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Vernachlässigte Infrastruktur, zum Beispiel auf der Strecke Berlin-Schöneweide—Beeskow (Foto)—Frankfurt (Oder). Der VBB errechnete in seiner „Qualitätsanalyse Netzzustand 2009“ für die hier verkehrende Linie OE 36 einen Zeitverlust durch Geschwindigkeitseinbrüche für Hin- und Rückfahrt von mehr als 30 Minuten! Foto: Christian Schultz |
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Der Trassenpreis für die Nutzung der Schieneninfrastruktur
der Deutschen Bahn (DB)
errechnet sich aus mehreren Faktoren, wobei
folgende Formel zur Errechnung des
Preises pro Trassenkilometer (Trkm) dient:
Kategoriegrundpreis mal Produktfaktor mal
leistungsabhängige Komponente mal Regionalfaktor
plus Lastkomponente.
Es gibt insgesamt 12 verschiedene Streckenkategorien,
die unterschiedliche
Ausstattungsmerkmale aufweisen. Die
Kategorie Fplus hat beispielsweise überdurchschnittliche
verkehrliche Bedeutung;
aufgrund der infrastrukturellen Ausstattungsmerkmale
können diese Strecken
überwiegend mit Geschwindigkeiten über
280 km/h befahren werden. Der Kategoriegrundpreis
beträgt hier seit dem 12. Dezember
2010 8,55 Euro/Trkm und ist damit auch
die teuerste Kategorie; zuvor waren es
8,38 Euro/Trkm.
Zum Vergleich: Die Kategorie S 3 beinhaltet
alle gleichstrombetriebenen Strecken
der Berliner S-Bahn und liegt seit Dezember
2010 bei 2,75 Euro/Trkm (zuvor 2,70 Euro/
Trkm).
Für die Trassenpreisberechnung kommen
ein Produktfaktor, wie z. B. eine Personenverkehrs-
Express-Trasse (Faktor 1,80) oder
eine Personennahverkehrs-Takt-Trasse
(Faktor 1,65), und zusätzlich eine leistungsabhängige
Komponente hinzu. Mit dem
letztgenannten Faktor sollen Anreize zur
Erhöhung der Leistungsfähigkeit geschaffen
werden; ein Auslastungsfaktor von 1,2
wird beispielsweise für besonders stark
ausgelastete Streckenabschnitte erhoben
oder ein Zuschlagfaktor von 1,5, wenn
auf Fernstrecken und Strecken des Stadtschnellverkehrs
zugbedingt eine Mindestgeschwindigkeit
von 50 km/h nicht erreicht
wird. Die Lastkomponente berücksichtigt
den zusätzlichen Aufwand für schwere Züge
durch erhöhten Verschleiß der Infrastruktur.
Für Zuggewichte über 3000 t wird daher ein
additiver Zuschlag von 0,94 Euro/Trkm erhoben.
Besonders umstritten sind die von der
Deutschen Bahn zum 1. Januar 2003 eingeführten
Regionalfaktoren. Sie werden örtlich
differenziert für das jeweilige Regionalnetz
gebildet. Ihre Anwendung beschränkt
sich auf den Schienenpersonennahverkehr
als Hauptnutzer der Regionalstrecken. Im
Trassenpreissystem des Jahres 2010 variierte
die Höhe dieser Faktoren zwischen 1,0 und
1,91. Für 2011 erfolgte eine Begrenzung auf
maximal 1,70.
Sowohl die Auswahl der Strecken als auch
die Höhe der einzelnen Regionalfaktoren
war aus Sicht der Bundesnetzagentur sachlich
nicht nachvollziehbar. Deshalb erklärte
die Bundesnetzagentur die DB-Regionalfaktoren
bereits im März 2010 für ungültig, da
sie mit dem Eisenbahnrecht nicht vereinbar
seien.
Im August 2010 wurde dazu ein entsprechender
öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen
Bundesnetzagentur und DB Netz AG
geschlossen. Entsprechend diesem Vertrag
erfolgte bereits eine Absenkung der Regionalfaktoren
in 16 der bestehenden 40 Regionalnetze
zum Beginn der Netzfahrplanperiode
am 12. Dezember 2010. Allerdings
sind hierbei auch Netze berücksichtigt, bei
denen eine Absenkung der Regionalfaktoren
ohnehin vorgesehen war, weil Rationalisierungsinvestitionen
bereits umgesetzt
wurden und/oder weil die Aufgabenträger
Mehrleistungen bestellt haben.
Bundesweit reduzieren sich dadurch die
Trassenkosten für Züge des Regionalverkehrs
im laufenden Fahrplanjahr um knapp
20 Mio. Euro.
Die DB Netz AG verpflichtete sich des Weiteren,
die Regionalfaktoren ab 11. Dezember
2011 komplett entfallen zu lassen. Dies
ist jedoch nicht unproblematisch, wurden
doch auf diese Weise Mehreinnahmen generiert,
um schwächer ausgelastete Strecken
zu erhalten. Entfällt dieser Einnahmeanteil,
wird die DB Netz AG mit Sicherheit Möglichkeiten
prüfen, um die aus dem Wegfall der
Regionalfaktoren resultierenden Einnahmeausfälle
von deutlich über 100 Mio. Euro
pro Jahr z. B. durch Erhöhungen im derzeit
bestehenden Gebührensystem mindestens
wieder auszugleichen.
Ansatzmöglichkeiten gibt es dafür im
Trassenpreissystem genügend, z. B. eine Erhöhung
des eingangs genannten Produktfaktors.
Die Freude über den kompletten
Entfall der Regionalfaktoren dürfte somit
nur kurz währen.
Das erneute Drehen an der Gebührenschraube
bleibt allerdings äußerst fragwürdig.
Einerseits wurde im Geschäftsbereich
DB Netze Fahrweg ein betrieblicher Gewinn
(EBIT) von 237 Mio. Euro allein für das erste
Halbjahr 2010 ausgewiesen, andererseits
fordert der Bund als Eigentümer von der
DB AG ab 2011 eine jährliche Dividende von
500 Mio. Euro und zwingt so den Bahnvorstand,
die an hohen Renditezielen orientierte
Unternehmenspolitik unvermindert
fortzusetzen.
So sieht die Mittelfristplanung der DB Netz
AG denn auch ein kontinuierliches Wachstum
des EBIT von 687 Mio. Euro im Jahr 2010
auf schließlich 1,1 Mrd. Euro im Jahr 2014
vor. Für die Erwirtschaftung dieser Renditen
bezahlen letztlich alle Kunden – sowohl das
einzelne Verkehrsunternehmen, welches die
Infrastruktur nutzt und seine Dienstleistungen
erbringt, als auch der Fahrgast bzw. Güterkunde
über die Fahr- bzw. Transportpreise.
Wenn der Bund schon eine Dividende in
einer Höhe von 500 Mio. Euro von der DB abschöpft,
hätte er angesichts einer chronisch
unterfinanzierten, nach wie vor mit unzähligen
Qualitätsmängeln behafteten Schieneninfrastruktur
die Pflicht, diese Mittel
zweckgebunden für Instandhaltungs- und
Ausbaumaßnahmen im Schienennetz einzusetzen,
anstatt sie dem allgemeinen Haushalt
zuzuführen. Eine vergleichbare Pflicht
gilt auch für die DB Netz AG: Erwirtschaftete
Gewinne müssen zweckgebunden für die
Instandhaltung der Schieneninfrastruktur
eingesetzt werden, anstatt diese an die Konzernzentrale
abzuführen! Deutscher Bahnkunden-Verband
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