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Laut Umfrage der Bundesnetzagentur (12/2010) beurteilen über 30 Prozent der Eisenbahnverkehrsunternehmen Deutschlands sowohl den Erhaltungs- wie auch den Ausbauzustand des Schienennetzes als unbefriedigend oder ungenügend, 51 Prozent als mittelmäßig – ein schlechtes Zeugnis für die DB AG und die Verkehrspolitik des Bundes! Foto: Christian Schultz |
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Die Infrastrukturunternehmen der Deutschen
Bahn (DB Netz AG, DB Station &
Service AG, DB Energie GmbH) sind gemäß
der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
(LuFV) verpflichtet, dem Bund jährlich
bis zum 30. April einen gemeinsamen Infrastrukturzustands-
und entwicklungsbericht
(IZB) vorzulegen. Anhand definierter
sanktionsbewehrter Qualitätskennzahlen
soll mit diesem Bericht nachgewiesen werden,
dass u. a. die bundeseigenen Schienenwege
in einem uneingeschränkt nutzbaren
Zustand erhalten werden.
In dem letzten Infrastrukturzustandsbericht
2010 weist die Deutsche Bahn
zwar nach, dass alle vereinbarten Vertragszielwerte
formal erreicht, teilweise sogar
übererfüllt wurden, verschwiegen wird in
dem IZB aber die bereits mehr als eineinhalb
Jahrzehnte andauernde tiefgreifende
qualitative Schwächung der Schieneninfrastruktur.
Ein Mehrjahresvergleich ist leider nicht
Bestandteil des Infrastrukturzustands- und
entwicklungsberichts, wodurch die seit Beginn
der Bahnreform erfolgten massiven
Rückbaumaßnahmen nicht thematisiert
werden. Aus energie- und klimapolitischen
Gründen notwendige Verkehrsverlagerungen
auf die Schiene scheitern aber mittlerweile
auf vielen Strecken an fehlender
Streckenkapazität.
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Diese Daten kennzeichnen die Entwicklung der Schieneninfrastruktur der DB AG |
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Diese (demgegenüber positive) Entwicklung gab es bei den Verkehrsleistungen |
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Infrastrukturabbau schwächt Wettbewerbsposition
des Schienenverkehrs
Die negative Entwicklung im Bereich der
Infrastruktur führt – gerade wegen des erfreulicherweise
zunehmenden Verkehrsaufkommens
– zwangsläufig zu hohen Risiken
für die Betriebsqualität, Pünktlichkeit und
Flexibilität, was für Bahnkunden auch deutlich
spürbar ist:
- Die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes
wurde systematisch reduziert, da
deutlich weniger Ausweich- und Kreuzungsmöglichkeiten
zur Verfügung stehen;
die Fahrplangestaltung wird durch
die Reduzierung der Möglichkeiten von
Zugkreuzungen und Überholmöglichkeiten
erschwert.
- Hohe Risiken bestehen hinsichtlich der
Pünktlichkeit, da bei Zugverspätungen
notwendige Ausweichmöglichkeiten
fehlen und sich dadurch Verspätungen
zwangsläufig auch auf andere Züge auswirken.
- Die Zuverlässigkeit des Bahnangebots
wird beispielsweise bei winterbedingten
Einflüssen/Störungen reduziert, da weniger
alternative Fahrmöglichkeiten zur
Verfügung stehen.
- Der Güterverkehr benötigt häufig längere
Fahrzeiten, da weniger Fahrplantrassen
zur Verfügung stehen und Überholungen/
Zugkreuzungen wesentlich eingeschränkt
sind.
- Ein Ausbau von Verbindungen z. B. des
Güterverkehrs ist mit der deutlich reduzierten
Infrastruktur vielfach nicht mehr
möglich.
- Prozentual am größten ist der Abbau im
Bereich der Gleisanschlüsse. Das Fehlen
von Gleisanschlüssen und Ladegleisen
führt dazu, dass immer mehr Verkehre –
vom Kombinierten Verkehr einmal abgesehen
– zwangsläufig auf der Straße erfolgen,
während der Schienenverkehr sich
auf einige wenige Verbindungen konzentrieren
muss.
Unverständlich und nicht akzeptabel ist,
dass diese Entwicklung vom Eigentümer,
also dem Bund, zumindest geduldet und
teilweise sogar gefördert wird.
VDV sieht erheblichen Investitionsbedarf
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Stetig knapper werdende Erdölvorräte, drastisch steigende Energiepreise, Klimawandel – angesichts dieser Rahmenbedingungen müsste die Schieneninfrastruktur eigentlich bevorzugt ausgebaut und Engpässe zügig beseitigt werden. Entsprechende politische Weichenstellungen fehlen jedoch. Foto: Christian Schultz (Februar 2012) |
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Die Ergebnisse der regelmäßig stattfindenden
Befragung von Eisenbahnverkehrsunternehmen
seitens des Verbands Deutscher
Verkehrsunternehmen (VDV) nach dem aus
ihrer Sicht bestehenden Investitionsbedarf
in das Bundesschienenwegenetz bestätigen
diese Problematik. Der Ergebnisbericht des
VDV vom Februar 2011 umfasst dabei einen
Katalog von bundesweit über 350 (!) Einzelmaßnahmen.
Es handelt sich dabei überwiegend
um Maßnahmen mit vergleichsweise
geringen Investitionsvolumina. Folgende
vier Projekte, die betriebliche Probleme
als Folge des Infrastrukturrückbaus wieder
beheben können, seien an dieser Stelle beispielhaft
angeführt:
- Strecke Cuxhaven—Bremerhaven
Der Kreuzungsbahnhof Nordholz wurde
zurückgebaut und dient nur noch als
Haltepunkt. Da der Containerverkehr zwischen
Cuxhaven und Bremerhaven in Kürze
ausgeweitet wird, gibt es Probleme auf
dieser eingleisigen Strecke mit nur einem
Kreuzungsbahnhof in Dorum. VDV-Vorschlag:
Wiederausbau des heutigen Haltepunkts
Nordholz zum Kreuzungsbahnhof,
alternativ 3. Kreuzungsgleis in Dorum.
- Strecke Pirmasens Nord—
Pirmasens Hbf
Hier besteht keine ausreichende betriebliche
Flexibilität der drei zulaufenden
Strecken ohne zweites Gleis mit der Folge
einer hohen Verspätungsanfälligkeit.
VDV-Vorschlag: Reaktivierung des zweiten
Gleises.
- Strecke Plattling—Bayrisch Eisenstein
Die Streckenkapazität wurde nach dem
Einbau neuer Sicherungstechnik reduziert
(Entfall von Kreuzungsmöglichkeiten, Entstehung
langer Blockabschnitte); dadurch
ist die Realisierung von Mehr- und Neuverkehren
erschwert. VDV-Vorschlag: Wiedereinrichtung
zusätzlicher Kreuzungsstellen.
- Basel Bad Rangierbahnhof
Es fehlen Gleise für Zugbildungsaufgaben.
VDV-Vorschlag: Reaktivierung von Gleisen
in der ehemaligen C-Gruppe von Basel
Bad Rangierbahnhof.
Gewinne zu Lasten der
Infrastrukturqualität
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Im Rahmen des jüngsten Umbaus des Bahnhofs Müncheberg (Mark) wurde zwar ein Abstellgleis für das Stärken bzw. Schwächen der Regionalzüge errichtet, Zugkreuzungen von Reisezügen sind aber bereits seit Jahren nicht mehr möglich, da nur noch eine Bahnsteigseite nutzbar ist. Die Flexibilität des Betriebs ist entsprechend eingeschränkt. Foto: Christian Schultz (Februar 2012) |
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Für Ersatzinvestitionen in die Schieneninfrastruktur
erhält die Deutsche Bahn – entsprechend
den Regelungen der Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung (LuFV) – einen
festen Betrag von 2,5 Milliarden Euro pro
Kalenderjahr. Die LuFV wurde am 14. Januar
2009 (mit Wirkung vom 1. Januar 2009)
zwischen der Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der DB
Netz AG, der DB Station & Service AG sowie
der Deutschen Bahn AG abgeschlossen und
hat eine Laufzeit bis Ende 2013. Seitens der
Deutschen Bahn werden zusätzlich 500 Millionen
Euro für Investitionen zur Erhaltung
und Modernisierung des Bestandsnetzes
bereitgestellt. Der Instandhaltungsbeitrag
der Eisenbahninfrastrukturunternehmen
summiert sich auf mindestens 1,0 bis 1,25
Milliarden Euro jährlich.
Auch der Geschäftsbereich DB Netze Fahrweg
erhält also Steuergelder in beträchtlicher
Höhe. Im Grundsatz ist dagegen sicherlich
nichts zu sagen. Nicht akzeptabel
ist allerdings, wenn die Gewinne der DB
AG – neben dem Geschäftsbereich DB Netze
auch DB Bahn Regio – ganz wesentlich und
mit steigender Tendenz aus dem Bereich Infrastruktur
erzielt werden. Dieser betrug bei
DB Netze Fahrweg im Jahr 2010 601 Millionen
Euro – eine erneute Steigerung, obwohl
der Betrag 2009 bereits bei 558 Millionen
Euro lag.
Die Mittelfristplanung sieht hier ein weiteres
kontinuierliches Wachstum des EBIT
auf schließlich 1,1 Milliarden Euro im Jahr
2014 vor. Die in diesem Geschäftsfeld erzielten
Gewinne werden als Folge des Beherrschungs-
und Gewinnabführungsvertrages
bislang vollständig an die Konzernholding
abgeführt.
Für die Erwirtschaftung dieser Renditen
bezahlen letztlich alle Kunden: sowohl das
einzelne Verkehrsunternehmen, welches
die Infrastruktur nutzt und seine Dienstleistungen
erbringt, als auch der Fahrgast bzw.
Güterkunde über die
Fahr-/Transportpreise.
Sie sind im Fall eines unpünktlichen/
gestörten
Betriebsablaufs angesichts
verlängerter Fahrzeiten
gleichzeitig aber
auch die Leidtragenden.
Eine Aufhebung des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages
ist daher dringend
geboten. Erwirtschaftete
Gewinne müssen
zweckgebunden für die
Instandhaltung und den
Ausbau der Schieneninfrastruktur
eingesetzt
werden, anstatt diese
an die Konzernzentrale
abzuführen!
Ähnliches gilt auch
für den Bund: Wenn
dieser schon eine Bahn-
Dividende in einer Höhe
von 500 Millionen Euro
jährlich abschöpft, hätte
er angesichts einer
chronisch unterfinanzierten
und von unzähligen
Kapazitätsengpässen
gekennzeichneten
Schieneninfrastruktur
die Pflicht, diese Mittel
zweckgebunden für
Instandhaltungs- und
Ausbaumaßnahmen
des Schienennetzes
einzusetzen und nicht
dem allgemeinen Bundeshaushalt
zuzuführen
bzw. damit Haushaltslöcher
zu stopfen.
Deutscher Bahnkunden-Verband
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