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U-Bahn-Baureihe F74 (hier F76) – auch heute noch im Einsatz. Foto: Marc Heller |
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Inzwischen auch dort nicht mehr vorhanden sind allerdings die Sitzbänke und die Schilder auf dem Bahnsteig, hier aufgenommen im Jahr 1993. Foto: Jan Gympel |
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Rolltreppen waren 1961 noch eine Seltenheit, daher informierten Schilder darüber, wie man sich dort verhalten sollte (gesehen im Sommer 2009 auf dem U-Bahnhof Kurfürstendamm, inzwischen nicht mehr vorhanden). Foto: Jan Gympel |
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Im U-Bahnhof Kurfürstendamm finden sich einige der letzten noch erhaltenen Vitrinen der damit einst reich ausgestatteten U 9. Foto: Jan Gympel |
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Faltblatt zur Eröffnung der Linie G – heute U 9 – vom 2. September 1961 (oben und rechts). „Vom Wedding zum Zoo in 10 Minuten“ BVG |
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Von allen 1961 fertiggestellten Stationen ist der U-Bahnhof Birkenstraße mit Abstand am besten erhalten geblieben. Hier steht sogar noch eine große Vitrine auf dem Bahnsteig. Foto: Jan Gympel |
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Was man sich in Berlin unter Denkmalpflege vorstellt: Ein im Sommer 2009 noch nicht „sanierter“– das heißt völlig abgerissener und neu gebauter – Zugang zum U-Bahnhof Kurfürstendamm, weitgehend im Ursprungszustand erhalten… Foto: Jan Gympel |
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…und ein erneuerter. Kurfürstendamm gehört übrigens zu den beiden einzigen Stationen der U 9, die unter Denkmalschutz stehen. Foto: Jan Gympel |
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Die ursprünglich weiß gefliesten Wände der Station Amrumer Straße sind heute dunkelblau getüncht und teilweise mit Glasplatten verkleidet. Während die Wände dunkler wurden, erhielt der einst asphaltierte Bahnsteig einen hellen Belag. Blick auf das südliche Ende der Bahnsteighalle, über den einst ein Tunnel für die früher geplante Stadtautobahn Westtangente geführt werden sollte. Foto: Jan Gympel |
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Nach Ansicht der BVG hat die – zuvor weiß und dunkelblau geflieste – Station Bundesplatz durch die vor einigen Jahren erfolgte Neugestaltung bedeutend an Attraktivität gewonnen. Foto: Jan Gympel |
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Bitte recht klobig: Noch ist die Bahnsteighalle der Station Rathaus Steglitz weitgehend originalgetreu erhalten. Foto: Jan Gympel |
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Mit Waldemar Grzimeks Höllenhund verfügt der U-Bahnhof Rathaus Steglitz über ein Werk eines der bedeutendsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts – eingebettet in ein Ambiente in den Siebziger-Jahre-Modefarben dunkelbraun und orangegelb sowie mit „spacigen“ Verkleidungen in „silber-metallic“. Foto: Jan Gympel |
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Sichtbeton mit Verschalungsspuren, teils aus Kunststoff gefertigte Elemente in den drei Grundfarben – Schloßstraße ist wohl jener Berliner U-Bahnhof, der am radikalsten den bizarren Geschmack der 1970er widerspiegelt. Nachdem schon die blauen Plastikverkleidungen der Stützen entfernt und diese angemalt worden sind, möchte die BVG die Station in nächster Zeit noch stärker umgestalten. Foto: Jan Gympel |
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Die untere Bahnsteighalle soll sogar möglichst ganz aufgegeben werden. Foto: Jan Gympel |
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Im Spätsommer jährte sie sich zum fünfzigsten Mal: Die Eröffnung des ersten Streckenabschnitts
der Berliner U 9 zwischen Leopoldplatz und Spichernstraße. Anfangs
in vieler Hinsicht die modernste Linie im Berliner Netz findet sich heute nur noch wenig
vom verblichenen Glanz des einstigen Vorzeigeobjekts und Frontstadtprojekts.
Als ich ein kleiner Junge
war, in den Siebzigern, war
eine U-Bahn-Fahrt aus dem
heimatlichen Kreuzberg
nach Steglitz immer etwas
Besonderes. Stieg man am
Zoo zur U 9 um, genügte
ja schon ein Blick ins Gleisbett:
Da lag kein Schotter,
dafür steckten so komische
Platten zwischen den
Schwellen.
Dann die Züge: Ab Mitte
der siebziger Jahre verkehrten
im West-Berliner Netz
nur noch Wagen des Typs
D beim Groß- und des diesem
nachgestalteten Typs A
3 beim Kleinprofil. So wirkte
es, als verfüge die West-
Berliner U-Bahn quasi nur
über einen Wagentyp. Die
einzige Ausnahme bildete
die U 9: Hier fuhren die seit
1974 in Dienst gestellten
Züge des Typs F, mit denen
rasch der gesamte Verkehr
auf der „Linie 9“ – wie sie damals noch hieß –
bewältigt wurde. Züge mit für die Berliner
U-Bahn damals ungewöhnlichen Quersitzen.
Mit einem von seitlichen Leuchtbändern
erhellten, kühl wirkenden Innenraum
in Grautönen und mit blauen Polstern (eine
Gestaltung, die offenbar zu avantgardistisch
war – bald tauchte auch in F-Wagen wieder
das vertraute rotbraune Holzimitat auf, aber
immerhin erhielten die Sitze nicht das bei
den anderen Typen übliche Dunkelgrün).
Mit Wagenlautsprechern, über die von einer
Tonbandstimme die nächste Station angesagt
wurde. Mit Türen, die auf ein Antippen
der Hebel hin aufgingen – und während der
Fahrt verriegelt waren. Was auch hieß: Das
seinerzeit gern von jungen
Leuten praktizierte Abspringen
vom ausrollenden
Zug war hier schon nicht
mehr möglich.
Allein durch die auf ihr
ausschließlich (und ausschließlich
auf ihr) eingesetzten
Fahrzeuge erschien
die U 9 in den späten Siebzigern
als die modernste
Linie im Berliner U-Bahn-
Netz. Das war sie bereits
gewesen, als sie 1961 eröffnet
worden war, am 28.
August, ohne Feierlichkeiten.
War doch die Linie G,
wie sie bis 1966 bezeichnet
wurde, gerade rechtzeitig
zum Bau der Mauer (und
dem Beginn des S-Bahn-
Boykotts) fertig geworden.
Die offizielle Einweihung
erfolgte dann wie geplant
am 2. September.
Die Teilung machte es möglich
Die U 9 ist eben nicht nur die einzige Berliner
U-Bahn-Linie, die vollständig aus nach
dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Stationen
besteht (was bis zu gewissen Verhübschungsmaßnahmen
auf dem ältesten
Streckenteil der U 7 auch augenfällig war)
– sie ist auch insofern „echt West-Berlin“, als
sie ohne die Teilung der Stadt womöglich
nie entstanden wäre. In den umfangreichen
Netzausbaukonzepten der Zwischenkriegszeit
hatte sie kaum eine Rolle gespielt; in
der 1929 veröffentlichten „Denkschrift über
das künftige Berliner Schnellbahnnetz“ von
Ernst Reuter, Johannes Bousset und Hermann
Zangemeister war sie als „zwar nicht
dringliche, wohl aber wünschenswerte Linie“
bezeichnet worden.
Die Spaltung Berlins erzeugte dann die
Dringlichkeit, welche durch den Bau der
Mauer noch bestätigt wurde. Der Transitverkehr
der West-Berliner U-Bahn-Linien durch
den Ostsektor beruhte zumindest anfänglich
praktisch auf reiner Kulanz der östlichen
Seite. Bei einer Sperrung der Strecken – wie
nach dem 17. Juni 1953 – wären nicht nur die
Nordabschnitte der heutigen U 6 und U 8
isoliert gewesen, sondern auch die bis 1971
einzige West-Berliner Großprofilwerkstatt.
Erst 1977 wurde das westliche Netz, dank der
U 9 und dank Verlängerungen der U 7 und der
U 8, von östlicher Gnade ganz unabhängig.
Allerdings hatten sich die Prioritäten auch
deshalb verändert, weil der mondäne und
etwas elitäre „Neue Westen“ rund um die
Gedächtniskirche durch die Teilung Berlins
zum Zentrum der westlichen Halbstadt aufgestiegen
war. Ihm (und dem Bahnhof Zoo
als jahrzehntelang wichtigstem Fernbahnhof
West-Berlins) fehlte eine leistungsfähige
Nord-Süd-Anbindung.
Zudem sind große Bauprojekte immer
auch eine politische Angelegenheit. Erst
recht galt dies im bedrängten West-Berlin
der Hoch-Zeit des Kalten Krieges. Während
manch einer schon „die Russen kommen“
sah, die Flucht ergriff und viele auf der „Insel
im roten Meer“ nicht zu investieren wagten,
baute die öffentliche Hand dort eine
ganz neue U-Bahn-
Linie mit zunächst
neun Stationen. In
der Bundesrepublik
gab es zu jener Zeit
nichts Vergleichbares
– in Hamburg
rang man um die
Verlängerung der
„Kell-Jung-Linie“, andernorts
schmiedete
man erst erste Pläne
für Tunnelstrecken.
In der SED-Diktatur
wiederum sollten
diese bekanntlich
nie realisiert werden.
Innerhalb von nur
sechs Jahren eine Linie
von 7,08 Kilometern
Bauwerkslänge zu errichten und dabei
drei Wasserstraßen, ein breites Bahngelände
und vier bestehende U-Bahn-Strecken zu
unterfahren, wäre auch heute eine beachtliche
Leistung. (Übrigens soll diese 189 Millionen
DM gekostet haben, nachdem man
zu Baubeginn 158,5 Millionen DM kalkuliert
hatte – heutzutage würde man eine solche
Kostensteigerung um rund ein Fünftel wohl
als minimal bezeichnen.)
Nicht von ungefähr war der erste Rammschlag
für die Linie G am 23. Juni 1955 im
Hansa-Viertel ausgeführt worden – nicht nur
vom Umfang, sondern auch von der Gestaltung
her West-Berlins Gegenentwurf zur Stalinallee.
Die Vorzeigesiedlung, Kernstück der
Internationalen Bauausstellung 1957, wurde
also auch gleich an die U-Bahn angeschlossen
– sogar, in Berlin unüblich, mit oberirdischen
Empfangsgebäuden: Die „Stadt von
morgen“ an der U-Bahn-Linie „von morgen“.
Denn der neue Tunnel führte nicht nur
zu Modernisierungen – wie man zumindest
seinerzeit meinte – im Stadtbild: Die Linie
G ersetzte einige Strecken der als „veraltet“
und „Verkehrshindernis“ verabscheuten
Straßenbahn, zwischen Leopold- und Augustenburger
Platz stellte man die Luxemburger
Straße fertig, der vom gesprengten
Zoo-Bunker gebildete Trümmerberg wurde
abgeräumt und – unter Zurückverlegung
der östlichen Baufluchtlinie – der Hardenbergplatz
angelegt, auf dem die BVG fortan
ihre schicken neuen „Autobusse“ abfahren
lassen konnte. Unter der Erde beseitigte
man mit der damals üblichen Ignoranz gegenüber
allem Historischen ohne Diskussion
die alten Stationen Leopoldplatz und
Nürnberger Platz praktisch restlos und der
U-Bahnhof Zoo erhielt ein neues Gesicht.
(Die Station Leopoldplatz wurde übrigens
zum Zwecke ihres Abrisses und Neubaus
am 31. März 1960 geschlossen und schon
am 10. Oktober desselben Jahres wiedereröffnet
– heute geht so etwas, wie man demnächst
an der Kreuzung Unter den Linden
und Friedrichstraße erleben wird, leider
nicht mehr so schnell.) Vor allem aber bedeutete
die neue Strecke selbst einen Entwicklungssprung
für die Berliner U-Bahn.
Gelbe Blitze in begehbaren Mosaiken
Es ist längst vergessen und nur noch schwer
nachvollziehbar, wie stark sich die Linie G
anfangs von den anderen abhob. Mit 23
Stück fanden sich hier mehr Rolltreppen
als auf allen anderen Strecken zusammengenommen.
Während viele Stationen noch
von Glühlampen erhellt wurden – und
zwar für heutige Verhältnisse unvorstellbar
schwach –, dominierten auf der Linie G die
modernen Leuchtstofflampen. Die Abfertigung
erfolgte – von Podesten aus, über
Lautsprecher und Lichtsignal – schneller,
Zugbegleiter gab es nicht mehr. Die gesamte
Strecke war mit magnetischen Fahrsperren
ausgerüstet worden – schon deshalb
konnten hier keine älteren Züge verkehren,
sondern nur die damals neuesten des Typs D.
Journalisten machten daraus sofort
„
D-Züge“, und die – gewollte oder irrtümliche
– Anspielung war wohl vielen Fahrgästen
nachvollziehbar: Durch den typenreinen
Betrieb konnte die einige Jahre zuvor
in Dienst gestellte Baureihe erstmals so
richtig zeigen, wieviel schneller es mit ihr
ging. Und zwar nicht nur durch die auf 70
km/h gesteigerte Höchstgeschwindigkeit,
sondern vor allem durch die gegenüber den
Vorkriegswagen verdoppelte Beschleunigung
von 1,2 m/s². Als „gelbe Blitze“ sollen
sie den Fahrgästen denn auch erschienen
sein, wie im „Tagesspiegel“ vom 29. August
1961 zu lesen war: „‚Det is ja’n Düsenjäger’ –
‚Donnerwetter, hat die einen Anzug’ – ‚Da
bleibt einem ja die Luft weg’, so lauteten die
Kommentare der meisten Fahrgäste. Wer im
Gang der modernen Großraumwagen stand,
konnte sich bei Beschleunigung und Bremsen
kaum auf den Beinen halten. Auf den
Sitzen rutschte man seinem Nachbarn beinahe
auf den Schoß.“ Die offizielle Schrift zur
Eröffnung der Linie G nennt für diese eine
Reisegeschwindigkeit von 35 km/h gegenüber
25 bis 28 km/h auf den anderen Linien.
Natürlich wurden auch diese neuen Züge
von Leuchtstofflampen erhellt. Statt einer
Innenverkleidung aus Holz boten sie Resopal
(was seinerzeit vermutlich viele schick
und modern fanden). Abdeckleisten, Türund
Fensterrahmen oder Haltestangen waren
aus eloxiertem Aluminium, das damals
auch schwer in Mode war. Ein automatisches
Schaltwerk sorgte nicht nur für große, sondern
auch geschmeidige Beschleunigung,
alle Türen schlossen „selbsttätig“, was bei
den älteren Wagen auch keine Selbstverständlichkeit
war.
Und dann die Architektur! Seit langem
herrscht ja der allgemeine Glaube vor, damals
wären ohne große Überlegung bunte
Fliesen an die Wände geklatscht worden.
Noch bevor der architektonische Zeitgeist
in den Achtzigern vollends in Richtung
Nostalgie, Schnörkelseligkeit und Spielereien
abdrehte, arbeitete der Architekt Rainer
Gerhard Rümmler an der Verbreitung dieses
Irrtums. So dürfte der damalige Leiter
der Abteilung „Hochbau-Bauentwurf“ bei
der Senatsbauverwaltung und langjährige
Architekt Berliner U-Bahnhöfe bereits
geschrieben haben, was man 1976 in dem
offiziellen Heftchen zur Eröffnung des
Abschnitts Leopoldplatz—Osloer Straße
über die ältesten Stationen der U 9 lesen
konnte: „Ein großer Nachholbedarf an Verkehrsbauten
einerseits und die Knappheit
der Mittel andererseits waren bestimmend.
So wurden die Bahnhöfe recht einfach und
zweckmäßig, im wesentlichen nach einem
einheitlichen Stil (unterschieden hauptsächlich
nur in der Farbgebung der keramischen
Wandverkleidung) ausgebaut. Sie
mögen aus heutiger Sicht vielleicht etwas
zu nüchtern oder gar unattraktiv wirken,
sind jedoch Zeugen aus der Zeit der ersten
großen Aufbauperiode.“
Die Broschüre zur Eröffnung der Linie
G von 1961 erläutert hingegen, wie viele
Gedanken sich – wohl insbesondere von
Rümmlers Vorgänger Bruno Grimmek – bei
der Stationsgestaltung gemacht worden
waren: „Bei der Auswahl aller Baustoffe auf
den Bahnhöfen wurden helle Farbtöne bevorzugt,
ohne daß dabei deren Zweckmäßigkeit
im Hinblick auf den späteren Reinigungsaufwand
außer acht geblieben ist. (…)
Für die Verkleidung der Tunnelwände in den
Bahnsteighallen wurden in verschiedenen
hellen Pastelltönen Keramik-Spaltplatten
gewählt, deren Oberfläche keine scharfen
Lichtreflexe entstehen läßt. (…) Die Bahnsteigplatten
sowie die Böden der Vorräume
und Zugänge wurden teils mit Gußasphalt,
teils mit aufhellenden Asphalt-Terrazzo-
Platten belegt.“
Auch hinsichtlich der Beleuchtung gab
es ein Konzept: „Für die ständig oder häufig
benutzten Beleuchtungseinrichtungen
auf den Bahnhöfen wurden überwiegend
Leuchtstoffröhren vorgesehen. Bei der
Ausleuchtung der Bahnsteige und Betriebsräume
wurde großer Wert auf eine richtige
Farbwiedergabe und auf eine ausreichende
Behaglichkeitswirkung gelegt. Mit Ausnahme
der Leuchten, die sich von der allgemeinen
Beleuchtung abheben sollen (z. B.
in den Fahrtrichtungsanzeigern), wurden
deshalb Zweischicht-Leuchtstofflampen in
der Warmtonausführung gewählt. Für die
Verteilung der Leuchten in den Bahnsteighallen
war eine hinreichende Beleuchtung
der Bahnsteigkanten wichtig. Dabei wurde
auf eine ausreichende mittlere Helligkeit
von etwa 60 Lux in Fußbodenhöhe und eine
große Gleichmäßigkeit des Lichteinfalls
auch bei Schattenwurf durch ein- und aussteigende
Fahrgäste geachtet.“
Die Zeitgenossen hatten denn auch keineswegs
den Eindruck, auf der neuen Linie
notgedrungen einfach und zweckmäßig
gestaltete, „nüchtern“ und fast ärmlich aussehende
Stationen vorzufinden. Ganz im
Gegenteil schienen Grimmek und seine Mitarbeiter
mit den hellen Fliesen, den Bruchsteinen,
dem funkelndem Glasmosaik oder
den elegant geschwungenen Decken den
Zeitgeschmack getroffen zu haben.
So begeisterte sich, um nur ein Beispiel zu
nennen, die „Frankfurter Allgemeine“ vom
29. August 1961: „Die neue U-Bahnstrecke
hat neun Stationen, von denen der Bausenator
in seinem Prospekt sagt, man habe
ihnen eine ‚erfreuliche Atmosphäre’ geben
wollen. Das ist das Understatement
schlechthin, denn diese Bahnhöfe sind
Paletten-Paläste, es sind begehbare Mosaike,
und jeder von ihnen bekennt auf andere
Weise Farbe. Wer ist der Schönste: Ist es die
Haltestelle Kurfürstendamm mit den hellen
grünen Kacheln, die wie Frühlingserwachen
wirken, die einen Ausflug ins Grüne ersetzen
und ganz natürlich kontrastieren mit dem
sandfarbenen Mosaik der Mittelsäulen? (…)
Aber ist nicht der Bahnhof Zoo mit dem
lebhaften Gelb der Kacheln, mit der spezifischen
Lebendigkeit eines Knotenpunktes
(…), der erregendste aller Haltepunkte? Wer
aber wollte die Station Birkenstraße verachten,
wo der Architekt offenbar vom Namen
inspiriert worden ist und ein lindes Grün für
die Wände genommen hat? (…) Es ist eine
farbenfrohe Untergrundbahn, der man am
Montagmorgen die Strecke freigegeben hat,
keine triste Kellergeschichte.“
Von nun an ging’s bergab
Im Süden endete die neue Linie nicht mit
einer Kehranlage. Es gab nur einen doppelten
Gleiswechsel nördlich der Station
Spichernstraße. Abgesehen vom nördlichen
Endpunkt Leopoldplatz hatte man
eine Kehr- und Aufstellanlage nur am Zoo
angelegt, und zwar nördlich der Bahnsteighalle
– offenbar erwartete man auf dem
nördlichen Abschnitt der Linie G ein geringeres
Fahrgastaufkommen als auf dem südlichen.
Mit dessen Verlängerung, zunächst
bis Walther-Schreiber-Platz, wurde denn
auch schon 1962 begonnen, wobei für die
Durchquerung des Volksparks Wilmersdorf
erstmals bei der Berliner U-Bahn die Senkkastenbauweise
zur Anwendung kam. Die
Eröffnung dieser Strecke am 29. Januar 1971,
zusammen mit dem U 7-Abschnitt Möckernbrücke—
Fehrbelliner Platz, den die U 9 am
Bahnhof Berliner Straße kreuzt, markierte
den Höhepunkt des Nachkriegsbaubooms
bei Berlins U-Bahn: Auf einen Schlag gingen
Bauwerke von 8,7 Kilometer Länge mit elf
Stationen in Betrieb. Es sollte bis heute die
größte Netzerweiterung seit 1930 bleiben.
Die U 9 erfuhr noch zwei Verlängerungen:
Am 30. September 1974 im Süden
bis Rathaus Steglitz, am 30. April 1976
im Norden um ebenfalls zwei Stationen
bis Osloer Straße. Dann war, nach fast 21
Jahren, in denen man achtzehn Bahnhöfe
auf 13,4 Kilometern geschaffen hatte, ihr
Ausbau faktisch beendet. Auch technisch
war es noch einmal vorangegangen: An
der Berliner Straße war für die U 9 das erste
Linienstellwerk bei der Berliner U-Bahn
entstanden. Ab 1976 wurde der Betrieb mit
dem Linienzugbeeinflussungssystem „LZB
501“, das seit 1967 auf einem Abschnitt
erprobt worden war, auf die gesamte U 9
ausgedehnt. Von der Allgemeinheit wenig
beachtet, fand dort bis 1993 ein automatischer
Zugbetrieb statt. Um 1976 verbannte
man auch die einstmals so spektakulären
Wagen des Typs D von der U 9.
Allerdings trifft man dort die damals neuen,
so ungewohnten Fahrzeuge des Typs
F noch heute an – inzwischen sind sie die
ältesten noch im regulären Einsatz befindlichen
Großprofilwagen. Und es dauerte lange,
bis die in den Neunzigern entwickelten
Züge des Typs H, deren sechs Wagen einen
einheitlichen Fahrgastraum bilden, auch auf
der U 9 auftauchten. Die einstige Vorzeigelinie
hatte ihren Status verloren.
Schon lange zuvor war hier deutlich geworden,
wie sich die Planer im typischen
Modernitätsrausch der Nachkriegszeit ganz
typisch verrannt hatten. Früh traf es die Experimente
mit dem Oberbau, die auf der U 7
in Britz und der U 6 in Tempelhof in den so
fortschrittsgläubigen Sixties fortgeführt worden
waren. In der Broschüre zur Eröffnung
1961 hatte es noch geheißen: „Konstruktiv
gesehen ermöglicht der schotterlose Oberbau
mit seiner geringeren Bauhöhe gegenüber
dem Schotteroberbau eine Anhebung
der Tunnelsohle und damit verbunden eine
bemerkenswerte Massenminderung. Als betriebliche
Vorteile sind die ruhige Zugfahrt,
die geringe Staubentwicklung und die einfache
Unterhaltung zu nennen.“ In der Schrift
zur Eröffnung von 1971 las man hingegen:
„Im Berliner U-Bahnbau sind bereits mehrere
Oberbauarten untersucht worden. Aufgrund
der gewonnenen Erfahrungen sind die Neubaustrecken
wieder durchgehend mit dem
erprobten Rippenplattenoberbau mit endlos
verschweißten Vignolschienen der Form S 41
auf Holzschwellen in Schotterbettung ausgerüstet
worden.“
Inzwischen ist auch der schotterlose
Oberbau von 1961 verschwunden.
Ferner steckt die U 9 voller Fehlplanungen.
In den damaligen Publikationen der
Senatsbauverwaltung wurde immer wieder
darauf hingewiesen, U-Bahn- und Stadtautobahnbau
gingen Hand in Hand. Und
wo keine Autobahn möglich war, wollte
man den Verkehr wenigstens durch Kreuzungsfreiheit
beschleunigen (die Zugänge
zu den U-Bahnhöfen sollten ausdrücklich
auch zur Unterquerung der Hauptverkehrsstraße
dienen, damit keine Fußgänger den
Autostrom stören): „Der großen Bedeutung
der Bundesallee als Hauptverbindungsstraße
des Zoogebietes mit Wilmersdorf und
Steglitz wird insoweit Rechnung getragen,
als der Kraftfahrzeugverkehr zwischen der
Spichernstraße und dem Friedrich-Wilhelm-
Platz in Zukunft kreuzungsfrei geführt wird“,
heißt es in der Broschüre zur Eröffnung 1971.
So liegt die Station Güntzelstraße so auffällig
tief, weil im Zuge ihres Namensgebers ein
Autotunnel geplant war, wie auch am deshalb
niedrigeren Südende der Bahnsteighalle
Amrumer Straße. Immerhin wurde das Teilstück
nicht gleich mit der U-Bahn errichtet
– wie südlich der Station Spichernstraße. Oder
wie die Autotunnel am Bundesplatz und an
der Berliner Straße. Letzterer ist bis heute insofern
ein Ärgernis, als die beiden Perrons
einer der am meisten frequentierten Umsteigestationen
der Berliner U-Bahn seinetwegen
nur durch schmale Treppen miteinander
verbunden werden konnten. Was zeigt, was
bei den Verkehrsplanern Vorrang hatte.
Schließlich die riesige Fehlinvestition in
der Steglitzer Schloßstraße, wo bequemes
Umsteigen ermöglicht werden sollte, indem
man die U 9 mit der U 10 ver- und wieder
entflocht – einer Linie, die nicht gebaut wurde.
Bei so viel Aufwand für ein Morgen, das
niemals kam, fällt kaum ins Gewicht, wie sich
der Busbahnhof im Steglitzer Kreisel entwickelte:
Er „erlaubt ein attraktives Umsteigen
Bus/U-Bahn für etwa 8000 Fahrgäste stündlich,
wie es im Berliner Verkehrsnetz in dieser
Form erstmals möglich sein wird“, hieß
es stolz im Faltblatt zur Streckeneröffnung
1974. Trafen sich hier einst alle am Rathaus
Steglitz verkehrenden Buslinien, beherbergt
die Anlage, mittlerweile auf etwa die Hälfte
ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft
und einer wichtigen Zufahrt beraubt, heute
nur noch einige relativ unbedeutende Haltestellen.
Und dann die Architektur! Auch von den
Stationen Rümmlers sind schon – wie auf
anderen Linien – diverse umgestaltet worden.
Wobei etwa die „curryfarbenen“ Fliesen
– in ihrem Graubraun auch geputzt
schmuddelig wirkend –, welche am Friedrich-
Wilhelm-Platz noch zu bewundern,
aber an der Berliner Straße verschwunden
sind, würdige Nachfolger gefunden haben
in den trübsinnigen, stumpfen Platten, die
die Station Bundesplatz seit deren Neuauskleidung
zieren. Und während die BVG
seit einigen Jahren ein Faible für blecherne
Verkleidungen zeigt, beseitigt sie mit
der ihr eigenen Konsequenz jene silbern
schimmernden Aluminiumummantelungen,
die gerade Nachgeborene gern
„spacig“ und damit schick finden: Osloer
Straße – wo außer den Hintergleisflächen
kaum etwas von der ursprünglichen Gestaltung
geblieben ist – und Nauener Platz
sind sie völlig verschwunden, am Rathaus
Steglitz teilweise.
Was Denkmalschutz eigentlich soll
Die Liste der Verluste und Veränderungen ist
lang und wird stetig länger, kaum bemerkt
weicht vor allem individuell, für den jeweiligen
Raum Gestaltetes zugunsten von Einheitsware.
Ist alles weg, was als belangloses
Detail abgetan wurde, bleiben bestenfalls
die Wand-, Stützen- und Deckenverkleidungen
übrig. Natürlich gibt es auf allen
Stationen der U 9 kaum noch originale (oder
wenigstens originalgetreu nachgebaute)
Bänke, Abfallbehälter, Stationsschilder, Reklame-
und Informationstafeln, Handläufe,
Zugzielanzeiger, Uhren, Transparentleuchtkästen,
Leuchten, Rolltreppen, Fahrkartenschalter,
Kioske oder Vitrinen. Dabei waren
etwa letztere einst so zahlreich auf der
Linie
G: Die dank des „Wirtschaftswunders“
entstandene Warenmenge und -vielfalt sollte
auch in der U-Bahn präsentiert werden.
Ein großer Schaukasten steht noch auf dem
Perron der Haltestelle Birkenstraße. Generell
handelt es sich bei ihr, wohl ihrer geringen
Bedeutung wegen, um eine der am besten
erhaltenen unter jenen Stationen, die 1961
in Betrieb gingen. Hier kann man auch noch
sehen: Die Werbeplakate hinter den Gleisen
wurden einst nicht einfach auf die Wände
geklatscht, sondern prangten auf metallgerahmten
Tafeln.
Die andere wenigstens halbwegs erhaltene
Station ist Hansaplatz – bereits zur „Interbau“
1957 fertiggestellt und stolz vorgeführt.
Weshalb sie etwas anders aussieht als ihre
„Geschwister“. Als sich diese noch weitgehend
glichen, konnte das auch jeder erkennen und
fragen, weshalb es so ist – was die Frage beantwortet,
was Denkmalschutz eigentlich soll.
Doch halt, nicht nur mit den Rümmlerschen,
1971 bis 1976 eröffneten Stationen
kann die BVG ja machen, was sie
will – U-Bahnhöfe, die jünger als fünfzig
Jahre sind, stehen in Berlin grundsätzlich
nicht unter Schutz. Auch von den ältesten
Stationen der U 9 wurden nur Hansaplatz
und Kurfürstendamm in die Denkmalliste
aufgenommen – Birkenstraße nicht. Dafür
Kurfürstendamm, obwohl dort nach inzwischen
fast vollendeter „Sanierung“ wohl
nicht mehr eine einzige originale Fliese
zu finden ist und viele Details verändert
wurden. Nicht nur, überall Natursteinböden
einzubauen, ist der BVG offenbar von
niemandem auszureden (zum „Ausgleich“
für die helleren Böden werden dann die
Wände dunkler gemacht, wie in der einst
weiß ausgekleideten Bahnsteighalle Amrumer
Straße). Die, auch noch pseudo-historische,
Umgestaltung der Zugänge zur
Station Kurfürstendamm wirft die Frage
auf, was Denkmalschutz bei der Berliner
U-Bahn eigentlich soll.
Vom Glanz und auch dem Zukunftsglauben,
welchen deren jüngste Linie einst
ausstrahlte, ist kaum noch etwas zu sehen.
Ginge es nach Plänen der BVG, würde sogar
die Fehlinvestition unter der Schloßstraße
unsichtbar werden: Indem man, wohl
wieder mit nennenswertem Aufwand, die
nutzlos gewordene Verschlingung auflöst,
alle Züge der U 9 in die obere Bahnsteighalle
führt und die untere aufgibt. Womit
nebenher, die seit langem geplante Verlängerung
der U 9 nach Lankwitz verbaut
würde. Dabei ist dies eine der letzten noch
sinnvollen Erweiterungsmöglichkeiten des
Berliner U-Bahn-Netzes. Doch obwohl sich
der Bau der U 9 – betrachtet man ihre Auslastung
– als richtig erwiesen hat: Über die
Strecke nach Lankwitz redet seit langem
niemand mehr.
Vielleicht ist diese Linie zu sehr ein Kind
des heute gern geschmähten West-Berlin. Jan Gympel
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