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Trotz umfangreicher Investitionen in die Infrastruktur verkehren gerade einmal 4 Zugpaare des Berlin-Warszawa-Express und ein EuroNight-Zugpaar in der Relation Berlin—Poznań—Warszawa. Zum Vergleich: Zwischen Berlin und Prag ist ein 2-Stunden-Takt längst Realität. Foto: Christian Schultz |
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Während Autos und Busse seit Jahren ohne Aufenthalt die Grenze passieren, scheitern umsteigefreie Verbindungen wie hier in Kostrzyn noch immer an einem inakzeptabel langwierigen Bürokratismus bei der wechselseitigen Fahrzeugzulassung – zu Lasten der Bahnreisenden! Foto: Christian Schultz |
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Zugverbindungen zwischen Berlin/Brandenburg und Westpolen. Karte: VBB, Stand Juni 2011 |
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Regionalzugverbindung Frankfurt (Oder)—Poznań: Mit einem Angebot durchgehender Züge von/nach Berlin würde unnötiges Umsteigen vermieden und das Bahnangebot für den Kunden attraktiver gestaltet werden. Foto: Christian Schultz |
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Derzeit verkehren pro Tag lediglich 7 Fernzugpaare
zwischen Deutschland und Polen.
Das ist etwa ein Drittel des Niveaus der
1970er Jahre! Das Fahrgastpotenzial ist in allen
nachfolgend beschriebenen Korridoren
jedoch deutlich höher.
In den wichtigen Relationen Berlin—Szczecin
(Stettin) und Berlin—Wrocław (Breslau)
verkehrt jeweils nur ein einziges EC-Zugpaar!
Wenn die dringenden Entscheidungen
zur Ertüchtigung der Schieneninfrastruktur
und über Angebotsverbesserungen sowohl
für Fahrgäste als auch für Güterkunden weiter
hinausgezögert werden, besteht die Gefahr,
dass zumindest der Schienenpersonenverkehr
zwischen Deutschland und Polen
künftig zur Bedeutungslosigkeit verkommt
und sich die Nachfrage fast vollständig auf
die Straße verlagert – mit all den negativen
Folgen für Umwelt und Energieverbrauch.
Dies kann und darf nicht verkehrspolitisches
Ziel sein. Folgender Handlungsbedarf
besteht in den einzelnen Relationen:
Korridor 1: Berlin—Angermünde—
Szczecin (Stettin)
Die Fahrzeit zwischen Berlin Hbf und Szczecin
Gl. beträgt nach den bislang durchgeführten
Ausbaumaßnahmen 1:57 Stunden. Es gibt
derzeit nur drei Direktverbindungen pro
Richtung. Seit dem 1. August 2010 erfolgte
auf dieser Strecke angesichts der massiven
Konkurrenz durch Minibus-Angebote eine
Reduzierung des Fahrpreises für die Einzelfahrt
– bezogen auf Berlin – auf 10 Euro bzw.
ermäßigt auf 7,50 Euro (Tageskarte 20 Euro,
ermäßigt 15 Euro). Dadurch ist es gelungen,
die Fahrgastzahlen der Bahn deutlich auf
rund 200 000 im Jahr 2011 zu steigern.
Hohe Priorität haben in dieser Relation
der zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung
zwischen Szczecin-Gumience und Passow
(lediglich 40 km!) sowie ein durchgängiger
Ausbau der Strecke Berlin—Szczecin
für 160 km/h. Der dafür notwendige Staatsvertrag
wurde leider noch immer nicht abgeschlossen.
Durch den Ausbau kann die
Fahrzeit zwischen Berlin Hbf und Szczecin
auf 90 Minuten reduziert und damit für die
Fahrgäste wesentlich attraktiver werden.
Mit einem verbesserten Bahnangebot von
12 Zugpaaren kann die Fahrgastzahl auf ca.
500 000 gesteigert werden. Das Potenzial
dieser Verbindung ist nicht zuletzt deshalb
so hoch, da auch die als Urlaubsziel immer
beliebtere polnische Ostseeküste über diese
Strecke erreichbar ist. Bestandteil muss deshalb
u. a. die Wiedereinführung einer umsteigefreien
Verbindung Berlin—Gdańsk
(Danzig) sein.
Korridor 2: Berlin—Küstrin-Kietz—
Kostrzyn—Gorzów Wlkp. (Landsberg)
Diese Linie ist bislang mit täglich rund 900
Reisenden die erfolgreichste und nachfragestärkste
Linie im Schienenpersonennahverkehr
zwischen der Region Berlin-Brandenburg
und Polen. Täglich verkehren 16
Zugpaare im Stundentakt zwischen Berlin-
Lichtenberg und Kostrzyn, dabei bestehen
8 Anschlüsse von/nach Gorzów Wlkp. Erfreulich
ist die zumindest teilweise tarifliche
Integration bis Gorzów. Das nur bei der NEB
Betriebsgesellschaft (Betreiberin der Strecke
Berlin—Kostrzyn) durchgehend lösbare Ticket
berechtigt dabei auch zur Nutzung des
Straßenbahn- und Busnetzes in Gorzów. Im
Gegensatz zur Verbindung Berlin—Szczecin
hat das Bahnangebot hier den Vorteil, dass es
keine konkurrierende Autobahn gibt und sich
ein Minibusverkehr nicht entwickeln konnte.
Jedoch besteht auch auf dieser Verbindung
erheblicher Handlungsbedarf: Noch
immer konnten keine umsteigefreien Direktverbindungen
Berlin—Gorzów, erst
recht nicht Berlin—Krzyż Wlkp. (Kreuz),
geschaffen werden. Die hierfür notwendige
wechselseitige Fahrzeugzulassung –
gerade im Fall zweier Mitgliedstaaten der
Europäischen Union (!) – ist überfällig und
der inzwischen bereits eingetretene Zeitverzug
nicht mehr hinnehmbar. Technische
Fahrzeuganpassungen sind dabei zweifellos
lösbar.
Bezüglich der Infrastruktur sind sowohl
auf deutscher als auch polnischer Seite Verbesserungen
vorgesehen. Die gesamte Strecke
soll für eine Höchstgeschwindigkeit von
120 km/h ausgebaut werden (derzeit meist
100 km/h) und somit Fahrzeitverkürzungen
ermöglichen. Der zweigleisige Ausbau
zwischen Strausberg und Rehfelde würde
zudem helfen, zeitraubende Wartezeiten
auf Züge der Gegenrichtung zu vermeiden.
Vorgesehen ist, diese Linie nach der für 2016
geplanten Fertigstellung der dortigen Bahnsteiganlagen
ab/bis Berlin Ostkreuz durchzubinden,
wodurch sich das Umsteigen zur
Berliner Innenstadt bzw. zum Flughafen Berlin
Brandenburg (BER) deutlich verbessern
wird. Angestrebt werden auf dieser Linie
künftig mindestens 120 000 Fahrgäste jährlich
– derzeit sind es rund 100 000.
Korridor 3: Berlin—Frankfurt (Oder)—
Poznań (Posen)—Warszawa (Warschau)
In dieser Relation verkehren derzeit vier
EuroCity-Zugpaare, die unter dem Markennamen
Berlin-Warszawa-Express seitens
der Deutschen Bahn und der PKP Intercity
betrieben werden. Durch umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen
der Infrastruktur
und Anhebung der Höchstgeschwindigkeit
auf 160 km/h konnte die Fahrzeit Berlin
Hbf—Poznań Gł. auf 2:46 Stunden reduziert
werden bzw. Berlin Hbf—Warszawa Centralna
auf 5:35 Stunden.
Die Anzahl der Verbindungen ist mit 5
Zugpaaren, davon 1 Nachtzugpaar, jedoch
auch hier – nicht zuletzt angesichts der hohen
Investitionen in die Infrastruktur – zu
gering. Von Poznan aus können praktisch
keine Tagesfahrten nach Berlin unternommen
werden, da der Zeitraum zwischen der
Ankunft des ersten Zuges in Berlin Hbf um
12.12 Uhr und Abfahrt des letzten Zuges bereits
um 17.40 Uhr u. a. für Geschäftsreisende
viel zu kurz ist.
Um bestehende Fahrplanlücken zu schließen
(Poznań ist mit rund 550 000 Einwohnern
immerhin die fünftgrößte Stadt Polens!),
müssten mindestens 2 weitere Zugpaare
verkehren. Angesichts der Bedeutung dieser
Verbindung muss letztlich jedoch ein 2-Stunden-
Takt das Ziel sein. Dies ist beispielsweise
zwischen Berlin und Prag längst Realität!
Seitens des Deutschen Bahnkunden-
Verbands wurde daher vorgeschlagen, dass
einzelne Züge der heutigen IC-Linie 77 Schiphol—
Berlin entsprechend durchgebunden
werden. Dies ermöglicht nicht nur häufigere,
umsteigefreie Verbindungen in das Wirtschaftszentrum
Poznań bzw. nach Warszawa,
sondern auch verbesserte überregionale Verbindungen
ab/bis Frankfurt/Oder.
Für den in Berlin beginnenden/endenden
Berlin-Warszawa-Express ist zudem
die nunmehr seit Jahren sture Haltung der
Deutschen Bahn unverständlich, im Bahnhof
Berlin Zoologischer Garten keinen planmäßigen
Halt einzurichten. U. a. in diesem
Verkehrsknoten ist die Verknüpfung mit
diversen U-, S- und Buslinien optimal. Die
Nutzung dieses Potenzials sollte für ein
Dienstleistungsunternehmen eigentlich
selbstverständlich sein!
Die Anzahl der Fahrgäste beträgt auf dieser
Linie etwa 140 000 jährlich, angestrebt
wird ein Fahrgastaufkommen von künftig
mindestens 250 000.
Neben den Zügen des Berlin-Warszawa-Express
gibt es auch drei Regionalzugpaare zwischen
Frankfurt (Oder) und Poznań bzw. Zielona
Góra, die vornehmlich der Erschließung
der kleineren Orte entlang der Strecke dienen.
Korridor 4: Berlin—Frankfurt (Oder)—
Zielona Góra (Grünberg)
Derzeit gibt es nach Zielona Góra keine Direktverbindungen.
Lediglich einige wenige
Umsteigeverbindungen über Rzepin (Reppen)
oder Kostrzyn stehen den Bahnkunden
zur Verfügung. Als erster Schritt ist nunmehr
geplant, dass auf der Strecke Cottbus—Guben—
Zielona Góra der Verkehr mit zwei
Zugpaaren wieder aufgenommen wird, wobei
in Guben der Anschluss von bzw. nach
Berlin hergestellt wird. Langfristig wird auch
eine Direktverbindung angestrebt.
Vorrangige Maßnahme muss auf dieser
Linie jedoch ein verbessertes Tarifangebot
sein – analog zu den Angeboten nach Szczecin
und Gorzów. Die Anzahl der Fahrgäste
beträgt in diesem Korridor rund 40 000 jährlich,
die Zielanzahl liegt bei über 100 000.
Korridor 5: Berlin—Cottbus—Wrocław
(Breslau)—Kraków (Krakau)
Für die Verbindung Berlin—Wrocław besteht
derzeit leider keine leistungsfähige Infrastruktur.
Die einzige Direktverbindung mit
EC 248/249 erreicht zwischen diesen beiden
Städten aktuell fast nur das Fahrzeitniveau
von 1895! Mitte der 1930er Jahre benötigten
die Schnelltriebwagen („Fliegender Schlesier“)
dagegen nur etwas mehr als 2,5 Stunden
bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von
128 km/h – allerdings mit der Linienführung
Berlin—Frankfurt (Oder)—Guben—Breslau.
Neben einer geringen Streckengeschwindigkeit
sorgt auch bei dieser Strecke die Elektrifizierungslücke und der damit notwendige
Lokwechsel für unnötig lange Fahrzeiten. Immerhin:
Seit dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember
2011 erlaubt die sanierte Strecke
Berlin—Lübbenau—Cottbus eine Höchstgeschwindigkeit
von 160 km/h. Die Fahrzeit
verkürzt sich dadurch bzw. auch wegen des
Entfalls der Umleitung über Frankfurt (Oder)
zwischen Berlin Hbf und Wrocław Gł. von 6:28
Stunden auf „nur“ 5:22 Stunden. Für diese gut
300 km lange Strecke besteht somit weiterhin
erheblicher Handlungsbedarf!
Ausbau Cottbus—Görlitz „vergessen“?
Völlig ungewiss ist in diesem Zusammenhang,
wann sowohl der zweigleisige Ausbau
des rund 30 km langen Abschnitts Lübbenau—
Cottbus als auch der Ausbau des 93
km langen Abschnitts Cottbus—Görlitz erfolgen
werden. Im Abschnitt Cottbus—Görlitz
ist auch die Elektrifizierung notwendig.
Sowohl im Personen- wie auch im Güterverkehr
bieten die benannten Projekte – bedingt
durch eine höhere Streckenkapazität
und Verkürzung der Reise-/Transportzeiten
– die Chance, Verkehr von der Straße auf
die Schiene zu verlagern.
Der Ausbau ermöglicht dabei einerseits,
die Stadt Görlitz ohne zeitaufwändige, teure
Lokwechsel wieder in das Fernverkehrssystem
einzubinden, und andererseits, das
Bahnangebot in der gesamten Relation
Berlin—Cottbus—Görlitz—Wrocław auszubauen
bzw. deutlich zu beschleunigen.
Der Ausbau dieser Strecke ist nach Auffassung
des Deutschen Bahnkunden-Verbands
somit eine Alternative zu einer Führung
der EuroCity-Züge über Forst, aber
auch zu Horka.
Entsprechende politische Entscheidungen
zur Verbesserung des Schienenverkehrs
sind in dieser Relation dringlich!
Die Fahrzeit von BerlinLinienBus beträgt
beispielsweise für die Strecke Berlin ZOB—
Wrocław 4:50 Stunden. Es verwundert
daher kaum, dass der Fortbestand des
Zugpaares EC 248/249 mit etwa 60 000
Fahrgästen im Jahr extrem gefährdet ist.
Mit dem Ziel einer Fahrzeit von gut drei
Stunden und einem Grundangebot von
3 Direktzugpaaren ließe sich das Fahrgastaufkommen
in der Relation Berlin—
Wrocław auf mindestens 170 000 jährlich
steigern.
Die gesamten Investitionskosten betragen
für die Ausbaustrecke Berlin—Görlitz
ca. 242 Millionen Euro. Damit stehen die
Kosten in keinem Verhältnis zu dem Niveau
eines fragwürdigen Prestigeprojekts wie
Stuttgart 21, für dessen Umsetzung entsprechend
der äußerst optimistischen offiziellen
Planung vom Dezember 2009 4,1 Milliarden
Euro erforderlich sind.
Das Weißbuch ist im Internet abrufbar unter
www.VBBonline.de/Weissbuch Deutscher Bahnkunden-Verband
Berliner Fahrgastverband IGEB
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