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Fotos und Montage: BfVst |
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Ein jahrelanger Zwist zwischen der Deutschen
Bahn und dem Regierungspräsidium
Darmstadt um den sogenannten Bedienzuschlag
der Bahn wurde am 14. September
2010 vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof
in Kassel abschließend zugunsten der
Bahn und zum Nachteil der Fahrgäste entschieden.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2003
führte die Deutsche Bahn erstmals für das
Schönes-Wochenende-Ticket ein sogenanntes
Bedienentgelt in Höhe von 2 Euro
ein und weitete dieses 2004 auf die Länder-
Tickets aus.
Ziel der Bahn war es, die Reisenden, die
den Service der persönlichen Beratung im
DB ReiseZentrum, Reisebüro oder in einer
DB Agentur beim Fahrscheinkauf in Anspruch
nehmen, an den Kosten für das Verkaufspersonal
zu beteiligen. Damit sollten
die Reisenden zugleich bewegt werden,
ihre Fahrscheine am Automaten oder im
Internet zu kaufen, um Verkaufspersonal
einsparen zu können.
Mittlerweile sind weitere Angebote
mit einem Bedienzuschlag versehen
worden, z. B. das Ostseeticket mit 4 Euro
und die Sparpreise mit 5 Euro.
Die Beförderungstarife eines Eisenbahnverkehrsunternehmens
müssen
genehmigt werden. Da die Bahn ihren
Sitz in Frankfurt am Main hat, ist die
zuständige Genehmigungsbehörde
das hessische Regierungspräsidium in
Darmstadt.
Für Schönes-Wochenende-Ticket und
Länder-Tickets wurden die Konditionen
der Angebote immer zeitlich befristet
zugelassen und beschieden. Daraufhin beantragte
die Bahn am 16. bzw. 22.9.2008 die
unbefristete Weiterführung der Beförderungsbedingungen
für Schönes-Wochenende-
Ticket und Länder-Tickets nach § 12
Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) für die
Zeit ab dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember
2008. Aber das Regierungspräsidium
Darmstadt genehmigte die insgesamt 14
Einzelanträge (für jeden Tarif einen) nur befristet
bis zum Fahrplanwechsel am 12. Dezember
2009. Für den Zeitraum ab 13. Dezember
2009 wollte das Regierungspräsidium
die Tarife nur dann genehmigen, wenn
die Bahn auf die preisliche Unterscheidung
der Vertriebswege verzichtet, wenn sie also
den Passus, dass im personenbedienten Verkauf
jedes Ticket 2 Euro teurer als im Internet
oder am Automaten ist, aus ihrem Antrag
entfernt. Die Bahn tat dies nicht, und so wurde
ihr die Genehmigung verweigert.
Das Regierungspräsidium begründete
seine Entscheidung unter Berufung auf
das Allgemeine Eisenbahngesetz (§ 12
Abs. 5 Satz 2 AEG) damit, dass die Genehmigung
versagt werden könne, wenn die
beantragten Beförderungsbedingungen
oder Entgelte nicht mit gesetzlichen Bestimmungen
im Einklang stünden. Es wies
auf den Missstand hin, dass insbesondere
Sehbehinderte und ältere Menschen auf
den Fahrscheinverkauf am Schalter angewiesen
sind und die zusätzliche finanzielle
Belastung somit eine unzulässige mittelbare
Benachteiligung aufgrund des Alters
und einer Behinderung darstelle. Diese verstoße
damit gegen das Benachteiligungsverbot
des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
(§ 19 Abs. 1 AGG).
Die Deutsche Bahn klagte daraufhin beim
Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main
gegen die Auflagen der Darmstädter Behörde
sowie auf Entfristung der bestehenden
Regelungen und bekam Recht. „Die von einem
Eisenbahnverkehrsunternehmen nach
der Art des jeweiligen Fahrkartenerwerbs
vorgenommene Differenzierung des Fahrpreises
stellt weder eine mittelbare Benachteiligung
älterer Fahrgäste nach § 3 Abs. 2
AGG dar, noch handelt es sich um eine unwirksame
Allgemeine Geschäftsbedingung“
(Az: 12 K 4006/08.F). Das Gericht vertrat die
Auffassung, dass „es im heutigen Geschäftsverkehr
vielfach üblich ist, Dienstleistungen
ohne Beratung bzw. Bedienung günstiger
anzubieten“ – zumal es sich um vergünstigte
Angebote handele und somit ein Bedienzuschlag
keine besondere Belastung
darstelle. Die Frage, welcher Vertriebsweg
in Anspruch genommen werde, sei weniger
eine Frage des Alters der jeweiligen Bahnkunden.
Vielmehr dürfte entscheidend sein,
über welchen Erfahrungsschatz der jeweilige
Bahnkunde verfüge, was wiederum
wesentlich durch die Häufigkeit der
Inanspruchnahme der Leistungen der
Bahn bestimmt werde.
Dagegen ging das Land Hessen in
Berufung, aber am 14. September 2010
wies der 2. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
in Kassel die Berufungsklage
zurück. Die Begründung der
Richter: Bei dem Zuschlag für den personenbedienten
Verkauf handele es sich
um die Regelung eines Beförderungsentgeltes,
das nach den gesetzlichen
Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
keiner Genehmigungspflicht
unterliegt (Az.: 2 A 1337/10). Das
Regierungspräsidium Darmstadt sei
deshalb gar nicht befugt gewesen, über
das Bedienentgelt zu befinden und die Genehmigung
der Tarife aufgrund dessen zu
verweigern.
Eine altersbedingte Benachteiligung der
über 60-jährigen sah der Verwaltungsgerichtshof
ebenso wenig wie zuvor das Verwaltungsgericht,
da auch in der Altersgruppe
der 45 bis 60 Jahre alten Reisenden der
Schalterverkauf bevorzugt würde, beide
Altersgruppen jedoch nicht einen überproportionalen
Anteil am gesamten Nutzerklientel
ausmachen würden. Selbst wenn eine
Benachteiligung vorläge, sei es sachlich
gerechtfertigt, dass die Bahn den Bedienzuschlag
betriebskalkulatorisch in den Ticketpreis
einbeziehe, da der Ticketverkauf durch
Personal die Bahn tatsächlich mehr koste.
Eine Revision gegen dieses Urteil wurde
nicht zugelassen. (BfVst) Berliner Fahrgastverband IGEB
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