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Entwicklung der Verkehrsmittelwahl in Berlin 1998, 2008 und Prognose 2025. Quelle: SenStadt, StEP Verkehr 2.0 |
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Der Bau der Straßenbahnverlängerung vom Alexanderplatz zum Kulturforum ist Bestandteil der Maßnahmen im jetzt fortgeschriebenen Stadtentwicklungsplan Verkehr. Umso unverständlicher ist, dass der Senat auf der künftigen Straßenbahntrasse in der Potsdamer Straße 2010 den sogenannten Boulevard der Stars für 1,6 Mio Euro gebaut hat. Foto: Marc Heller |
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Der Autoverkehr nimmt ab, aber am Autobahnbau von Neukölln nach Lichtenberg (16. und 17. Bauabschnitt) will der Berliner Senat dennoch festhalten. Abb.: SenStadt Berlin |
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„Als Kursbuch der Berliner Verkehrspolitik“
betrachtet der Berliner Senat den Stadtentwicklungsplan
(StEP) Verkehr, in dem nicht
nur der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
geregelt wird, sondern auch die verkehrspolitischen
Ziele definiert werden. Der jetzt
beschlossene „StEP Verkehr 2.0“ ist die Fortschreibung
des 2003 aufgestellten „StEP
Verkehr – mobil 2010“.
Viele der im fortgeschriebenen StEP benannten
Ziele, Strategien und Maßnahmen
sind durchaus positiv zu bewerten, denn
sie berücksichtigen zumindest teilweise
den auch im Verkehrsbereich festzustellenden
gesellschaftlichen Wertewandel hin zu
einem umwelt- und stadtverträglicheren
Verkehr.
Anzuerkennen ist der in der Verkehrspolitik
bisher eher unübliche (siehe „Stuttgart
21“) Erarbeitungs- und Beteiligungsprozess
zum StEP Verkehr durch einen wissenschaftlichen
Beirat und einen durch Vertreter der
Fachöffentlichkeit besetzten Runden Tisch,
zu dem auch der Berliner Fahrgastverband
IGEB geladen war.
Die Positionen am Runden Tisch waren
entsprechend den unterschiedlichen Interessenlagen
der Vertreter naturgemäß
sehr breit gefächert. So werteten manche
Interessenvertreter die Ausdehnung der
Parkraumbewirtschaftung als Folterinstrument
für Autofahrer und die Ausweitung
von Tempo-30-Zonen als ernste Bedrohung
für den Wirtschaftsstandort Berlin. Andere
Verbände kritisierten demgegenüber die
im StEP Verkehr fehlende eindeutige Prioritätensetzung
zugunsten von Maßnahmen,
die die Verkehrsarten des Umweltverbundes
unterstützen, insbesondere weil diese
bei knappen Finanzen erfahrungsgemäß als
erste gestrichen werden.
Das Ende des (Auto-)Verkehrswachstums
Sehr unterschiedlich war auch die Bewertung
der Verkehrsprognose für das Jahr
2025, die für viele der auf Wachstum gepolten
(Auto-)Verkehrsexperten offenbar
kaum begreiflich ist. Das Ergebnis der Gesamtverkehrsprognose
für die Länder Berlin
und Brandenburg ist so nachvollziehbar
wie eindeutig: Der Straßenverkehr wird
zukünftig in Berlin und Brandenburg nicht
mehr wachsen, sondern – teilräumlich differenziert
– zum Teil erheblich zurückgehen.
Dafür gibt es mehrere Gründe:
- die zu erwartenden Preissteigerungen
beim Autoverkehr durch die Energieverknappung
und -verteuerung,
- die gravierenden Auswirkungen des demografischen
Wandels der Bevölkerung,
denn die nicht mehr im Erwerbsleben
stehenden Bewohner legen am Tag deutlich
weniger Wege zurück als jüngere in
Ausbildung oder im Berufsleben stehende,
so dass aufgrund einer prognostizierten
Zunahme des Anteils der über 65-jährigen
an der Gesamtbevölkerung in Berlin bis
2025 um 24 Prozent die Zahl der Wege
deutlich zurückgehen wird,
- kommt auch noch ein Mentalitätswandel
hinzu, denn nicht nur umweltbewusste
Berliner lassen das Auto stehen. Vor allem
unter den Jugendlichen ist ein deutlicher
Mentalitätswandel festzustellen: Längst
ist es nicht mehr für alle Jugendlichen das
höchste Ziel, mit 18 Jahren den Führerschein
oder gar ein eigenes Auto zu besitzen.
Die neuesten Smartphones oder IPads
stehen bei städtischen Jugendlichen
inzwischen viel höher im Kurs als das frühere
Statussymbol Auto.
Mehr Rad- statt Autofahrten
Die ersten Auswirkungen sind schon erkennbar:
Berlinweit ist der Anteil des Radverkehrs
am Gesamtverkehrsaufkommen
in den letzten 10 Jahren von 10 auf 13 Prozent
deutlich gestiegen und erreicht in den
Innenstadtbezirken zum Teil über 20 Prozent.
Zumindest in der Innenstadt ist der
Autoverkehr auf einigen Straßen in den
letzten Jahren messbar zurückgegangen,
in einzelnen Innenstadtbezirken liegt der
Anteil des motorisierten Individualverkehrs
bei nur noch 17 bis 20 Prozent. Auf die Gesamtstadt
bezogen ist der Anteil des Autoverkehrs
am Gesamtverkehr im letzten
Jahrzehnt von 38 auf 32 Prozent gesunken.
Der Anteil des ÖPNV blieb mit 27 Prozent
nahezu konstant.
Bis zum Jahr 2025 wird sich nach den Senatsprognosen
der Anteil der Autofahrten
sogar auf nur noch 25 Prozent verringern,
während öffentlicher Verkehr, Rad- und Fußverkehr
einen Anteil von 75 Prozent erreichen.
Vor allem der Anteil des Radverkehrs
wird sich weiter deutlich auf 18 Prozent erhöhen,
der Anteil des öffentlichen Verkehrs
wird moderat auf 29 Prozent steigen und der
Anteil des Fußverkehrs wird in etwa auf dem
jetzigen Niveau verbleiben.
So weit, so schlüssig. Vor dem Hintergrund
dieser Prognosen, die auch vom wissenschaftlichen
Beirat in ihren Grundaussagen
mitgetragen wurden, überraschen
dann umso mehr die zahlreichen im StEP
Verkehr vorgesehenen Straßenausbauten:
Tangentiale Verbindung Nord und Ost,
Nordumfahrung für Köpenick oder Südostverbindung,
Verbindungsstraße zwischen
Alt-Karow und B2, Verkehrslösung Heinersdorf
oder Verlängerung Granitzstraße,
Ortsumfahrung Ahrensfelde und Ausbau
der Landsberger Chaussee, Ausbau des inneren
Ringes und vor allem natürlich die
A 100 – übrigens bis zur Frankfurter Allee.
Auch der fortgeschriebene StEP Verkehr
enthält ein ganzes Bündel von Straßenneubauten.
Insbesondere im Zusammenhang
mit dem Weiterbau des Autobahnringes
A 100 scheinen alle oben genannten
Verkehrsprognosen außer Kraft gesetzt.
Überall in der Stadt wird der Autoverkehr
deutlich zurückgehen – nur im Umfeld der
A 100 wurden im Rahmen einer vertiefenden
Untersuchung gravierende Zunahmen
des Verkehrs prognostiziert – ein Schelm
wer Arges dabei denkt.
Auf dem geduldigen Papier:
Viel Straßenbahn
Dennoch kann man dem StEP Verkehr keine
einseitige Autolastigkeit vorwerfen. Die
vorgesehen Maßnahmen und Strategien
zur Förderung des Fuß-, Rad- und öffentlichen
Verkehrs kann man nur ausdrücklich
befürworten, und viele Infrastrukturmaßnahmen
betreffen auch die Verbesserung
des öffentlichen Verkehrs. Wie schon im
Vorgänger-StEP sind wieder eine Vielzahl
von positiven Zielen für den öffentlichen
Verkehr (z. B. Beschleunigung, Anschlusssicherung,
Qualitätssteigerung) und eben Infrastrukturmaßnahmen
benannt. Zahlreiche
Neubauten für Regionalbahnhöfe gehören
ebenso dazu wie weitere S-Bahn-Strecken
(S 21 und Spandau—Hackbuschstraße)
und -Bahnhofsneubauten. Und während
im Vorgänger-StEP noch die Aufgabe von
einzelnen Straßenbahnstrecken vorgesehen
war, z. B. die Aufgabe des inzwischen
zum Metroliniennetz gehörenden Astes
nach Niederschönhausen, so sieht der jetzt
beschlossene StEP Verkehr keine Streckenstilllegungen
bei der Straßenbahn mehr vor.
Ganz im Gegenteil: Nicht weniger als sieben
Straßenbahnverlängerungen sind geplant,
und weitere sieben Straßenbahnstrecken
sind als Infrastruktur-Langfristvorhaben
eingestuft.
Nur Papier ist eben geduldig. So zeigte
eine im StEP Verkehr erfolgte Abschätzung
der für den Verkehrsbereich zur
Verfügung stehenden Finanzmittel, dass
diese nicht mal für den Betrieb des ÖPNV
und für den Unterhalt des bestehenden
Straßennetzes reichen werden, für das
schon heute ein milliardenschwerer Instandhaltungsrückstau
konstatiert wird.
Hinzu kommt, dass die Rahmenbedingungen
für die Finanzierung des öffentlichen
Verkehrs durch den Bund sich in den
nächsten Jahren eher verschlechtern als
verbessern werden, u. a. durch das Auslaufen
des Gemeindeverkehrsfinanzierungs-
bzw. Entflechtungsgesetzes und
die bevorstehende Überprüfung der Regionalisierungsmittel.
So ist zu befürchten, dass für den öffentlichen
Verkehr im laufenden Jahrzehnt
nur die aus dem Bundesetat finanzierten
Großprojekte wie die U-Bahn-Linie 5 und
die S 21-Nord realisiert werden. Über die
bereits im Bau befindlichen Straßenbahnstrecken
in Adlershof und zum Hauptbahnhof
hinaus wird wohl in den nächsten 10
Jahren, allen Lippenbekenntnissen zum
Trotz, keine Straßenbahnstrecke finanzierbar
sein – es sei denn, die einbehaltenen
S-Bahn-Millionen werden endlich zum
Straßenbahnausbau eingesetzt, wie es die
IGEB seit langem fordert. Auch die vielen
kleinen, unter Nutzen-Kosten-Gesichtspunkten
im Vergleich zu U 5 oder S 21 sehr
viel sinnvolleren Projekte zum Ausbau des
öffentlichen Verkehrs werden wie bisher
auf der Strecke bleiben – obwohl sie alle im
StEP Verkehr 2.0 enthalten sind und eines
Tages sicherlich auch im StEP Verkehr 3.0
enthalten sein werden. Berliner Fahrgastverband IGEB
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