahnhof Berliner Rathaus noch einmal in einigen Details geändert werden. Betroffen sind aber ausschließlich die Zugänge zum künftigen U-Bahnhof Berliner Rathaus. Insbesondere muss der Zugang an der Nordwestecke des Rathauses in Richtung Nikolaiviertel entfallen, was aus Fahrgastsicht natürlich sehr bedauerlich ist.

Der eigentliche U-Bahnhof ist jedoch in einem archäologisch weniger interessanten Bereich direkt unter der Fahrbahn der Rathausstraße geplant. Dort wurde der Boden in der Vergangenheit durch Baumaßnahmen für Kanalisation und Wärmeversorgung bis zu einer Tiefe von 4 m so umgewühlt, dass alle historischen Spuren verloren sind. Die jetzt entdeckten Bodendenkmale befinden sich ausschließlich im Bereich der Randbebauung der einstigen Königstraße.

Um die jetzt gefunden Bodendenkmale zu erhalten, ist also keine grundsätzliche Neuplanung oder gar Aufgabe des Bauprojektes erforderlich. Die IGEB ist von der Notwendigkeit der U5-Verlängerung insbesondere vor dem Hintergrund der gewaltigen Kosten zwar weiterhin nicht überzeugt, aber nach Fertigstellung der U 55 zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor ist es sinnvoll, diese teure Stummelstrecke nun auch an das übrige U-Bahn-Netz anzubinden. Hierfür ist der U5-Bau zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor notwendig. Auch ein verschiedentlich geforderter Verzicht auf den U-Bahnhof Berliner Rathaus ist keine Lösung, da dann der Bahnhofsabstand zwischen dem U-Bahnhof Alexanderplatz und der nächsten Station Museumsinsel an der Schlossbrücke 1,2 km betragen würde, was in dieser innerstädtischen Lage zu viel ist.

Die Sicherung der Bodendenkmale und die Umplanung werden zu einer zeitlichen Verschiebung des Baubeginns des U-Bahnhofs Berliner Rathaus führen. Das ist jedoch für das Gesamtprojekt unerheblich. Bisher war geplant, den neuen Bahnhof bereits 2015, also zwei Jahre früher als die Gesamtstrecke zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor in Betrieb zu nehmen. Das war ohnehin umstritten, weil die Teilinbetriebnahme zusätzliche Kosten zum Beispiel für später nicht mehr benötigte Signaltechnik verursacht hätte. Darüber hinaus müsste man den Bahnhof vom westlichen Baubereich aufwändig abtrennen. Diese Kosten entfallen bei Verzicht auf die vorgezogene Teilinbetriebnahme und können für die Umplanung des U-Bahnhofs und eine Gestaltung genutzt werden, bei der Teile der historischen Funde für die U-Bahn- Fahrgäste sichtbar gezeigt werden.

Unabhängig von den Umplanungen am Rathaus kann im Bereich des Marx-Engels- Forums der Schildvortrieb begonnen werden, so dass die für 2017 geplante U5-Verlängerung jedenfalls nicht durch den Erhalt wichtiger Spuren aus dem mittelalterlichen Berlin gefährdet wird.

Wichtig ist, dass bei den Umplanungen auch an die schon seit langem geplante Straßenbahntrasse Alexanderplatz—Kulturforum gedacht wird. Da diese Straßenbahntrasse aber direkt über der eigentlichen U-Bahn- Trasse geplant ist, sind Probleme nicht zu erwarten. Die notwendigen Aufzüge von den beiden Seitenbahnsteigen des U-Bahnhofs sind jedoch zwingend mit der geplanten Straßenbahntrasse abzustimmen. (jmw)

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 6/2010 (Dezember 2010/Januar 2011), Seite 15

 

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