Das große Potenzial eines gemeinsamen
Schienenverkehrs in der Europäischen Union
wird noch immer von einigen Regierungen
und Bahnunternehmen ausgebremst.
Obwohl im Güterverkehr sowie im internationalen
Personenverkehr auf dem Papier
längst ein offener Marktzugang in der EU
etabliert wurde, werden die Netze in der
Praxis blockiert. Grund dafür sind vor allem
Mängel bei der Regulierung. Manchmal
dauert es bis zu zwei Jahre, bis Eisenbahnunternehmen
eine Antwort der nationalen
Regulierungsbehörde erhalten. In anderen
Fällen bleibt die Antwort sogar ganz aus.
Diese Mängel soll die Neufassung des Ersten
Eisenbahnpaketes, das so genannte Recast,
abstellen (siehe auch SIGNAL 3/2011).
Am 16. November hat das Europäische
Parlament über seine Position abgestimmt,
nun ist der Verkehrsministerrat am Zug, um
sich mit dem Parlament zu einigen.
Das EU-Parlament hat sich klar gegen die
Missstände zu Lasten von Qualität, Preisen
und Verbindungsangeboten gestellt. Dabei
hat es die Durchsetzung starker und unabhängiger
Regulierungsbehörden in allen
Mitgliedsstaaten in den Mittelpunkt gerückt.
Diese müssen personell und finanziell
gut ausgestattet sein, und es werden ihnen
maximal vier Wochen Bearbeitungsfrist zugestanden.
Kommt ein nationaler Regulierer
seinen Aufgaben nicht nach, soll die Europäische
Kommission eingeschaltet werden
können.
Entscheidung im Jahr 2012
Konsens bestand zwischen den Fraktionen
im EU-Parlament darüber, eine Entscheidung
über die immer wieder diskutierte
Frage der Trennung von Netz und Betrieb
(das sogenannte „Unbundling“) auf das für
2012 von der Kommission angekündigte
Gesetzgebungsverfahren zu verschieben.
Gründlichkeit muss hier vor Schnelligkeit
gehen. Denn zum jetzigen Zeitpunkt ist das
Unbundling nicht der entscheidende Faktor
für den fairen Netzzugang. Es gibt in der
EU einige Mitgliedsstaaten, die Netz und
Betrieb bereits getrennt haben, ihre Infrastruktur
aber weiterhin abschotten.
Trotz der Einigkeit über eine gründliche
Behandlung im Jahr 2012 haben Konservative
und Sozialdemokraten den Text in
letzter Minute noch leicht verändert und
mit der Frage der Finanzströme einen Teilaspekt
des Unbundlings eingebracht. Die
angenommene Formulierung lässt jedoch
Interpretationen in alle Richtungen zu,
weshalb der Rat aufgefordert ist, sich beim
Recast allein auf die Frage der Regulierung
zu konzentrieren.
Anreize für leisere Züge
Beim Umweltschutz und den Arbeitnehmerrechten
hat das Parlament auf grüne Initiative
hin eine sinnvolle Position festgelegt: So
wurden Anreize für die Betreiber verankert,
in der Zukunft leisere Züge einzusetzen.
Zudem wird den Eisenbahnunternehmen
die Wahl des Energieversorgers freigestellt
und dabei eine Diskriminierung über unterschiedliche
Energiepreise verboten. Ein
weiterer Erfolg ist für die Beschäftigten von
großer Bedeutung: Eine zwischenzeitlich
angedachte Einschränkung des Streikrechts
wurde abgelehnt. Jetzt ist der Verkehrsministerrat
gefordert, damit der Einheitliche
Europäische Eisenbahnraum schnell realisiert
werden kann! Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
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